Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 41
1.
ОглавлениеYukan blinzelte. Es konnte nur noch wenige Augenblicke dauern, bis es soweit war. Er kniff die Augen zu ganz engen Schlitzen zusammen, so dass von den Augäpfeln überhaupt nichts mehr zu sehen war. Ein wenig zog er die Schultern hoch, und die beiden Daila in seiner Begleitung bewegten sich unruhig.
»Was ...«, begann der eine, der den völlig undailanischen Namen Correg trug, der »Kriegerische«.
»Sch ...«, machte Yukan nur. Er hob die rechte Hand und steckte den Daumen zwischen Zeigefinger und Mittelfinger hindurch. Die Fingernägel leuchteten in der sternenhellen Nacht wie kleine, entfernt stehende Lampen. Das Zeichen bedeutete, dass alles auf des Messers Schneide stand, oder, wie die Daila es ausdrückten, zwischen Glut und Asche mitten im aufsteigenden Rauch.
Mana!, dachte Yukan deshalb auch. Wenn du die Zeichen der Zeit steuerst und all das vorausgesehen hast, dann weißt du, wie unser Kampf ausgehen wird. Er stockte ein wenig bei der gedanklichen Verwendung des Begriffes Kampf. Die Daila lebten seit vielen Generationen in Frieden, und sie entfernten alles von ihrer Welt, was diesem Frieden hinderlich sein konnte. Aber sie hatten keine andere Möglichkeit als den Kampf gehabt, um sich den Zugriffen der Ligriden und ihrer Helfer zu entledigen. Nach und nach hatten sie eingesehen, dass es um mehr ging als um den Frieden Aklards. Es ging um den Frieden Manam-Turus, des Rauchstreifens vom verlöschenden Feuer. Und Aksuum hatte vor langer Zeit gesagt, dass dieser Rauchstreifen die Daila ersticken würde, wenn sie nicht handelten.
Ein leichter Schimmer begann am östlichen Horizont zu glimmen. Er wurde zu einem Lichtstreifen, der sich über einen Teil der Hügelkämme ausbreitete. In der Mitte des Streifens blähte sich ein halbkreisförmiges Licht auf. Es stieg über den Horizont.
Falinder, der leuchtende Mond der nördlichen Hemisphäre, ging auf und wurde zu einem vollen Ball.
Der Zeitpunkt war da.
Yukan richtete sich auf. Er streifte die Feuchtigkeit von den Unterarmen, mit denen er sich bisher im Gras abgestützt hatte.
»Los!«, zischte er.
Correg und Dennar folgten ihm lautlos. Sie hielten die kurzläufigen Strahlwaffen umklammert, als handle es sich dabei um ein heißes Eisen. Für einen Augenblick beleuchtete Falinder ihre Gesichter. Sie wirkten verbissen und entschlossen. Allein Mana konnte sagen, welche Gedanken in ihrem Innern entstanden. Sie gehörten nicht zu den Draufgängern, aber wie alle Daila hatten sie begriffen, dass es ums Ganze ging. Und wenn sich Daila einmal zu etwas durchgerungen hatten, dann taten sie es richtig.
Die drei Männer huschten zwischen den niedrigen Felsen entlang. Sie nutzten jede Deckung aus, die sich ihnen bot. Sie hielten die Richtung nach Norden ein.
Yukan zählte die Schritte. Kurz blitzten seine Augen auf. Im Dunkel der Nacht, das von den Sternen hoch am Firmament ein wenig erhellt und nun von Falinder durchstrahlt wurde, leuchteten die bläulichen Augäpfel wie zwei Edelsteine. Es waren Augen, die einen leicht verraten konnten, wenn man sich auf einem Weg wie diesem befand.
Der Daila kniff die Augenlider fest zusammen. Im Licht des einen Mondes erspähte er die Umrisse der Warnenden Senke, fünf wie mahnende Finger in den Himmel ragende Felsnadeln, vom Wind und vom Regen ausgewaschen und durchfurcht.
Yukan blieb abrupt stehen. Er duckte sich hinter einen verkrüppelten Busch.
Hier in der Nähe musste es sein. Hier hatten die Rebellen gegen die Ligriden immer wieder in den vergangenen Monaten ihre Beobachtungen gemacht.
Correg und Dennar ließen sich neben ihm nieder. Sie waren erhitzt von dem anstrengenden und schnellen Marsch. Die drei Daila atmeten keuchend.
Yukan machte eine fahrige Bewegung von links nach rechts. Dort unten verlief der Pfad durch das spröde und spärliche Gras der Senke. Wenn die Beobachtungen zutrafen, dann musste es bald geschehen. Noch in dieser Nacht, aber nicht, bevor Falinder aufgegangen war. Zu spät konnten sie also nicht sein.
Die Daila warteten. Yukans Gedanken schweiften zurück in den vergangenen Tag. Sie waren nach Bajukkan gerufen worden, der Hauptstadt des nördlichen Kontinents Akjunth. In der alten Residenz des Obersten Rates waren sie empfangen worden. Aus dem Mund von Urlysh hatten sie die neuesten Informationen empfangen. Urlysh war einer der ersten Rebellen gegen die Ligriden gewesen, und er genoss das höchste Ansehen unter den Bewohnern Aklards. Aber auch zu den anderen Daila-Welten war sein Ruf hinausgeeilt.
