Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 34
5.
ОглавлениеDas also war BASTION II.
Von seinem Platz, eingekeilt zwischen zwei Soldaten, sah Fartuloon die Raumstation. Die wahren Größenverhältnisse vermochte er nicht abzuschätzen, da alle anderen Bezugsgrößen fehlten. Erst als er ein startendes Raumschiff sah, erkannte er die Ausdehnung. Gigantisch!
Verschiedene Formen schienen ineinander hineingewachsen zu sein: Würfel, Kugeln und Zylinderabschnitte, röhrenförmige Verbindungen und kantige Stege, Halbkugeln und Türme, die wie Stacheln hervorragten. Das Schiff, in dem Fartuloon saß, hatte einen Flug von mehr als zwei Tagen Dauer hinter sich.
»Ein schönes Heim habt ihr da«, meinte Fartuloon leutselig. Er bekam keine Antwort. Das Schiff verzögerte, glitt auf eine Ansammlung blinkender Lichter zu und war plötzlich nicht mehr als eine Fliege an der Wand: riesige Luken öffneten sich, Kanzeln wurden sichtbar und mächtige Strahler hinter ausgefahrenen Blenden.
Fartuloon schwieg und beschränkte sich darauf, jede Einzelheit genau zu registrieren und sich zu merken. Kenntnisse und Wissen bedeuteten Macht und möglicherweise einen entscheidenden Vorteil.
Das Schiff dockte in einem großen, hellen Hangar an. Die beiden Soldaten eskortierten Fartuloon, der bisher nicht einmal durchsucht worden war, aus dem Technikbereich des Schiffshangars hinaus, in einen breiten Korridor hinein und dort etwa fünfhundert Schritte weit.
Gitter und Strahlenfelder tauchten auf. Roboter schwebten auf die Gruppe zu. Ein alter Ligride schaltete die Schirmfelder ab, hörte sich die leidenschaftslose Meldung an und entschied mürrisch:
»Alles konzentriert sich auf die verdammte Konferenz. Ihr wisst?«
»Alles klar.«
»Niemand wird sich jetzt mit eurem merkwürdigen Gefangenen beschäftigen. Ich sperr' ihn vorsichtshalber ein. Nicht in die schlechteste Zelle; er könnte vielleicht wichtig sein.«
»Ich segne dich, Meister der Zelle«, sagte Fartuloon unbewegten Gesichts. Der Alte kicherte, zupfte an seiner Kapuze und winkte Fartuloon. Er folgte schweigend, nickte den Soldaten zu und fühlte in seinem Rücken die Projektoren der schwebenden Roboter. Konferenz!! Er wunderte sich noch immer, dass er sein Skarg besaß – seinem Harnisch und dieser Waffe hatten die Ligriden nur mitleidige Blicke geschenkt.
Fartuloon wartete, bis vor ihm ein Metallschott auffuhr. Der Alte stieß wieder ein hohles Kichern aus und fragte:
»Überrascht, Kleiner?«
»Ich sehe nunmehr«, erklärte Fartuloon und bemühte sich, besonders rein und deutlich zu sprechen, »dass die Ligriden ein mächtiges Volk sind, und von einer Raumstation von solcher Schönheit habe ich noch niemals gehört.«
»Nicht wahr? Du staunst – dein Volk kann nicht so zivilisiert sein wie wir.«
»Das ist völlig undenkbar!«, versicherte Fartuloon und gehorchte dem Druck in seinem Rücken. Hinter ihm summte die Stahlplatte zu. Er war in seiner Zelle allein.
Schnell sah er sich um. Er kannte wahrlich kargere Behausungen. Eine Sanitärzelle hinter einer halbdurchsichtigen Tür, ausgestattet mit allem Notwendigen, ein Bildschirm, eine gepolsterte Pritsche, ein klappbarer Stuhl vor einer ebensolchen Platte, zwei Beleuchtungskörper. Federnder Belag bedeckte den Boden, die Wände bestanden aus Metall. Fartuloon konnte keine Abhör- und Beobachtungseinrichtungen erkennen, aber in diesem Punkt gab es keine Sicherheit.
