Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 42

2.

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»Im Augenblick sind keinerlei Aktivitäten festzustellen!«

Urlysh ließ seine Augen schweifen. Er fuhr sich über das wattedichte Haar. Es war grau geworden in all den Monaten, in denen er aus dem Untergrund gegen die Ligriden gekämpft hatte. An mehreren Stellen durchzogen weiße Strähnen den ausladenden Schopf. Das Große Feuer mochte wissen, wie lange er schon keinen Haardrapisten mehr gesehen hatte.

»Es ist die Ruhe vor dem Sturm«, hob Dratelon seine Stimme. »Wann trifft Aksuum endlich ein?«

»Er befindet sich bereits in Bajukkan«, erwiderte Urlysh. »Aber es ist verständlich, dass er nach der Rückkehr erst einmal seine Familie aufsucht. Sie ist heilfroh, dass er überhaupt noch am Leben ist.«

»Aksuum ist ein Held«, fügte Harmon hinzu. »Er hat etwas gewagt, wozu niemand sonst den Mut gehabt hätte. Er hat es geschafft!«

Urlysh schwieg. Seine Hände verschwanden in den weiten Ärmeln seines Ratsgewands und nestelten dort an den Bändern und Knöpfen. Er hatte ein Funkgespräch mit Aksuum geführt und wusste in groben Zügen Bescheid, was der Daila draußen im Raum erlebt hatte. Es war ein Wunder, dass er zurückgekehrt war.

Aksuum hatte Andeutungen gemacht. Urlysh hatte nicht genau verstanden, was der Oberste Rat meinte. Nur soviel hatte er begriffen. Es hatte mit den Mutanten zu tun.

Der Daila wandte den Kopf zur Seite und blickte hinüber zur Bildwand. Sie zeigte die Umgebung des Planeten. Sie war leergefegt. Weit draußen, jenseits der vier Planetenbahnen, waren ein paar winzige Echos festzustellen. Dort hatten ein paar Dutzend Schiffe der Ligriden Stellung bezogen.

Urlysh wusste, dass der Kampf noch nicht zu Ende war. Sie hatten einen ersten großen Erfolg errungen, als es ihnen gelungen war, die fremden Invasoren von Aklard zu vertreiben. Auch ein paar Stationen auf den drei anderen Planeten Illard, Ris und Rim waren zerstört worden, ihre Besatzungen hatten die Flucht ergriffen. Zumindest sichtbar hielt sich auf keiner der Welten noch ein Ligride auf.

Aber dennoch waren sie da. Aklard war das beste Beispiel dafür. Fünf unterirdische Verstecke hatten die Konzilsjäger bisher entdeckt, und die neuesten Meldungen aus dem Norden Akjunths verhießen nichts Gutes. Draußen, außerhalb des Systems, lauerten die restlichen Verbände und warteten auf neue Anweisungen oder Verstärkung.

Urlysh sah auch die Echos der aklardischen Schiffe. Sie patrouillierten zwischen den Planeten und bildeten eine Art Netz, das sich in ständiger Bewegung befand. Es machte den Eindruck, als lebte dieses Netz. Die Schiffskommandanten verfuhren nach einem streng geheimen Plan, der zum Ziel hatte, die Ligriden zu verwirren und gleichzeitig ständige Wachsamkeit zu demonstrieren. Der Oberste Rat hatte die Anweisung ausgegeben, dass kein ligridisches Schiff in das System einfliegen durfte. Wenn sich eines zu nahe heranwagte, dann wurde es ohne Vorwarnung unter Beschuss genommen.

Der Daila wünschte, dass sein Ratskollege Aksuum bald eintreffen würde. Mit Sicherheit konnte er ein paar Fragen der Zurückgebliebenen beantworten.

Urlysh drehte seinen Körper und starrte zu dem Fenster hinaus, das nach Westen wies und zwischen den Türmen und Fassaden einen Blick auf die Küste ermöglichte. Bajukkan lag an der Westküste des Kontinents, und das Wasser draußen leuchtete hellblau und ohne einen Rotstich durch das Sonnenlicht. Die rotgelbe Suuma stand noch im Osten und schickte sich an, das Firmament für den täglichen Lauf zu erklimmen.

Suuma, das Kleine Feuer, dessen Tage in Rhyikeinym gefeiert wurden.