Urlysh hatte das bekräftigt, was Daila wie Yukan bereits wussten. Die Aufgabe war noch nicht zu Ende. Die Raumflotte der Ligriden war vertrieben worden, und es hielten sich keine mehr auf der Oberfläche des Planeten auf.
Die Daila hatten Zeit erhalten, Luft zu holen und sich ihrer wiedergewonnenen Freiheit und Selbständigkeit zu erfreuen. Beobachtungen und Einschätzungen waren zusammengetragen worden, und sie hatten dazu geführt, dass eine Einsatztruppe ins Leben gerufen worden war. Ihr einziges Ziel war es, endgültig aufzuräumen.
Yukan, Correg und Dennar befanden sich hier, um zum wiederholten Mal zu diesem Ziel beizutragen.
Der kaum spürbare Wind trug einen Laut an die Ohren der Daila. Ihre Sinne waren geschärft. Es handelte sich nicht um ein Geräusch der Natur, sondern um einen Laut, der von einem intelligenten Wesen ausgestoßen worden war.
Die Daila fassten die Waffen fester und lauschten intensiver. Das Geräusch wiederholte sich nicht. Statt dessen blitzte es irgendwo hinter den Felsnadeln kurz auf.
Das verbotene Signal. Dort drüben also waren sie. Es war unverantwortlich, ein solches Zeichen zu geben. Dennoch hatte sie es gewagt. Yukan verzog ärgerlich den Mund. Wieder einmal sah er Schwierigkeiten auf sich zukommen, auf sich und alle Mitglieder der Einsatzgruppe. Es bestand die Gefahr, dass der Gegner das Lichtsignal entdeckt hatte.
»Sie weiß nicht, was sie tut«, flüsterte Correg ergrimmt. Yukan hielt ihm die Hand vor den Mund und brachte ihn so zum Schweigen. Er zog die Hand rasch zurück. Siedendheiß überlief es ihn. Er begann unmerklich zu zittern. Wieder einmal hatte er sich und seine Begleiter dabei erwischt, dass sie vergessen hatten, wer sie eigentlich war. Noch immer war es für Daila ungewöhnlich, ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen und dauernd daran zu denken, dass sie fremdartig war.
Aber war es wirklich eine so große Fremdartigkeit? War der Abgrund zwischen ihnen unüberbrückbar?
Ein leises Schaben klang auf. Es kam von Westen aus den Hügeln. Das Gelände war nicht übersehbar, und Yukan machte sich hinter dem verkrüppelten Busch ein wenig größer.
Jetzt kam es darauf an. Diesmal war es alles andere als einfach. Der Gegner konnte sich zwischen den Felsnadeln verschanzen. Außerdem wussten sie seine genaue Anzahl nicht. Im Nachhinein mochte es sich als Fehler herausstellen, dass sie nicht in einer größeren Gruppe aufgebrochen waren.
Hoffentlich hatten sie Glück und hatten es mit Dienern des Gward zu tun, nicht mit den total kriegerisch veranlagten Dienern des Gwyn.
Schatten tauchten auf. Sie waren klein wie von Ligriden, die am Boden entlangrobbten.
Seltsam.
Yukan zauderte. Er wischte sich die Augen.
Die Schatten wurden deutlicher. Sie bewegten sich den Pfad entlang auf die Lichtfläche zu, die Falinder zwischen den Felsen erzeugte.
»Nein!« Yukan schluckte schwer. Er bewegte sich auf die andere Seite des Busches. Er vergaß seine Vorsicht gänzlich und wurde von seinen Begleitern zurückgerissen.
»Bist du übergeschnappt?«, zischte Correg.
Yukan ächzte. Sein Kehlkopf knackte. Wieder starrte er hinab auf das Schauspiel, das sich ihm bot. Ligriden waren das keine, oder er war kurzsichtig geworden, ohne es zu merken. Stumm deutete er auf den Zug kleiner Wesen, die sich den Pfad entlangbewegten. Nichts war zu hören außer dem Schaben, das sie auf dem Untergrund erzeugten.
»Schoofils«, raunte Dennar. »Es sind Schoofils!«
Bei den cherokähnlichen Tieren handelte es sich um hundegroße Tiere, die ursprünglich auf dem südlichen Kontinent Akbarry beheimatet waren. Sie bewegten sich auf vier Beinen und zwei verkümmerten Hilfsbeinen vorwärts, die dicht vor dem Stummelschwanzansatz am Becken saßen und den schweren Hinterleib zusätzlich stützten.
Etwa zwanzig dieser Wesen waren es, die sich in ihrem arttypischen Gang den Pfad entlangbewegten, das vorderste mit der Schnauze am Boden, die folgenden hocherhobenen Hauptes. Sie trabten im Cherokmarsch, eines hinter dem anderen. Sie taten nicht, als befänden sich Ligriden oder überhaupt andere Wesen in der Nähe, die Witterung von sich gaben.
»Tolle Braten!« Correg vergaß die gebotene Vorsicht. »Sollen wir uns ein paar holen?«
Yukan winkte hastig ab. Er traute dem Frieden nicht. Er schielte nach links hinüber, ob nicht doch noch eine Gruppe von Ligriden auftauchte. Das Verhalten der Schoofils bewies jedoch, dass es weit und breit keinen Gegner gab.
Ein Ruf von der anderen Seite der Senke ließ ihn endgültig an ihrem Verstand zweifeln.
»Auf sie mit Gebrüll!«, klang die Stimme einer weiblichen Daila auf. Lichter flammten auf und näherten sich, durchquerten die Zwischenräume an den Felsnadeln und stürmten dem Pfad entgegen.