Er klappte die Platte nach vorn und entdeckte dahinter die Tastatur mit Symbolen, ein Wählfeld mit sämtlichen Zahlen, eine ausreichend große Klappe, die jetzt verschlossen war.
»Hier also kommen Braten und edle Weine hervor«, sagte er und fragte sich, wie lange er Ruhe haben würde. Er dachte an all die Leitungen, die unsichtbar in den Wänden verliefen, zuckte die Schultern und begann sich auszuziehen.
Eine kurze Zeit später hatte er die Lichtstärke gedrosselt und lag unter einer Decke auf der Pritsche. Seine Arme hatte er hinter dem Kopf verschränkt und schien zu schlafen.
Mache das Beste aus deinen Möglichkeiten. Das ist das Grundrecht eines jeden Gefangenen, dachte er und schlief ein.
Von klickenden, summenden und fauchenden Geräuschen wurde er geweckt. Er schielte nach der Klappe an der Wand. Dort stand ein kantiges Tablett mit verschiedenfarbigen dünnwandigen Gefäßen darauf. Fartuloon drapierte die Decke um seinen braungebrannten, scheinbar jugendlichen Körper und setzte sich, nachdem er die Beleuchtung reguliert hatte, vor das Gefangenenessen.
»Typisch!«, knurrte er verdrossen. »In allen Galaxien derselbe miese Standard!«
Er kostete von dem warmen Getränk; ein Mittelding zwischen Tee und Suppe. Nicht einmal seine Gewürze würden helfen. Plastiklöffel und eine Gabel mit Schneidefläche lagen neben dem Hauptgericht: fahlgrünes Gemüse, offensichtlich eine Art zermahlener Fleischbraten, zwei Kleckse gelber und roter Soße, einige weiße Würfel und als Nachspeise etwas, das wie Pudding aus besonders unappetitlichen Algen aussah.
Er kostete von allem, und nichts schmeckte ihm auch nur annäherungsweise.
»Ich beschließe hiermit«, sagte er entschlossen zu einem eventuellen Beobachter, »mich um Verpflegung zu kümmern, die meiner würdig ist.«
Er öffnete die Klappe in der Wand, schob das Tablett – ohne Besteck – zurück, so dass der Deckel klemmte. Leuchtfelder blinkten. Er holte das Skarg, schob dessen Spitze in den feinen Einschnitt zwischen der Tastatur und stützte seinen Kopf, in die Betrachtung der Tasten versunken, schwer in die Hände.
Fartuloon wartete geduldig.
Die Fähigkeit, im notwendigen Fall geradezu endlose Geduld haben zu können, gehörte zu seinem Wesen. Er legte eine Hand auf die Schneide der Waffe und zielte mit dem Zeigefinger der Rechten auf die blinkenden oder stumpfen Tasten. Ganz unvermittelt fingen sämtliche Tasten in einem rasenden, wilden Rhythmus völlig regellos zu blinken an. Er hob den Deckel, schob das erkaltete Essen – jetzt roch es noch viel weniger gut! – in das Fach und tippte nach einem Modus, der ihm ebenso plötzlich gegenwärtig wurde, nacheinander verschiedene Symbole und Ziffernfolgen.
Seine Überlegung war: wenn es schon Zellen unterschiedlicher Qualität gab, würde eine vorwiegend robotisch arbeitende Kücheneinheit auch unterschiedliche Menüs herstellen können. Überdies schien es undenkbar zu sein, dass alle Ligriden in BASTION II dasselbe aßen wie die Gefangenen. Die geheimnisvollen Kräfte des Skarg halfen ihm dabei, eine andere Speisenfolge zu programmieren.
Er tippte eine letzte Kombination und wartete. Er war fast sicher, dass er etwas anderes oder Besseres in der nächsten Lieferung bekommen würde – aber was?
Ein leiser Summer ertönte, dann ein wohlklingender Gongschlag. Fartuloon runzelte die Stirn und zog die Brauen hoch.