Rhyikeinym, damit hatte eigentlich alles angefangen. Aksuum war unter dem Vorwand einer Krankheit nach Rhyikeinym geflogen. In der Oase, die sich Tal der Heilenden Quellen nannte, war er mit Elyl zusammengetroffen. Elyl war als Gesandter von Trysh nach Aklard gekommen, und er hatte sich mit Geschick durch die Reihen der Ligriden geschlichen. Es war ihm gelungen, bis in das Tal vorzustoßen. Und dort hatte er nicht nur Aksuum entdeckt, den einzigen unter den Verantwortlichen, der zu diesem Zeitpunkt nicht aus dem Untergrund heraus wirkte. Elyl hatte auch das Geheimnis Rhyikeinyms kennen gelernt, das bis zu diesem Zeitpunkt keinem Daila bekannt gewesen war außer den Priestern selbst. Und auch jetzt gab es keine Eingeweihten unter den normalen Daila. Aksuum hatte nur Urlysh allein ins Vertrauen gezogen. Er wusste, was es mit den heilenden Kräften der Priester in diesem Tal und in anderen Oasen des kalten Kontinents Uschriin auf sich hatte.

Und die Mutanten wussten es. Unter ihnen gab es welche, die konnten das Geheimnis der Priester bereits auf weite Entfernung hin erkennen. Aber sie schwiegen, denn sie hatten keinen Grund, ihren Artgenossen in den Rücken zu fallen.

Eine Meldung aus dem interstellaren Raum ging ein. Sie kam vom Planeten Barys, der sich rund zwanzig Lichtjahre von Aklard entfernt um die große weiße Sonne Clerk drehte. Auf Barys waren ebenfalls mehrere Verstecke der Ligriden ausgehoben worden. Ähnliche Meldungen waren vor Tagen von anderen Welten innerhalb der Hundert-Lichtjahre-Kugel eingetroffen, die als Einflussbereich der Daila galt. Innerhalb dieses Gebiets gab es noch viele unerforschte Systeme und Planeten, aber die Daila bemühten sich, sie nach und nach zu erschließen und Handelsbeziehungen zu vorhandenen Kulturen aufzubauen. Dass die meisten Völker von der fortgeschrittenen und friedlichen Kultur dieses Volkes profitierten, verstand sich von selbst.

Die Mutanten hatten sich in erster Linie außerhalb dieser Sphäre angesiedelt. Sie hatten keine Motive, sich weiter als nötig von der ersehnten Heimatwelt zu entfernen, aber sie respektierten den Anspruch der nicht psionisch begabten Daila auf einen eigenen Lebensraum. Viele Mutanten lebten dennoch innerhalb der Hundert-Lichtjahre-Kugel und hatten sich auf den noch unerforschten Planeten niedergelassen, um Aklard so nahe wie möglich zu sein.

Es war beschämend, das wusste Urlysh. Er selbst hatte sich früher nie mit dem Problem der Verbannten auseinandergesetzt. Er hatte sich nie gefragt, warum die meisten ohne Murren gegangen waren, nachdem sie das Erwachsenenalter erreicht hatten. Erst jetzt, angesichts der Hilfe dieser Daila, waren ihm die Augen aufgegangen. Aus dem zornigen Rebellen gegen die Ligriden war ein verständiger Freund und Berater der Mutanten geworden. Aksuum hatte das Seinige dazu beigetragen, und Urlysh fragte sich, ob es wirklich nötig gewesen war, was in der Vergangenheit in regelmäßigen Abständen geschehen war. Hatte wirklich zuerst ein mächtiger, nicht besiegbar erscheinender Gegner auftauchen müssen, um die Bewohner Aklards auf den Gedanken zu bringen, dass sie draußen Freunde hatten, die viele Planeten bewohnten und deren Zahl das Vielfache der Einwohnerzahl Aklards betrug?

Vielleicht traf es tatsächlich zu. Vielleicht hatte es so kommen müssen, und Mana hatte alles so gelenkt, um den Daila einen schicksalhaften Wink zu geben.

Aus den Augenwinkeln heraus erkannte Urlysh ein Luftfahrzeug, das zwischen den Gebäuden hervorglitt und das Dach des Ratsgebäudes ansteuerte. Minuten später betrat Aksuum den Saal und lächelte seinen Amtskollegen verschmitzt zu. Sie gaben das Lächeln zurück.