»Halt!«, schrie Yukan laut. Er hatte sich endgültig aufgerichtet und rannte mit langen Schritten hinab in die Senke. Fast vergaß er dabei, den Strahler festzuhalten. Er glitt ihm aus der Hand, und er fing ihn dicht über dem Boden auf. Ein Stein fiel ihm vom Herzen. Bei diesen Waffen konnte man nie wissen.
Keuchend gelangte er unten an und stand ihr gegenüber. Nur die Reihe der marschierenden Schoofils trennte sie.
»Was ist mit unserem Auftrag!«, herrschte Yukan die Frau an, die sich Opala nannte. »Haben wir Urlysh nicht versichert, dass wir ...«
Die Frau blitzte ihn aus ihren dunklen Augen an. Sie war eine Daila, wie sie sich Yukan nicht anmutiger vorstellen konnte. Ihre Augen besaßen neben dem blassblauen Schimmer einen leicht grünlichen Unterton, der mehr intuitiv als optisch feststellbar war. Das Gesicht der Frau war ebenmäßig und schön. Das dichte, an Watte erinnernde Haar und dessen pechschwarzer Glanz verliehen ihr das Flair eines außeraklardischen Wesens.
»Mach deine Augen auf, Yukan«, sagte sie mit nachsichtig klingender Stimme. »Ihnen darfst du trauen, anderen Dingen nicht.«
Yukan senkte fassungslos den Kopf. Zwischen ihnen marschierte die Kette der Schoofils entlang, ohne Notiz zu nehmen. Im Normalfall hätten die Tiere ihr instinktgesteuertes Fluchtverhalten gezeigt und wären wie ein Blitz zwischen den Felsnadeln verschwunden.
»Was ist das?«, brachte er hervor.
»Wir werden es gleich sehen«, sagte Opala. »Erschieße eines von den Dingern!«
Verwirrt hob Yukan den Lauf seiner Waffe und entsicherte sie. Er betätigte den Auslöser, und ein scharfer, stark gebündelter Energiestrahl traf eines der Tiere und suchte sich den Weg in sein Inneres. Es gab einen dumpfen Knall. Gestank von Kunststoff und Metall breitete sich aus. Die Kolonne der Schoofils kam zum Stillstand. Irgendwo krachte es. Die Daila warfen sich instinktiv zurück und entgingen so dem Inferno, das sich ausbreitete. Die Schoofils explodierten nacheinander. Aus ihrem Innern wurden Würfel und Rechtecke davongeschleudert, die nach Proviantpaketen aussahen.
Yukan wartete in der Deckung eines kleinen Felsbrockens, bis sich nichts mehr rührte. Dann trat er neben Opala an die Trümmer der Tiere.
»Maschinen«, sagte die Daila geringschätzig. »Simple Maschinen. Sie haben Proviant und Ausrüstung transportiert. Der Ausfall einer einzigen von ihnen hat zur Vernichtung aller geführt.«
Yukan, Correg und Dennar suchten nach Worten. Besonders Yukan wollte nicht glauben, was er sah.
»Roboter also«, stieß er hervor. »Das ist Beweis genug, dass es noch immer geheime Stützpunkte auf unserem Planeten gibt. Der Trick mit den Schoofils ist so simpel, dass wir nie darauf gekommen wären.« Er wandte den Kopf und blickte Opala aus großen Augen an. Ohne es zu merken, rückte er zwei, drei Schritte von ihr ab.
»Wie hast du es erkannt?«, hauchte er.
»Die Tiere besaßen keine Hirnwellenmuster«, erklärte Opala, als sei es das Gewöhnlichste auf der Welt. »Als Orterin empfange ich die Muster eines jeden lebenden Wesens. Auch wenn es nicht intelligent ist, strahlt es eine spezifische Komponente ab, die auf Gehirntätigkeit hinweist. Es war nicht der Fall, also musste es sich um Roboter handeln.«
Sie bemerkte, dass Yukan sie immer noch wie einen Geist anstarrte. Sie drehte unschlüssig die Hände hin und her, wobei sie die Finger gespreizt hielt.
»Beim Großen Feuer und bei Aklard, unser aller Heimat«, fuhr sie fort. »Es ist nun mal so. Wir Mutanten können unsere Fähigkeiten nicht einfach vergessen. Ihr nehmt uns das doch hoffentlich nicht mehr übel, oder?« Ihre Stimme klang bei den letzten Worten leicht aggressiv.
»Nein, nein, natürlich nicht«, versicherten die Daila der beiden Gruppen hastig. Und Yukan fügte hinzu: »Es ist nur ... ungewohnt. Und es war ein Fehler, die Schoofils anzugreifen. Zumindest von dir, die du die Wahrheit kanntest.«
»Warum, Yukan?«
»Sie hätten uns zum Versteck der Ligriden führen können, Opala. Deshalb!«
»Bei Manam-Turu, du hast Recht«, gestand die Mutantin zerknirscht. »Wo habe ich nur meine Gedanken gehabt?«
Bei deiner verdammten Orterfähigkeit, wollte Yukan antworten, aber er verbiss die Worte zwischen den Lippen. Er schloss die Augen und wartete, bis die in ihm aufkeimenden Gefühle der Aggression abgeklungen waren.