Er sah, wie die Klappe hochging und ein Tablett in einer anderen Farbe herausglitt. Diesmal bestand die Ausrüstung aus dickeren Kunststoffgefäßen, und das Essen roch weitaus besser. Fartuloon merkte sich die Zahlen, die er eingegeben hatte, und auch die Reihenfolge.
Mit gutem Appetit aß er und entdeckte in einem verschlossenen Gefäß ein Getränk, das wie farbloser Wein aussah und genauso schmeckte.
»Was will ich mehr?«
Ein letzter Versuch. Er bestellte auf der Tastatur noch eine Portion dieses Getränks. Das heißt, er hoffte, dass er die richtigen Zahlen eingab. Natürlich gab es ein logisches System, nach dem die Wählautomatik funktionierte.
Summen, Gongschlag – die Klappe schob sich hoch, und Fartuloon entnahm dem Fach das becherartige Gefäß. Jetzt war er zufrieden, leerte auch den zweiten Becher und zog sich wieder auf seine Liege zurück.
Möglicherweise war diese Konferenz wichtig. Wenn die Ligriden, die über ein hervorragendes Nachrichtensystem innerhalb Manam-Turus verfügten, an einer Stelle zusammentrafen, ging es zweifellos um wichtige Vorhaben.
Und ganz bestimmt würde der Name Atlan fallen!
*
Die Kleidung, die beide Hyptons umhüllte, schob sich zusammen. Auf dem Körper lagen nur noch die ringförmigen Wülste, in denen die winzigen Kühlanlagen arbeiteten.
In der Dunkelheit falteten sich die Flughäute auseinander. Phynt und Thyss flatterten bedächtig zur Schleuse. Ein Lichtstrahl wurde unterbrochen, und die Schleusenpforten öffneten und schlossen sich.
Ein nebelartig kondensierender Hauch eisiger Luft schien die Fledermauswesen in den Korridor hinauszuschleudern.
Durch den abgedunkelten Korridor schwebten sie mit schnellen, nervösen Schlägen der dünnen Schwingen auf die Tür zu, die zum Sitzungssaal führte. Ein Ligride öffnete und schloss die verzierte Metallplatte.
Ein letzter Schwung brachte die Hyptons zu den Gestellen, über deren gepolsterter Platte sie sich festklammerten.
Die narkotischen, zwingenden Befehle schienen gewirkt zu haben – wie es anders auch schwerlich zu denken war bei Ligriden. Bisher hatten die Hyptons noch keinen Ligriden erlebt, der gegenüber ihrer Psychonarkose immun gewesen wäre.
»Können wir nunmehr zu den entscheidenden Punkten unserer freundschaftlichen Unterhaltung kommen?«, fragte Phynt mit heller, einschmeichelnder Stimme.
»Zu diesem Zweck haben wir uns getroffen«, bestätigte der Diener des Gward. Lorad wunderte sich darüber, dass er noch so ruhig reagierte. Die Hyptons verbreiteten um sich eine Atmosphäre, gleichermaßen unruhig und beschwichtigend – es schien, als würden alle kritischen Überlegungen bis zur Bedeutungslosigkeit abgeschwächt.
»Unsere Traube«, erklärte Thyss verbindlich, »ist nach Abwägung aller Argumente und Überlegungen zu einem Schlussgedanken vorgedrungen.«
Felur ballte seine Hände zu Fäusten und grollte:
»Würde es euch in eurer übergroßen Liebenswürdigkeit etwas ausmachen, uns an dem Vergnügen eurer abschließenden Gedanken teilhaben zu lassen?«
Reiner Sarkasmus sprach aus ihm. Seine Assistenten schauten ihn betroffen an. Ein bewundernder Blick Lorads traf ihn, aber er kümmerte sich nicht darum.
»Auch die Stimme der Vernunft«, beschied ihm Phynt, »kann leise sein.«
»Aber sie sollte mit Klarheit gebraucht werden«, gab er ungerührt zurück. »Was nun? Neue Truppen oder Überstunden für die alten?«
Er ahnte, dass die Ligriden nicht immer denselben Hyptons gegenübersaßen. Erstens konnte er den einen nicht vom anderen unterscheiden, und selbst wenn es bestimmte körperliche Unterscheidungsmerkmale gab, kümmerten sie ihn nicht.