»Muuska ist wieder da!«, rief Harmon heiter. Eine Gruppe von zwölf Räten lachte. Die anderen schwiegen gespannt.

»Muuska, ja«, griff Urlysh den Faden auf. Er trat Aksuum entgegen und legte ihm zur Begrüßung die Hände auf die Schultern. Mit Daumen und Zeigefinger drückte er leicht gegen die Schlüsselbeine, ein Zeichen der Hochachtung und Freundschaft. »Die Ligriden sind mit Dummheit gestraft. Bis zuletzt haben sie nicht begriffen, wer dieser Muuska eigentlich ist. Sie dachten an einen Wilden aus den Bergen.« Er lachte laut. »Auch jetzt wissen sie es noch nicht. Und sie werden es wohl nie erfahren.«

»Wie es aussieht, haben sie alles andere zu tun«, bestätigte Aksuum. »Die Verbände fremder Schiffe haben sich zwar überall zurückgezogen, soweit das beobachtet werden konnte. Der Grund liegt darin, dass weit entfernt irgendwo in Manam-Turu etwas vergangen ist, das die so plötzlich aufgetauchten Gegner des Neuen Konzils steuerte und ihnen den Auftrag gab, gegen die Ligridenschiffe zu kämpfen. Fragt mich nicht, woher ich es weiß. Es steht mit einem Erlebnis in Zusammenhang, von dem ich später noch reden möchte. Wir dürfen nicht mehr auf Unterstützung jener fremden Schiffe rechnen.«

Urlysh senkte zustimmend den Kopf. Noch war es ihm in guter Erinnerung, wie die Traykon-Schiffe plötzlich auf Aklard gelandet waren. Sie hatten regelrechte Treibjagden auf die Ligriden veranstaltet und waren erst verschwunden, nachdem sich kein Ligride mehr auf der Oberfläche des Planeten aufgehalten hatte.

»Wir müssen uns selbst helfen. Deshalb haben wir auch die Institution der Konzilsjäger ins Leben gerufen«, sagte Dratelon. »Sie bestehen aus gemischten Gruppen, Normale und Mutanten zusammen. Überall suchen sie nach Verstecken von Ligriden. Sie haben bereits fünfmal Erfolg gehabt, das sechste Versteck wird soeben ausgehoben!«

»Die Konzilsjäger sind eine kleine Gruppe«, bestätigte Aksuum. »Ich bin bereits im Bilde. Können sie auch gegen jene Ligridenschiffe bestehen, die sich draußen außerhalb unseres Sonnensystems formieren? Wenn wir uns selbst helfen müssen und nicht auf ein Wunder hoffen können, werden unsere Kräfte dann ausreichen? Sind die Mutanten stark genug?«

Er hatte bei seinen Worten etwas unter dem Umhang hervorgezogen und hielt es ihnen entgegen. Urlysh betrachtete es.

»Selbst vereint sind sie nicht stark genug«, antwortete er. »Und der Stein da, was willst du mit ihm aussagen, Aksuum? Was bewirkt er?«

»Es ist für unser Volk vielleicht der Stein der Weisen!«, erwiderte Aksuum mit schwerer Stimme. »Es ist der Schlüssel zur endgültigen Befreiung unseres Volkes!«

Ausführlich berichtete er nun von seinem Flug und den Ereignissen auf dem Planeten Tirspun. Er war hinter Toldens Geheimnis gekommen und hatte den Glücksstein an sich genommen, als Tolden ihn weggeworfen hatte. Er hatte plötzlich Kräfte in sich entdeckt, die ihn erschreckten. Er hatte Stimmen gehört, Gegenstände hatten sich ohne erkennbaren Grund bewegt. Er hatte erkannt, dass die Steine ihm jene Fähigkeiten vermittelten, deretwegen man die Mutanten von Aklard verbannt hatte.

Und jetzt besaß er selbst solche Fähigkeiten, verliehen von einem Stein.

Aksuum hatte in abgeschwächter Form jenen Schock miterlebt, der die Besatzung des gegnerischen Schiffes in jenem Augenblick gelähmt hatte, als deren Auftraggeber plötzlich nicht mehr existiert hatte.

Auch Aksuum hatte den Stein von sich geworfen, aber im Unterschied zu Tolden hatte er ihn wieder an sich genommen. Er hatte ihn mit nach Aklard gebracht.