*
Noch immer stand alles zwischen Glut und Asche mitten im aufsteigenden Rauch. Suuma hatte ihre jährliche Bahn über den Himmel zur Hälfte vollendet und stand in ihrer größten Hitze, die mit den längsten Tagen auf der Nordhalbkugel identisch war. Der große Feierzyklus im Tal Rhyikeinym hatte sich vollendet und würde in wenigen Tagen mit den Pulverfesten neu beginnen. Die Pulverfeste stellten ein Nachvollziehen der alten Überlieferung dar. In der hereinbrechenden Nacht des ersten Tages eilten die Läufer mit den Gefäßen nach allen Richtungen davon. Sie verließen das Tal und eilten in die Ebene hinein bis zum Anbruch des Morgens. Dort warteten sie fastend auf den erneuten Einbruch der Nacht, um dann ihre Pulvergefäße zu zünden. Manche erreichten in ihrer Laufnacht das Ufer des Meeres oder die Ausläufer der Berge im Westen. Es handelte sich meist um Tempeldiener aus dem Tal der Heilenden Quellen, aber unter den Läufern befanden sich auch genesene Kranke, die es sich nicht nehmen ließen, ihr wiedergefundenes Wohlbefinden unter Beweis zu stellen. In der zweiten Nacht leuchteten dann die Pulverflammen weithin und symbolisierten den Ring der Vulkane, der den kleinen und kalten Kontinent Uschriin säumte. Die Flammen waren aber auch ein Zeichen für die vielen kleinen Feuer, die nachts am Himmel zu sehen waren, wenn das Wetter es zuließ. Einst war das Große Feuer in viele kleine Feuer zerfallen, weil Diebe sich hinter dem Rücken der Wächter herangeschlichen hatten, um von ihm zu nehmen. Eifersüchtige Götter und Dämonen waren es gewesen, von denen jeder ein eigenes Feuer für sich beansprucht hatte.
Yukan warf einen heimlichen Blick auf Opala. Noch immer verharrten die Daila hinter den Felsen. Sie lagerten schweigend und in einer einzigen Gruppe, und zwei saßen ein wenig erhöht hinter den Felsnadeln und hielten Ausschau. Suuma hatte den Zenit bereits überschritten, aber noch nichts hatte sich gerührt. Es tauchten keine Ligriden auf, um nach den zerstörten Maschinen zu sehen. Die Schoofils rauchten noch immer teilweise, und kurz vor Mittag hatte es eine Nachzüglerexplosion gegeben. Die Felstrümmer waren bis hart an die Lagernden herangeflogen, ohne jedoch gefährlich zu werden. Corregs Detektoren meldeten, dass keine Strahlungsgefahr bestand.
Yukan dachte an Rhyikeinym und an viele andere Dinge. Gegen Morgen hatten sie durch einen kodierten Funkspruch erfahren, dass Aksuum zurückgekehrt war. Er brachte wichtige Neuigkeiten, die die Entwicklung auf und um Aklard entscheidend beschleunigen konnten. Was es im einzelnen war, das hatten sie nicht erfahren, denn der Funkspruch war kurz gewesen. Opala hatte zusätzlich das einzige tragbare Funkgerät ihrer Gruppe abgeschaltet, um dem Gegner keine Möglichkeit zu geben, den Standort zwischen den Felsen anzupeilen.
Ihr da!, dachte Yukan und nahm die Augen noch immer nicht vom Rücken der Mutantin. Ihr besitzt unheimliche Fähigkeiten. Jeder von euch unterliegt der Verlockung, sich mit Hilfe dieser Fähigkeiten Macht zu verschaffen. Wie sieht es mit eurer Anwesenheit auf Aklard aus? Zu Tausenden seid ihr gekommen. Seit Elyl und Aksuum diesen Plan schmiedeten, den zuvor schon Atlan im Sinn gehabt hatte, habt ihr euch um eure Heimat gekümmert. Ist es wirklich nur die Sehnsucht, die euch treibt? Habt ihr die Bindung an den Ursprungsplaneten unseres Volkes nicht längst verloren? Was habt ihr mit Aklard und uns Normalen vor, wenn alles vorbei ist? Wie viele von euch werden noch kommen?
Er räusperte sich und wandte den Blick ab. Opala bewegte den Oberkörper. Sie drehte sich und musterte ihn so lange, bis er sie wieder ansah.
»Es steht in deinem Gesicht geschrieben«, sagte sie unvermittelt. »Du kannst einfach nicht über deinen Schatten springen, Yukan!«
»Ich verstehe dich nicht. Was meinst du?«
»Deine Gedanken, meine ich. Du fragst dich, warum wir Mutanten nach Aklard gekommen sind!«
»Dann kennst du auch alle anderen Gedanken, die ich denke?« Entsetzt sprang Yukan auf. »Alle?« Er schrie es hinaus.
Opala wehrte ab. »Ich kenne deine Gedanken nicht, ich kann sie mir nur denken!«
»Du liest in ihnen wie in einer offenen Positronik!«
Sie drehte die Hände verneinend hin und her.
»Ich kann keine Gedanken lesen«, sagte sie. »Wie oft muss ich das noch erklären! Ich erkenne Hirnwellenmuster und kann entscheiden, ob lebende Wesen in der Nähe sind und zu welcher Kategorie sie gehören. Ich kann nicht deine Gedanken lesen, falls du das meinst!«
»Beweise!«, rief Yukan viel zu laut. »Gib uns Beweise!«
Opala ließ resignierend die Schultern sinken. Sie war die einzige Mutantin der gesamten Einsatzgruppe. Jeder Daila wusste nur zu genau, dass es schwierig war, den Beweis anzutreten.