Er wollte endlich wissen, was zu tun war.
»Bald sollte eine Entscheidung im Eroberungskampf gefällt werden. Diese Galaxis ist reif, endgültig vom Neuen Konzil beherrscht zu werden. Widerstände sind dazu da, um überwunden zu werden.«
»Gern«, meldete sich Lorad. Diesmal war es Felur, der ihn bewunderte, obwohl er völlig anderer Meinung war. »Wir sind in erstaunlich kurzer Zeit die Herren über Manam-Turu. Wenn die Hyptons Seite an Seite mit uns kämpfen, wenn sie uns jene Überwesen zur Hilfe schicken, an die sie ständig denken, von denen aber niemals die Rede ist – dann sind und bleiben wir die Sieger.«
Die ligridischen Konferenzteilnehmer hielten den Atem an. Sie erschraken: tief in ihrem Innern sagten sie sich, dass es unwürdig und mit dem Ehrenkodex unvereinbar war, die Partner im Konzil derart massiv zu beleidigen.
Aber beide Hyptons blieben völlig ungerührt. Sie entfärbten sich nicht ein bisschen, und ihre Schwingen zitterten auch nicht.
»Es ist absolut möglich«, flötete Phynt versöhnlich, »mit uns zusammen zu kämpfen, ohne unsere Gedanken zu kennen. Wie ihr aus langer Partnerschaft wisst, kämpfen wir mit ganz anderen Waffen.«
»Keine Abschweifungen«, sagte Felur hart. »Tatsachen! Wünsche! Vorschläge!«
»Mit den vorhandenen Kräften muss sorgsam umgegangen werden«, kam es von den kleinen Partnern.
»Also keine Kuriere in unsere Heimatgalaxis?«, fragte Felur.
»Nein. Auch keine Boten nach Chmacy-Pzan.«
»Aber unsere Kräfte können nicht das Doppelte leisten.«
»Die Zielrichtung muss geändert werden.«
»Wir konzentrieren uns also auf den Erleuchteten und EVOLO und wenden uns erst dann wieder anderen Problemen zu?«
»Wobei von Fall zu Fall entschieden werden muss. Wir sind ein wenig ungeduldig geworden«, meinte Thyss konziliant, »und wir bedauern, wenn wir die Tapferkeit der Ligriden in Zweifel gezogen haben sollten.«
Ununterbrochen bewegten sich, wie stets während aller Diskussionen in diesem Saal, die filigranen Trichter an den Schädelseiten der Hyptons. Sie schienen die Gedanken der Ligriden auffangen zu wollen.
»Schon gut. Noch ein paar Fragen.«
»Wir sind da, um sie zu beantworten. So gut wir es können.«
»Unsere Pioniere, Entdecker und Kriegsraumer kümmern sich im wesentlichen dort um Kontrolle und neue Stützpunkte, wo EVOLO, der Erleuchtete oder die Daila besonders hartnäckig sind und sich nicht vertreiben lassen?«
»Zutreffend.«
»Wir erhalten keine Hilfe, weder aus der Heimat noch von einem anderen Konzilsvolk? Wäre es nicht besser, eine Macht einzuführen, die das Verfahren abkürzen hilft?«
»Es gibt leider keine solche Rasse«, gaben beide Hyptons gleichzeitig zurück. »Wir wissen nicht, wie bei euch dieser Eindruck entstanden ist. Friedfertige Wesen wie wir, die keine Hände zum Kämpfen haben, können euch nur mit Planungsdetails helfen.«
Zumindest ein Ligride in diesem Saal glaubte seinen Partnern nicht. Lorad hatte zu viele Einzelheiten – jede für sich fast bedeutungslos, aber in der Summe beachtlich! – herauszuhören geglaubt.