»Das will ich damit sagen«, erklärte der Oberste Rat. »Ich kenne die Abneigung so manches Daila gegen die Mutantenfähigkeiten. Für ihn muss es wie ein Weltuntergang sein, wenn die Mutanten ihre Fähigkeiten mit Hilfe der Glückssteine noch steigern können. Aber es hilft uns, die Ligriden endgültig zu vertreiben. Sie haben in der Hundert-Lichtjahre-Raumkugel nichts zu suchen und sollen dorthin gehen, wo sie herkommen. Für die Hyptons und die Naldrynnen gilt dasselbe.«

Geraune entstand unter den anwesenden Obersten Räten. Sie tuschelten miteinander, bis Harmon schließlich sagte:

»Wir sollten das Volk nicht informieren. Es wird sich früh genug herumsprechen.«

»Ihr seid also dafür?« Aksuum atmete auf. Er hatte nicht damit gerechnet, so rasch auf Zustimmung zu stoßen.

»Wir haben keine andere Wahl«, bestätigte Urlysh. »Die Konzilsjäger sind um jede Unterstützung froh. Je schneller wir die Ligriden in die Flucht schlagen, desto besser ist es für uns. Sie müssen ebenfalls wissen, dass ihr unheimlicher Gegner keine Zeit für sie hat.«

»Ihr Zögern weist eher darauf hin, dass sie es nicht wissen«, sagte Aksuum. »Aber wir brauchen schnell Glückssteine. So viele wie möglich!«

»Woher nehmen und nicht stehlen?«, erkundigte sich Harmon.

»Wir müssen einen Hyperfunkspruch aussenden. Jeder, der einen Glücksstein besitzt, soll ihn auf dem schnellsten Weg nach Aklard bringen. Es müssen Korridore geschaffen werden, die den Ankömmlingen einen sicheren Anflug ermöglichen. Versprecht den Daila, was ihr wollt. Aber schafft die Steine herbei. Wagen die Ligriden erst einmal einen neuen Vorstoß gegen unseren Planeten, dann ist es zu spät. Wir wollen den Krieg von Aklard fernhalten. Mit allen Mitteln. Selbst wenn es Glückssteine sind, die den meisten Angst und Furcht einjagen, die damit in Kontakt kommen.«

Aksuum schwieg. Die Augen seiner Amtskollegen ruhten teils skeptisch, teils zustimmend auf ihm. Aksuum überragte die meisten um fast einen Kopf, und schon aufgrund seiner Größe bildete er eine nicht zu übersehende Autorität. Und seit er sich wieder bewegen konnte, ohne dass seine Bewegungen von den Ligriden überwacht wurden, ging Aksuum auch wieder aufrecht wie in alten Zeiten.

»Dein Wort sei ein Teil Manas«, sagte Urlysh nach einer kurzen Pause. »Wir werden deinem Rat folgen. Und wir hoffen, dass unser Volk endlich seinen Frieden findet!«

Aksuum senkte die Augenlider zum Zeichen der Zustimmung. Die Glückssteine besaßen noch einen zweiten Vorteil, aber darüber sprach er nicht. Je mehr unbegabte Daila mit ihnen in Berührung kommen würden, desto größer würden Verständnis und Einblick werden. Die Glückssteine konnten zu Vermittlern zwischen den Bewohnern Aklards und den Mutanten werden. Und das, fand der Oberste Rat, war fast noch wichtiger als der Erfolg gegen die Ligriden.

*

Die GHYLTIROON stand auf der Bahn des von einem Eispanzer umhüllten Ris auf der dem derzeitigen Aufenthaltsort des Planeten gegenüberliegenden Seite des Sonnensystems. Sie war kein Kriegsschiff und deshalb nur leicht bewaffnet. Sie hatte ursprünglich dazu dienen sollen, zu weit entfernten Planeten zu fliegen und neue Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Die Ankunft der Ligriden hatte das verhindert, und einige Zeit später hatte sie dazu gedient, Atlan von Aklard wegzubringen. Nach den Ereignissen auf dem einzigen Planeten der Sonne Gyd war das Schiff mit seiner Stammbesatzung nach Aklard zurückgekehrt und von den Ligriden mit einem Startverbot belegt worden. Von diesem Zeitpunkt an hatte die GHYLTIROON als Nachrichtenzentrale für die Rebellen gedient. Im Rahmen der ausbrechenden Kämpfe hatte das Schiff an mehreren Stellen des Planeten eingegriffen, bis die fremden Raumer aufgetaucht waren und die Ligriden und Hyptons vertrieben hatten.