»Du weißt, dass das nicht geht. Wenn ich sage, ich weiß nicht, woran du gerade denkst, dann wirst du glauben, ich lüge. Es hat keinen Sinn, darüber zu reden!«
Sie erhob sich ebenfalls und schritt dicht an Yukan vorbei zum Rand des Verstecks. Gebückt verschwand sie zwischen den Felsen und suchte einen Pfad durch das Geröll, den sie begehen konnte, ohne verräterischen Lärm zu machen. Sie blieb stehen und sah sich eine Weile unschlüssig um. Sie entschied sich für einen Einschnitt, der nach Nordosten führte.
Opala war zutiefst aufgerüttelt. Wie alle Mutanten hatte sie sich ihren Aufenthalt auf Aklard ein wenig anders vorgestellt. Sicher, sie war vorgewarnt worden. Alle waren vorgewarnt worden, und kein einziger der Verbannten konnte vergessen, dass der Exodus der Mutanten von ihrer Heimatwelt ein mehr oder minder erzwungener war. Die normalen Daila befanden sich in der Überzahl, die Mutanten waren eine verschwindend kleine Minderheit gewesen. Doch immer wieder war der Planet gesäubert worden, weil die übernatürlichen Fähigkeiten von ein paar wenigen den Frieden in den Städten und Dörfern gefährdeten. Die Mutanten waren schweren Herzens gegangen, und sie hatten sich ihre Sehnsucht nach Aklard über viele Generationen hinweg bewahrt. Sie hatten die Entwicklung um die Ligriden und Hyptons mitverfolgt und waren Elyls Ruf gefolgt, der sie nach Pultar zur Konferenz gerufen hatte. Es hatte Missverständnisse und Verwicklungen gegeben, aber auch die letzten Mutanten hatten daraus ihre Schlüsse gezogen. Von diesem Zeitpunkt an waren von allen von Daila besiedelten Welten Mutanten ausgezogen, um Aklard gegen die Ligriden zu helfen und den Planeten zu befreien.
Und kurz vor dem entscheidenden Schlag waren die fremden Schiffe gekommen und hatten den Mutanten buchstäblich die Show gestohlen.
War es ein Wunder, dass es in den Städten bereits wieder Stimmen gab, die alle Mutanten zum Verlassen des Planeten aufforderten und sich damit gegen die offizielle Politik stellten, die vom Obersten Rat betrieben wurde?
Opala ließ die Felsen hinter sich und schritt eine Vertiefung zwischen zwei Bodenwellen entlang. Der Dank des Vaterlands blieb aus, und die Geschichte lehrte, dass dies immer so war. Die, die die Dreckarbeit machten, waren zu unauffällig, um sich aus der breiten Masse herauszuheben. Die kleinen, gefahrvollen Einsätze zählten nicht, und doch waren sie es, die bewirkten, dass die großen Dinge die vorgesehene Richtung erhielten.
Sollen sie ihren Dreck allein machen, dachte die Frau erbost. Wir gehen, und wir lassen uns nicht nachsagen, dass wir etwas schuldig geblieben sind. Wir werden für die Gastfreundschaft und für den Aufenthalt zahlen, wie jeder andere Tourist auch. Aber wir werden daheim erzählen, wie es gewesen ist. Daran wird auch Elyl nichts ändern können. Er sieht sowieso alles durch eine rosarote Brille. Er und Aksuum!
Nein, sie musste ihre Gedanken korrigieren. Sie waren aus der Frustration heraus entstanden, an der Yukan schuld war. Es war anders. Es gab durchaus tolerante Daila, die die Mutanten wie ihresgleichen aufnahmen und für die seltsamen Fähigkeiten Verständnis zeigten oder bewusst die Augen verschlossen. Überall auf den drei Kontinenten hatte es Zeichen der Dankbarkeit und der Zustimmung gegeben, die nicht übersehen werden durften.
Wie hatte Elyl einmal gesagt?
»Und wenn es nur ein Dutzend Daila sind, die euch willkommen heißen, dann helft Aklard um dieses Dutzends willen!«
Sie hatten sich daran gehalten, und es waren mehr gewesen. Hunderttausende und Millionen Daila, die sie unterstützt hatten. Die meisten hatten mit ihnen um Erfolge im Kampf gegen die Unterdrücker gewetteifert.
Und da gab es lustige Geschichten von einem Käsehändler, der den Ligriden mitsamt seinem Weichkäse buchstäblich um die Helme und andere Kopfbedeckungen gelaufen war.
Opala verzog das Gesicht. Das Ganze hatte Sonnen- und Schattenseiten, und welche letztendlich überwogen, war noch nicht heraus. Es konnte erst gesagt werden, wenn alle Probleme beseitigt waren.
Von der Bodenwelle zu ihrer Linken löste sich eine kleine Sandwechte und rutschte langsam herab. Der Boden unter ihren Füßen dröhnte, und die Mutantin blieb stehen und fasste nach dem Strahler an ihrem Gürtel. Weiterer Sand rutschte nach, und zwischen Bodenwelle und Vertiefung bildete sich ein dunkler Riss.
Opala warf sich zur Seite. Sie eilte in wenigen Sätzen die gegenüberliegende Welle hinauf und sank an ihrem Kamm zu Boden. Vorsichtig spähte sie hinab. Fast gleichzeitig verschwand irgendeine Abschirmung, und sie konnte die Hirnwellenmuster von zwanzig intelligenten Wesen erkennen. Es waren Ligriden. Sie stiegen aus einer Öffnung, die sich im Sand gebildet hatte. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet, und sie machten sich auf den Weg. Hinter ihnen schloss sich der geheime Eingang wieder und wurde von weiter nachrutschendem Sand zugedeckt.