Schließlich meinte Phynt:
»Unsere Weisheit kommt aus unserer überaus langen Erfahrung.«
»Unsere Erfahrung rührt aus den vielen Fehlern her, die wir gemacht haben.«
»Und deshalb vermeiden wir Fehler. Wir riskieren es nicht, etwas oder jemanden zu unterschätzen.«
»Geht in Ordnung!«, sagte Felur. Für ihn war die Konferenz beendet. Er wusste, was er zu tun hatte. Er brauchte keine Hilfe. Seine Leute würden es schaffen! Es ging nur noch darum, die Kräfte sinnvoll zu verteilen und einzusetzen.
Er stand auf und sagte:
»Ich werde sofort die nötigen Schritte berechnen. Meine Assistenten bleiben hier und diskutieren die Einzelheiten. Ich darf gehen. Dringende Dinge erwarten mich.«
Er führte die vorgeschriebenen Gesten aus und zog sich zur nächsten Tür zurück. Im Hinausgehen hörte er, wie Lorad bewundernd sagte:
»So sind sie, die kämpferischen Diener des Gwyn! Immer entschlossen und kraftvoll.«
*
Das Skarg besaß Eigenschaften, die Fartuloon schon so oft das Leben gerettet und zielgerichtetes Handeln erlaubt hatten, dass er nicht mehr sagen konnte, wie oft. Der energetische Schutzschirm, der den Schließmechanismus der Zellentür schützte, war kein Hindernis für das Schwert. Aber soweit war es noch nicht; Fartuloon arbeitete daran, sich einen besseren Überblick zu verschaffen.
Der Bildschirm in seinem Gefängnis ließ sich nur ein- und abschalten. Es gab nur eine einzige Kontaktplatte. Fartuloon sagte sich, dass im Büro des Aufsehers logischerweise die Bildschirme geschaltet werden konnten; für Durchsagen, Befehle und vermutlich auch für Beobachtungen.
Er registrierte, wie das leere Kunststoffgeschirr mitsamt dem Tablett aus dem Fach verschwand. Dann schaltete er den Bildschirm ein und vertraute auf die Waffe, auf deren geheimnisvolles Eigenleben. Ein Schwert, das Dimensionstunnel stabilisieren konnte, vermochte auch, eine einfache Schaltung zu manipulieren.
Der Bildschirm erhellte sich und zeigte eine Ligridin, die vor den Linsen saß und einen Text vom Blatt ablas. Fartuloon legte seine Fingerkuppe auf das Lautstärkefeld und wartete, bis er verstand, was da vorgelesen wurde. Es handelte sich um eine belehrende Sendung, die im Fortlauf schilderte, dass der Siegeszug der Ligriden durch die Galaxis Manam-Turu nicht aufzuhalten war.
»Wenn das der Erleuchtete hört ...«, brummte er und konzentrierte sich auf sein Vorhaben. Das Skarg war nicht immer wirksam; sein Colemayn-Körper hatte dies im letzten Stadium des Verfalls leidvoll erfahren müssen. Fartuloon verlangte vom Skarg nichts anderes, als dass die Schaltungen irgendwo im Zentralraum willkürlich zu beeinflussen waren.
Das Skarg berührte mit der Spitze das Schaltfeld. Kräfte, die auch Fartuloon nicht kannte, bemächtigten sich der Leitungen. Fartuloon versenkte sich in die Forderungen dieses Versuchs, und als er einige Zeit wieder zu sich kam, war er schweißüberströmt. Er schob das Schwert wieder unter seine Kleidung, kühlte Gesicht und Arme mit kaltem Wasser und versuchte sich dann an der Schaltung.
»Ich hab's nicht geglaubt!«, bekannte er kopfschüttelnd. Aber als er mit der Einschalttaste rhythmisch zu tippen begann, wechselten die Blicke in andere Zellen ab. In rascher Folge sah er leere oder dunkle Zellen, dann entdeckte er einen Naldrynnen, einige Daila, einen älteren Zyrpher, wieder leere Kabinen, dann begann derselbe Durchlauf wieder. An diesem System waren etwa fünfzig Zellen des Gefängnisses angeschlossen.