Jetzt diente es als Koordinator für die Schiffe, die die ligridischen Restverbände außerhalb des Systems beobachteten.

Bisher war alles ruhig geblieben, und Trom räkelte sich in seinem Sessel. Zusammen mit Ganno und Mallosh bildete er ein eingespieltes Team, das nichts so leicht erschüttern konnte. Unter dem Kommando von Norgis hatten sie so manchen Einsatz hinter sich gebracht. Inzwischen war Norgis abgelöst und den Bodentruppen zugeteilt worden. Doppohl hieß der neue Kommandant, und er fiel vor allem durch seine geringe Körpergröße auf. Bei seinem Einzug ins Schiff hatten sich die Daila gewundert, warum er eine große Kiste mit sich schleppte. Inzwischen wussten sie, dass darin eine Unzahl von Holzschemeln verstaut gewesen war. Doppohl hatte an allen möglichen und unmöglichen Stellen Holzschemel aufgestellt, auf die er sich postierte, um einen Kopf größer zu sein und damit die Durchschnittsgröße aller Daila zu erreichen.

Am schlimmsten war es in der Zentrale der GHYLTIROON, die ganz oben in dem neunzig Meter durchmessenden Kugelraumschiff lag. Dort bildeten die groben Schemel ohne irgendwelche Verzierungen ein unregelmäßiges Muster zwischen den Steueranlagen, den Sesseln und dem Eingang. Bei erstem Hinsehen wirkten sie wie Stümpfe abgesägter Bäume. Jedem Besucher des Schiffes entlockten sie ein Stirnrunzeln und so manchen Gedanken, ob er es bei der Besatzung des Schiffes nicht mit einer Horde Verrückter zu tun hatte.

Doppohl gelang es relativ schnell, diesen Eindruck zur Wahrheit werden zu lassen, aber zum Glück hatte die GHYLTIROON seit einigen Tagen keinen Besuch mehr erhalten.

»Es ist mir zu ruhig«, knurrte Ganno. Er hieb mit der Faust auf die Lehne eines Sessels. »Sie hecken etwas aus, da bin ich mir sicher. Aber sie sollen nur kommen. Lassen wir sie ruhig heran. Sie werden ihr letztes Wunder erleben. Das Große Feuer wird sie verschlucken!«

»Zyniker!«, rief Doppohl aus. »Du bist ein elender Zyniker. Natürlich werden sie einen Denkzettel bekommen. Schließlich kann es höchstens ein paar Tage dauern, bis die ersten Daila mit weiteren Glückssteinen nach Aklard kommen. Solange werden wir ...«

»Nichts werden wir!«, fuhr Ganno dazwischen. »Das ist alles unnützes Geschwätz. Wer sagt denn, dass die Kerle da draußen warten, he? Was ist, wenn sie jetzt zuschlagen? So ganz plötzlich? Was wird aus deinen Befehlen, die du als Leiter der Koordination auszugeben hast?«

Er hatte sich von dem Sessel wegbewegt und trat vor Doppohl. Der Kommandant stand auf einem Schemel. Dennoch musste er zu dem Bordtechniker aufschauen.

»Sie können in diesem Augenblick angreifen«, fuhr Ganno fort. »Und ich halte nicht viel von den Versprechungen, die Aksuum gemacht hat. Wer weiß, welcher Haken bei den Glückssteinen dran ist. Noch gibt es nur wenige auf Aklard. Vielleicht bringen sie uns den endgültigen Untergang. Vielleicht sind sie eine Geheimwaffe der Hyptons, die nur darauf warten, ihren Artgenossen in dem aklardischen Versteck zu Hilfe zu eilen. Ja, so muss es sein. Je mehr Verstecke auffliegen, desto unruhiger werden die Schiffe dort draußen. Es fehlt nur ein winziger Anstoß, und sie greifen unseren Heimatplaneten an.«

»Du übertreibst«, mahnte Mallosh. Er war der ruhigste der Crew, und er war immer um Ausgleich bemüht. Manchmal fiel es ihm bei dem Hitzkopf Ganno schwer, aber ab und zu mischte auch Trom sich ein und rettete mit Schläue und Witz die Situation. Seit Doppohl an Bord war, hielt er sich jedoch auffallend zurück. Norgis in seiner wortkargen und brummigen Art fehlte eben, und Trom hatte auf die Art des alten Kommandanten besonders angesprochen.