Die Ligriden machten sich schweigend Zeichen und setzten sich in Richtung der Warnenden Senke in Bewegung. Sie achteten nicht auf die Fußspuren, die die Mutantin im weichen Sand hinterlassen hatte. Aber sie würden aufmerksam werden, sobald sie die Menge von Spuren rund um die Felsnadeln und die umgebenden Steinbrocken entdeckten.
Opala wartete, bis der letzte der Helme hinter der Bodenwelle verschwunden war. Sie erhob sich und folgte den Fremden auf parallelem Weg. Sie hielt ab und zu Ausschau, und als die Felsnadeln in ihrem Sichtfeld auftauchten, entsicherte sie ihre Waffe und schlich näher an die Ligriden heran, die sich lautlos fortbewegten. Die Mutantin musste noch leiser sein als sie. Aufgrund ihrer Begabung konnte sie die Gruppe sehr leicht lokalisieren und verfolgte ihre Taktik. Sie teilte sich auf. Immer zwei bezogen einen Posten, die übrigen schlichen weiter. Sie kreisten die Senke ein. Die Daila in ihrem Versteck schienen noch nichts bemerkt zu haben.
Opala handelte. Ihr Paralysator begann zu singen. Nach und nach schaltete sie die Zweiergruppen aus. Als die letzte in Position gegangen war und der Anführer das vereinbarte Signal gab, da geschah gar nichts. Keine Ligriden tauchten auf der gegenüberliegenden Seite der Senke auf, und das Signalgerät glitt dem plötzlich Gelähmten aus der Hand und zersprang auf dem kahlen Felsboden in mehrere Stücke. Auch der letzte Ligride wurde von der Mutantin ins Reich der Lähmung geschickt, dann steckte sie die Waffe ein und kehrte in das Versteck zurück, ohne sich um die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zu kümmern. Yukan empfing sie.
»Es tut mir leid«, erklärte er. »Ich habe das nicht so gemeint.«
Opala sah ihn aus großen Augen an.
»So!«, dehnte sie.
»Bitte, du musst mir glauben«, sagte er. »Und du hast wieder einmal fahrlässig gehandelt. Wenn die Ligriden dich entdeckt ...«
»Nicht mehr möglich, Yukan. Es war umgekehrt. Helft mir, sie einzusammeln.« Sie winkte und schritt davon. Die Daila folgten ihr fassungslos. Yukan kam als letzter. Als er die Gelähmten erblickte, verschlug es ihm die Sprache.
»Es war eine rein optische Beobachtung, die dazu führte, dass ich ihre Absicht erkannte und ihr Versteck kenne«, sagte die Mutantin. »Ich hoffe, du weißt, was ich damit sagen will.«
Yukans Augen wurden klein. Er fischte nach dem Funkgerät an ihrem Gürtel und zog es heraus. Hastig nahm er es an sich und schaltete es ein.
»Hier Yukan«, meldete er sich. »Ich rufe Bajukkan!«
Die Verbindung kam zustande, und der Daila gab die Erfolgsmeldung durch. Danach händigte er der Mutantin das Gerät wieder aus.
»Yukan heimst den Ruhm ein, nicht wahr?«, sagte Opala spitz. »Du bist es gewesen. Dir ist das alles zu verdanken!«
»Führe uns zu dem Versteck«, gab er zur Antwort. »Wir wollen sehen, was die Ligriden zurückgelassen haben!«
»Vergiss nicht den Schwur der Konzilsjäger, den wir geleistet haben«, erinnerte Opala ihn. »Es halten sich mindestens noch zwei Ligriden in dem Stützpunkt auf. Es ist deine Aufgabe, Yukan, sie gefangen zu nehmen und das Versteck zu erobern. Ich werde dir nicht helfen!«
*
Sie benötigten fast eine Stunde, bis sie den Eingang freigelegt hatten. Die Ligriden hatten sie unter zwei Mann Bewachung in der Warnenden Senke zurückgelassen. Die Fremden hatten genug Dinge mit sich geführt, mit denen ihnen die Hände und Füße zusammengebunden worden waren. Angesichts der drohenden Strahlwaffen zogen es die Diener des Gward und Gwyn vor, sich in Schweigen zu hüllen.
Eine flüchtige Untersuchung des Proviants der »Schoofils« hatte ergeben, dass es sich ausschließlich um für Ligriden geeignete Lebensmittel und kleinere Mengen Batterien für Funkgeräte sowie um Gebrauchsgüter des täglichen Lebens handelte.
Nach der Untersuchung war man aufgebrochen.
Jetzt richtete Yukan sich auf. Er hatte mit den Händen gearbeitet, und sie waren rot von der ständigen Reibung, die der Sand verursacht hatte.
»Zwei Mann bleiben draußen«, sagte der Daila. Er bestimmte die beiden mit den Augen und untersuchte den Mechanismus. Der Eingang war in Art einer Schleuse angelegt, wie Yukan sie von Raumschiffen kannte. Eine runde Platte verschloss den Durchgang nach außen. Eine kleine Leiste, die sich an ihr entlangbog, enthielt die Sensoren für den Öffnungsmechanismus. Yukan drückte die gelbe Stelle. Er hatte Glück. Es war der Öffner, und wenige Augenblicke darauf schob sich die Platte nach außen und schwang an noch nicht sichtbaren Gelenken zur Seite. Gleichzeitig fauchte ein heißer Energiestrahl durch die Öffnung.