Was er anschließend riskierte, konnte zweischneidige Folgen haben. Aber er durfte, bei aller Zuversicht, keine Zeit vertrödeln. Er bemühte sich, das Schwert durch seinen massigen Körper zu verdecken, als er es zwang, das Türschloss zu öffnen.
Er schob die schwere Platte auf und tat so, als wäre er zutiefst überrascht. Schnell versteckte er die Waffe und ging, als habe er vor jedem weiteren Schritt Angst, durch den schmalen Metallkorridor.
An jedem Ende stand ein Roboter, der sich weder rührte noch irgendwelche Reaktionen zeigte. Fartuloon ging weiter. Pfeile an den Wänden deuteten in die entsprechende Richtung. Natürlich wunderte sich Fartuloon über die sonderbare Gleichgültigkeit, aber es war denkbar, dass die Wichtigkeit der Konferenz auf BASTION II die ligridische Besatzung ablenkte.
Er ging an der Maschine vorbei, unter Energieprojektoren hindurch und blieb schließlich vor einem massiven Gitter aus Stahlstäben stehen. Dahinter lag eine Art Büro. In einem schräg nach hinten gekippten Sessel lag ein älterer Ligride, dessen Kapuze verrutscht war. Der Mann hatte die Augen geschlossen und schlief.
Einige Sekunden lang betrachtete Fartuloon die unzähligen Schalter und Leuchtflächen auf den Pulten und die Reihen der Farbmonitore darüber. Dann wandte er sich halb ab und rief:
»He, Freund Aufpasser! Diener des Gward! Du wirst Ärger bekommen!«
Die tiefen Atemzüge rissen ab, der Sessel knarrte protestierend, dann hörte Fartuloon einen unterdrückten Fluch. Inzwischen hatte er im Kreuzungspunkt zweier Stahlschienen ein winziges, schwarzes Gerät angeklebt.
Vermutlich trug ihm sein rücksichtsvolles Verhalten einen weiteren Pluspunkt ein. Der Ligride zog seine Kapuze über den kahlen Kopf, und als sich der Gefangene herumdrehte, blickte er in die dunkelbraunen Augen. Die Nickhaut, die sich von unten im Auge hochgeschoben hatte, verlieh dem Blick des Ligriden etwas Träumerisches.
»Wo kommst du her?«, fragte der Wächter. »Ich wette, dich hat Lardom zu mir geschickt?«
»Ich wette, das hat er nicht«, antwortete Fartuloon und bemühte sich, ratlos dreinzublicken. »Ich habe herumprobiert, und die Tür meiner luxuriösen Gastwohnung war offen. Und so bin ich einfach hierher spaziert. Obwohl ich ein Freund der Ligriden bin, hat man mich eingesperrt. Wetten, dass ich bald wieder frei bin?«
»Dein Name?«
»Fartuloon. Ich bin erst seit einem Tag hier.«
»Wetten, dass wir länger mit dir zu tun haben?«
»Schon möglich. Ich wette mit dir«, meinte der Gefangene und sah, wie der Wärter auf einem Schirm Daten über ihn abrief, die ausgesprochen dürftig waren, »dass Kommandant Saarnoy dir nur das Beste über mich sagen kann.«
»Ich wette dagegen!«, sagte der Wächter. »Was willst du?«
»Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass mein Türschloss defekt ist. Wenn sich das herumspricht, bekommst du tatsächlich Ärger mit deinem Kriegsherren.«
Der Wächter überlegte schweigend. Dann zogen sich vor seinen Augen die dünnen Häutchen zurück, sein Blick wurde klar. Verwundert murmelte er:
»Ein Gefangener, der sich über offene Türen beklagt, mit mir wettet, ein Freund der Ligriden ist – habe ich noch nie gehört. Ich schicke einen Reparaturtrupp für dein Schloss.«
»Wetten wir, dass du es nicht schaffst, das Ding zu reparieren?«
»Ich sage dir, das ist eine Kleinigkeit.«