»Wie immer übertreibt er«, sagte Trom jetzt. »Aber ein riesiger Felsbrocken Wahrheit steckt dahinter. Zumindest mehr als das sprichwörtliche Körnchen. Die Ligriden sind verwirrt, aber wenn sich kein Gegner mehr blicken lässt, werden sie den ersten Funkspruch der Hyptons dazu benutzen, unsere Heimat anzugreifen. Und diesmal werden sie sich nicht damit begnügen, einfach zu landen und unsere Welt in Besitz zu nehmen. Sie werden die Schiffe angreifen, auch unseres. Ade schöne GHYLTIROON!«

»Spart euch das Geschwätz«, sagte Doppohl laut. »Seht lieber auf eure Geräte. Ganno, warum schläfst du? Die Ortung hat sich verändert!«

Augenblicklich richteten die Daila ihre Aufmerksamkeit auf die Anzeigen der Geräte. Von draußen aus dem Leerraum näherte sich ein kleineres Schiff. Es flog auf einem irrationalen Kurs mit ständig wechselnden Vektoren. Es erweckte den Eindruck, als wolle es die Ligriden an der Nase herumführen.

Doppohl sprang von seinem Schemel herunter und eilte zum nächsten, den er hastig bestieg.

»Kommandant an alle Einheiten. Hier spricht die Koordination. Dem einfliegenden Schiff ist freie Fahrt zu gestatten. Kontrollanruf absetzen!«

Er rieb sich vergnügt die Hände, und Ganno machte ein finsteres Gesicht.

»Unfug«, murrte er. »Haltet das Ding auf!«

Doppohl fuhr herum. Seine Augen blitzten auf, die Arme sanken herab.

»Unhold!«, fauchte der Kommandant. »Warum willst du mir mein Späßchen verderben? Natürlich halten wir das Schiff auf, aber nicht dort draußen, sondern hier bei der GHYLTIROON. Es wäre doch gelacht, wenn wir die Wirkung eines Glückssteins nicht selbst ausprobieren könnten.«

Mallosh rollte mit den Augen, ein deutliches Zeichen, dass er Doppohl jetzt für endgültig übergeschnappt hielt. Die Daila hatten im Lauf der Zeit einiges über die Glückssteine erfahren. Vieles mochte übertrieben sein, aber die Steine stellten zweifellos eine Gefahr für jeden dar, der nicht in der Lage war, sie zu kontrollieren. Und jetzt wollte Doppohl ... Mallosh sah die stolze GHYLTIROON bereits auf einem der Schrottberge des Staubplaneten Rim.

Sie beobachteten, wie das Schiff sich einer Lücke zwischen den ligridischen Verbänden näherte. Es vollführte Kapriolen, und es besaß Würfelform.

»Seltsam«, meinte Trom halblaut. »Die Ligriden müssen sehr verwirrt sein. Sie haben Aksuums Funkspruch schließlich empfangen und können sich denken, wer da kommt. Sie müssen den Fremden im eigenen Interesse davon abhalten, dass er sich Aklard nähert. Noch mehr, sie müssen es verhindern, und sei es mit Gewalt.«

Der Würfel durchquerte die Linien der kleinen Verbände, ohne dass ein Schuss fiel oder sonst etwas unternommen wurde. Die Ligriden stellten sich taub und blind. Und die Schiffe der Daila hielten sich an die Anweisung der GHYLTIROON, wenn sie diese auch nicht recht einsehen mochten.

»Mallosh!«, sagte Doppohl. »Einen Funkspruch absetzen. Wir heißen die Ankömmlinge willkommen!«

Der Funker und Waffenmeister des Schiffes tat, was der Kommandant wünschte. Noch immer ging kein Lebenszeichen aus dem Schiff ein. Hatten die Glückssteine bereits ihre Opfer gefordert?

Doppohl setzte sich in den Kommandantensessel und beugte sich über die Steuerung. Er musste den kurzen Oberkörper weit nach vorn lehnen, um die einzelnen Bedienungselemente zu erreichen. Die GHYLTIROON erwachte zu brummender Aktivität und verließ ihren Standort. Sie flog dem Würfel entgegen und würde dessen Kurs kreuzen. Die Computer errechneten den ungefähren Treffpunkt.