Der Daila hechtete sich zur Seite. Er machte Dennar und Correg Platz, die ihre Waffen aktivierten und das Feuer erwiderten. Mehrere Minuten lang schossen sie Dauerfeuer in die Öffnung hinein. Sie hörten erregtes Geflüster, das von drinnen kam.
»Ergebt euch!«, rief Yukan und beugte sich vorsichtig über die Öffnung. Diesmal wurde nicht geschossen, und die Laute erweckten den Eindruck, als handle es sich um das Gejammer eines Verwundeten.
Es kam keine Antwort, und der Daila gab das Zeichen. Allen voran stürzte er in die Schleuse. Das Innenschott stand offen. Entweder hatte es sich mit der Außenplatte geöffnet, oder es war nicht geschlossen gewesen. Ein leichter Sandbelag am Boden zeugte davon, dass der Ausgang ab und zu benutzt wurde.
Die Schoofils!, durchzuckte es Yukan. Sie versorgen den Stützpunkt regelmäßig.
Damit war es jetzt vorbei.
Der Korridor hinter der Schleuse war leer. Die Ligriden waren nicht zu sehen. Das Flüstern war erstorben.
Yukan blinzelte. Das helle Licht in dem unterirdischen Versteck blendete ihn. Er war das ruhige Licht der rötlich-gelben Suuma gewohnt, nicht dieses grelle Weiß der Höcker, die in unregelmäßigen Abständen aus den senkrechten Wänden ragten.
Die Daila folgten ihm mit Ausnahme der beiden, die draußen Wache standen. Nach etwa dreißig Schritten gelangten sie an eine Tür. Sie war halb so breit wie der Korridor, so dass sich den Daila beim Öffnen genügend Möglichkeit zur Deckung bot. Dennar langte nach dem Griff und zog die Tür auf. Sie quietschte in den Angeln, ein deutliches Zeichen, dass hier die Wartungsmöglichkeiten der technischen Einrichtungen nicht ausreichend waren. Außerdem wies die altertümliche Konstruktion auf den Notbehelf hin, den die Station darstellte. Die Ligriden mussten sich hier im letzten Augenblick verkrochen haben, und wahrscheinlich hatten sie das Versteck aus Teilen errichtet, die sie aus einem Raumschiff entfernt hatten.
Hinter der Tür befand sich eine Halle. Yukan schätzte sie mit den Augen ab. Er sah es aufblitzen und zog reflexartig den Kopf zurück. Etwas schlug hinter ihm in die Decke ein und blieb dort stecken. Es war ein Projektilgeschoss.
»Gebt mir Deckungsfeuer!«, zischte er. Correg und Dennar gingen links und rechts neben der Tür in Stellung. Sie knieten nieder und aktivierten ihre Strahlwaffen. Correg schoss leicht nach oben, während Dennar den Lauf nach unten hielt. Zwischen den beiden Energiebahnen hindurch hechtete sich Yukan in die Halle hinein. Mit einem Blick erfasste der Daila die Lage. Die Halle war durch halbhohe Trennwände in mehrere Abteilungen unterteilt. Von den Ligriden war nichts zu sehen. Sie nutzten die Deckungsmöglichkeiten aus, die sich ihnen boten.
Yukan rollte sich zur Seite ab. Er kam vor einem Schrank zu liegen. Er hörte heftiges Atmen, konnte jedoch die Richtung nicht bestimmen, aus der es an seine Ohren drang. Irgendwo hinter seinem Rücken schlug ein Projektil in die Wand.
»Ergebt euch!«, schrie der Daila zum zweiten Mal. Gleichzeitig wechselte er von dem Schrank hinter eine Säule, die in zwei Metern Entfernung aufragte. Der Schrank wurde nicht unter Beschuss genommen, und das wunderte ihn.
»Wir denken nicht daran«, kam die Antwort. Der Ligride sprach das Aklardische nur gebrochen, und Yukan hörte an der Betonung des Wortes »nicht«, dass der Sprecher offensichtlich längere Zeit auf Uschriin stationiert gewesen war.
»Ich weiß, was ihr denkt!«, fuhr Yukan fort. »Aber eure Kameraden sind gefangen. Sie kehren nicht zurück!«
Ein Querschläger traf die Säule und jaulte davon. Irgendwo knirschte es, dann brach aus einer Versorgungsleitung eine braunschwarze Flüssigkeit und ergoss sich auf den Boden. Sie breitete sich rasch nach allen Seiten aus und umfloss die Trennwände oder sickerte unter ihnen hindurch.
Yukan richtete die Waffe nach links und beschoss die Leitung, die endgültig auseinanderbrach. Ein körperdicker Strahl schoss aus der Höhe herab, offensichtlich aus einem Tank, der über dem Versteck angebracht war. Es begann extrem süßlich zu riechen, und die Flüssigkeit hatte die Eigenschaft, dass sie Dämpfe bildete, die als Schwaden vom Boden aufstiegen und sich über die gesamte Halle ausbreiteten.
Wieder jaulte ein Projektil heran. Diesmal schoss Yukan in die Richtung zurück, aus der das Geschoss gekommen war. Es wurde ruhig in der Halle, aber das Singen eines Strahlers belehrte den Daila, dass irgendwo im Hintergrund etwas vor sich ging.