»Wenn ich diese Wette gewinne«, sagte Fartuloon, »besorgst du mir eine Audienz bei deinem Chef?«
»Gut. Einverstanden. Was wettest du dagegen?«
»Eine Münze, zweitausend Jahre alt, mit unentzifferbaren Zeichen darauf.«
»Herzeigen.«
»In meiner Luxuskabine.«
»Einverstanden. Was kannst du sonst?«
»Ich bin Arzt. Aber dass ich alle eure Gefangenen heilen könnte, wage ich nicht zu versprechen.«
»Schon gut. Welche Zelle hast du?«
»Ich kenne eure Nummerierung nicht.«
»Ich kümmere mich darum. Zurück dorthin, sonst bekommst du Schwierigkeiten.«
»Ich eile.«
Fartuloon führte die Geste der Verabschiedung aus, die er auf Pjol-Kimorz gelernt hatte, dann ging er ohne Eile zurück in seine Zelle. Aus dem Saum seiner Jacke holte er die Münze heraus, dazu ein anderes winziges Gerät, das er sich ins Ohr steckte. Er setzte sich auf die Pritsche, lehnte den Rücken gegen die Wand und blickte auf den Bildschirm. Wie zu erwarten, sah und hörte er ein reichlich langweiliges Programm. Das Aufregendste waren die Ansichten verschiedener Planeten, auf denen die Ligridenstützpunkte geschildert und gezeigt wurden.
Wieder wartete Fartuloon. Aber sein schläfriges Aussehen war nur vorgetäuscht. Er hörte mit, was der Wächter zu sagen hatte und was die Lautsprecher wiedergaben.
Der Wächter, Purcarrh hieß er, sprach mit einem Reparaturkommando, schickte Männer und Robots zur Zelle 35, schilderte seinem Vorgesetzten den seltsamen Wunsch des Gefangenen.
»Wenn er so harmlos ist«, meinte schließlich lachend der Chef, »dann kannst du ihn als Arzt beschäftigen. Oder als Raumputzer, Mechaniker, was du willst.«
Fartuloon hütete sich, den Kopf zu schütteln. Er verstand die Sorglosigkeit dieser Ligriden nicht. Andererseits war es den Gefangenen nicht möglich, die Zellen zu verlassen. Vermutlich war auch der gesamte Gefängniskomplex noch einmal abgesichert. Seltsam war es trotzdem. Im Lauf der nächsten zwei Stunden beobachtete er scheinbar wenig interessiert die Reparaturarbeiten und hörte alle Meldungen, die auch im Überwachungsraum von Purcarrh ankamen. Er erfuhr, dass Lorad und Felur als Hauptbeauftragte der Ligriden ihre Konferenz mit den Hyptons beendet hatten, und dass die Hypton-Traube in einem ligridischen Kriegsschiff wieder weggebracht worden war.
Spätestens jetzt wusste er, dass er sich zeitlich wie räumlich an einem Brennpunkt befand.
Atlans Name wurde während der gesamten Zeit nicht erwähnt, aber das hatte Fartuloon auch nicht erwartet.
»Nur Ruhe!«, redete er sich gut zu. »Der richtige Augenblick kommt schon noch!«
Je länger er hier ausharrte, desto mehr Informationen erhielt er. Das war eine zwangsläufige Folge seiner seltsamen Gefangenschaft. Auf keinen Fall durfte er sich zu weit vorwagen. Lorad und Felur, diese Namen sagten ihm nichts. Aber sie waren wichtig.
Fartuloon »bestellte« sich ein ausreichendes Essen, dunkelte die Kabinen-Zellenbeleuchtung ab und verfolgte die langweiligen Sendungen bei fast abgestelltem Ton. Was er über seinen winzigen Ohrempfänger hörte, blieb unverändert interessant. Noch lange, bis in den tiefen Schlaf hinein, hörte er verschiedene Stimmen, die alle über Einzelheiten der Konferenz sprachen. Zusammensetzen konnte er diese Mosaiksteinchen nicht. Noch nicht. Am nächsten Tag zerstörte er mit dem Skarg wieder den Öffnungsmechanismus und benachrichtigte auf seine unschuldig-naive Art den Wachhabenden, der seinerseits Purcarrh holte.