»So ein Glücksstein«, murmelte der Kommandant. »Wie viel mag er wert sein? Kann man sich davon ein eigenes Schiff kaufen?«

»Verräter!«, zischte Ganno. »Du denkst nur an deinen Vorteil. Du bist fast so schlimm wie die ...«

Es fiel ihm der Name nicht ein, und er schwieg.

Das Würfelschiff hatte den Bereich der Waffen in den Ligridenschiffen längst verlassen. Noch immer meldete es sich nicht, und Mallosh setzte einen dringlichen Ruf ab.

Die Antwort kam in Form eines Energiestrahls. Er raste herbei und hätte die GHYLTIROON getroffen, wenn nicht Doppohl gerade einen Schlenker geflogen wäre. Der Kommandant ließ einen Fluch hören. Er versetzte das Schiff in eine Trudelbewegung, während Mallosh die Bordwaffen schussbereit machte. Er hatte es geahnt. Der Würfel war kein Schiff der Mutanten. In ihm befand sich mit Sicherheit kein Glücksstein. Das Schiff hatte ein anderes Ziel.

Der Würfel war klein, viel kleiner als die ligridischen Schiffe. Auch seine Bewaffnung war nicht sonderlich stark, und das gab den Ausschlag, dass die GHYLTIROON nicht vernichtet wurde. Sie unterflog das Feuer, und Mallosh landete nach kurzem und verbissenem Kampf einen Treffer, der den Würfel außer Gefecht setzte. An seiner der GHYLTIROON zugewandten Front begann es zu qualmen.

»Absetzen!«, verlangte der Funker, aber Doppohl schien ihn nicht zu hören. Der Kommandant lenkte das Kugelschiff bis nahe an den Würfel heran, von dem sich ein kleiner Zylinder löste und rasch in Richtung des interstellaren Raumes driftete, wo sich die Ligriden aufhielten. Diese versuchten sofort, dem kleinen Schiff zu Hilfe zu kommen, aber da bewährte sich das alternierende System der aklardischen Schiffe. Sie zogen sich zu einem dichten Schwarm zusammen und legten sich zwischen die Ligriden und das Beiboot. Die GHYLTIROON schickte einen Suchstrahl aus, der sein Ziel fand. Ganno änderte die Konsistenz des Strahls, machte einen Zugstrahl daraus. Langsam zog er das Boot auf das Schiff zu und holte es in den Hangar neben der Hauptschleuse. Trom und Ganno befanden sich bereits auf dem Weg, um das Boot in Augenschein zu nehmen und die Insassen herauszuholen.

Während Mallosh wartete, verließ Doppohl seinen Sessel und steuerte den Schemel an, der mitten in der Zentrale stand. Er bestieg ihn und verschränkte die Arme.

Zehn Minuten später verriet der aufkommende Lärm, dass die beiden Daila Erfolg gehabt hatten. Die Tür öffnete sich, und unter großem Gezeter ließ sich eine Horde von Naldrynnen hereinschieben. Es handelte sich um den Piloten des Würfelschiffs und seine Familie. Sie drängte sich an der Wand entlang, während der Sippenchef sich in die Brust warf und auf Doppohl zusteuerte, den er automatisch als Kommandanten erkannte.

»Ich protestiere!«, pfiff der Naldrynne erregt. »Ich befinde mich auf einer friedlichen Mission. An Bord des Robotschiffs befinden sich Waren, die ich dem stolzen Volk von Aklard zum Tausch anbieten will!«

Mit einem Schrei warf er sich zur Seite und starrte den Bildschirm an. Dort verging der Würfel soeben in einer grellen Explosion. Die Ligridenschiffe hatten sich wieder zurückgezogen und kamen außerhalb des Suuma-Systems zum Stillstand. Sie warteten weiter ab.