Er rollte sich vor den Schrank zurück.
»Kommt heraus«, versuchte er es nochmals. »Wenn ihr euer Leben retten wollt, müsst ihr es sofort tun. Wir werden das Versteck sprengen!«
Die Schranktür klatschte mit großer Wucht auf. Sie schlug Yukan gegen den Kopf, und er taumelte benommen zur Seite. Ein Ligride warf sich auf ihn. Der Angreifer war mit einem messerähnlichen Gegenstand bewaffnet. Sein erster Hieb ging fehl, der zweite aber musste sitzen. Yukan spürte, wie ihm die Sinne schwanden. Er konnte sich nicht mehr rechtzeitig zur Seite werfen, und unmittelbar neben seinen Beinen schlug ein Projektil in den Boden.
Der Ligride befand sich jetzt über ihm. Yukan sah aus verschleierten Augen, wie das Gesicht des Fremden zu einer Fratze des Schmerzes und des ungläubigen Staunens wurde. Es erstarrte und hielt die Angst und den Schmerz unwiderruflich fest. Der Ligride sackte zusammen und stürzte auf den Daila. Das Messer fuhr neben Yukans Kopf in den Belag und blieb dort stecken. Hände griffen nach ihm und zerrten ihn unter dem Fremden hervor. Er schüttelte benommen den Kopf. Auf seiner Stirn bildete sich eine breite Schwellung.
»Was ist ...«, brachte er hervor. Kurzfristig sah er das Gesicht Corregs über sich. Das Lodern von Flammen drang an seine Ohren.
»Das Zeug hat Feuer gefangen«, vernahm er Dennars Stimme. »Los, reiß dich zusammen. Wir müssen hier raus!«
Langsam wurde Yukans Blick wieder klar. Er spürte die Hitze, die ihn umfing. Augenblicklich riss er sich zusammen und ließ sich zum Ausgang ziehen. In den Räumen der Halle war es still geworden.
Der Daila spürte die Kühle des Korridors und ließ sich zu Boden sinken. Dankbar sah er seine Kameraden an.
»Ich hörte ein Atmen, dessen Herkunft ich nicht bestimmen konnte«, ächzte er. »Und ich wunderte mich, dass die Ligriden den Schrank nicht beschossen und ihn einfach zerfetzten.«
Einer der Ihren hatte sich darin versteckt gehalten, und er wäre Yukan beinahe zum Verhängnis geworden. Jetzt war der Ligride tot, und zwei Daila zerrten die Leiche aus den Flammen heraus. Dumpfes Gepolter klang auf, aus dem Qualm und dem Rauch schälten sich drei massige Gestalten. Sie kamen ohne Waffen und mit erhobenen Armen, und deutlich war ihnen die Erleichterung anzusehen.
»Ihr seid Kriegsgefangene«, empfing Yukan sie. »Dort liegt euer Artgenosse. Es war unnötig, dass er sterben musste.«
Sie fesselten die Fremden und machten, dass sie hinaus zwischen die Bodenwellen kamen. Sie entfernten sich rasch von dem Versteck. Zwei Minuten später explodierte es, und die metallenen Trümmer flogen bis zu zwanzig Meter in die Höhe.
Yukan war noch etwas weich in den Knien. Er deutete auf den Gleiter, der von Süden heranschwebte. Er ließ sich in den Sand sinken.
»Wer war es, der mir das Leben gerettet hat?«, wollte er wissen. Dennar meldete sich, und Yukan bedankte sich bei ihm.
Der Gleiter landete. Opala stieg aus, ein Daila in Pilotenuniform folgte ihr. Die Gefangenen wurden in die Maschine zu den anderen gebracht, die Opala bereits aufgelesen hatte.
Die Mutantin beugte sich über den Toten. Sie betrachtete ihn von allen Seiten, dann zog sie an seinem linken Arm und öffnete die verkrampfte Hand. Sie nahm etwas heraus und brachte es Yukan.
»Er hat es umklammert gehalten. Er muss darauf bedacht gewesen sein, dass niemand es entdeckte. Oder es ist eine Art Talisman.«
Yukan betrachtete den Gegenstand. Er war etwas größer als einer seiner Finger. Er war aus Horn. Er war grauschwarz und leicht gekrümmt, vorne spitz zulaufend und am anderen Ende splitterig abgebrochen.
Yukan legte den Kopf schief und dachte nach. Das Ding erinnerte ihn an die Kralle eines Vogels. Es musste von einem großen Jagdvogel stammen. Er suchte, aber er kannte keinen so großen Vogel, zu dem die Kralle gepasst hätte. Und es war nur ein Teil davon.
»Chkur azzay yumud«, fluchte er leise. »Der Schinder soll dich holen!«
Plötzlich sprang Yukan auf. Er streckte Opala das Ding entgegen.
»Gib den Funkruf nach Bajukkan durch!«, rief er aus. »Es ist dein Verdienst! Wir haben den Beweis gefunden!«
Die Daila umringten ihn augenblicklich, und in Opalas Augen glomm so etwas wie Verstehen auf.
»Es ist der Beweis. Sie sind noch da. Sie befinden sich irgendwo auf diesem Planeten oder sogar auf diesem Kontinent. Urlysh vermutet es seit langem. Nur mit ihrer Hilfe konnten sich die Ligriden so lange verstecken. Das Ding da muss ein Krallenstück von einem Hypton sein!«