»Es müssen wichtige Waren gewesen sein«, erkannte Doppohl. Er wirkte jetzt gar nicht überspannt. Er stieg von seinem Schemel herab und musterte den Naldrynnen von oben herab. Naldrynnen waren zwischen sechzig und hundert Zentimetern groß und fast ebenso breit. Sie waren überall mit einem langen, dichten Pelz bedeckt, der olivgrün leuchtete. Sie besaßen vier kurze, dicke Beine und zwei kurze, dehnbare Arme mit hornigen Krallenhänden, an denen jeweils sieben dürre Harnfinger saßen. Der Kopf ruhte auf einem beweglichen Gelenk, ein Hals war nicht erkennbar, was an der dichten Behaarung lag. Aus dem etwas kurzhaarigeren Gesichtspelz schauten zwei große, kohlrabenschwarze Augen, darunter saß ein vom Fell teilweise verdeckter kleiner, dreieckiger Mund, dessen Spitze nach unten zeigte. Nase und Ohren konnten bei Naldrynnen nur vermutet werden, aber diese Wesen verfügten über einen guten Gehör- und Geruchssinn. Sie waren als skrupellose Geschäftsleute bekannt, die vor offenem Betrug und Gewaltanwendung nicht zurückschreckten. Diesmal war nur ein kleines Schiff mit einer einzigen Familie gekommen. Naldrynnen trennten sich nie von ihren Angehörigen und schleppten immer die ganze Familie mit sich herum. Sie waren richtige Zigeuner, und sie stammten aus einem der finstersten Winkel Manam-Turus.

»Das geht dich nichts an«, keifte der Naldrynne. Am liebsten hätte er sich auf den Daila gestürzt und ihn zerrissen, aber die glühenden Mündungen der Waffen, die auf seine Familie gerichtet waren, hielten ihn davon ab.

Mallosh hatte inzwischen eine Konferenzschaltung mit allen Schiffen des Heimatsystems hergestellt, so dass die Daila mitverfolgen konnten, was sich an Bord der GHYLTIROON abspielte.

»Ich kann es mir denken, was dein Auftrag war«, beharrte Doppohl. »Es gibt noch Ligriden auf Aklard. Mit ihrer Versorgung steht es nicht zum Besten. Da schickt man kurz ein kleines Schiff hinab auf die Oberfläche und nimmt ein paar künstliche Schoofils zum Transport. Daraus wird nichts.«

»Ich habe nichts Unrechtes getan und es auch nicht vor«, sagte der Naldrynne rasch, viel zu rasch, um nicht die Absicht erkennen zu lassen. »Ihr dürft mich nicht festhalten. Ich habe eine große Familie zu versorgen!«

»Raus!«, donnerte Ganno, doch Doppohl winkte ihm.

»Einen Augenblick noch«, erklärte er. »Wir haben kein Interesse, euch festzuhalten. Ihr verschlingt nur Unmengen von Nahrung und bereitet uns Ungelegenheiten. Ihr dürft mit eurem Boot ein Ligridenschiff ansteuern. Zuvor aber will ich euch etwas sagen. Komm her, du Wicht!«

Er wartete, bis der Naldrynne dicht vor ihm stand. Er beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte etwas, was die Daila nicht verstehen konnten. Der Naldrynne fuhr mit einem Aufschrei zurück und brachte sich bei seiner Familie in Sicherheit.

»Und jetzt geht!«, sagte Doppohl zum Schluss. Er sah zu, wie Ganno und Trom die Familie zurück zum Beiboot brachten. Als das letzte der pelzigen Wesen darin verschwunden war, wandte er sich vom Monitor ab. Er machte einen Luftsprung.

»Na, wie war ich?«, rief er und sprang auf den nächstbesten Schemel. »Das war ein Spaß!«

Kurz darauf kehrten Ganno und Trom zurück. Das Beiboot hatte den Hangar verlassen und steuerte einen Ligridenpulk weit draußen an. Es würde etliche Stunden dauern, bis es das Ziel erreicht haben würde.

»Was hast du ihm gesagt?«, wollten die drei Daila wissen.

»Oh, nichts Besonderes!« Doppohl machte es spannend. »Ich meinte nur, dass ich verlässliche Nachrichten aus dem finstersten Winkel unserer Galaxis besitze. Dort seien die letzten Sonnen erloschen, weil Mana die kleinen Feuer einzusammeln beginnt. Alles ist dort kalt und von Eis überzogen. Natürlich stimmt das nicht oder tritt erst in fernster Zukunft ein. Aber der Gauner war so geschockt, dass er die Fassung verlor. Er kehrt bestimmt nicht zurück. Darauf könnt ihr euch verlassen.«

»Und was tun wir jetzt?«, wollte Mallosh wissen.

»Nichts. Wir warten. Und wir hören die Nachrichten, die uns von Aklard geschickt werden. Die Konzilsjäger haben eine heiße Spur gefunden!«

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

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