Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 68

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»Komm«, sagte Zwiswurs erregt. »Das musst du sehen.«

Mrothyr blickte den Phasenmutanten fragend an, doch der Daila war nicht bereit, ihm etwas zu erklären. Er wollte ihm etwas zeigen. Erst jetzt sah der Freiheitskämpfer, dass die anderen Gefangenen sich um zwei Pritschen versammelt hatten.

Mrothyr gähnte und rieb sich die Augen.

»Ich habe geschlafen«, sagte er. »Was ist denn passiert?«

Die anderen Gefangenen hörten ihn kommen und machten ihm Platz, so dass er sehen konnte, was ihr Interesse geweckt hatte. Auf zwei Liegen ruhten die Körper der beiden Ligriden und des Naldrynnen. Ihn hatte von Anfang an gewundert, dass sie zu den Gefangenen gehörten.

Ihre Körper hatten sich in erschreckender Weise verändert. Aus den Beinen und Armen waren unförmige Klumpen geworden, und die Proportionen von Köpfen und Rümpfen hatten sich vollkommen verschoben, so dass sie kaum noch zu erkennen waren.

»Sie sterben«, erläuterte Zwiswurs. »Mehrere von uns haben sie angegriffen, während du geschlafen hast. Sie haben sie verletzt. Und jetzt verlieren sie die Kontrolle über sich selbst. Im Tod werden sie zu amorphen Wesen.«

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Mrothyr.

»Keine Ahnung«, erwiderte einer der Zyrpher. Lethargisch ließ er die Arme hängen.

»Ich weiß nur, dass die drei draußen waren«, fügte ein anderer Zyrpher hinzu. »Könnte sein, dass sie im Psisintrant behandelt wurden.«

Mrothyr fühlte, wie es ihm kalt über den Rücken lief, und irgend etwas in ihm verkrampfte sich. Er musste an Kiart und Taleda denken. Waren sie auch im Psisintrant »behandelt« worden? Stand allen Gefangenen ein ähnliches Schicksal bevor? Führte EVOLO mit Hilfe dieser Anlage biologische Experimente durch? Machte er seine Gefangenen auf diese Weise zu seinen Werkzeugen?

Er drehte sich um und kehrte zu seiner Liege zurück, ohne danach zu fragen, weshalb der Streit ausgebrochen war, in dessen Verlauf die drei Gefangenen getötet worden waren. Es war unwichtig, und eine Antwort – ganz gleich welcher Art – hätte nicht zur Klärung der Lage beigetragen.

»Meinst du nicht, dass du mir noch eine Erklärung schuldig bist?«, fragte er den Phasenmutanten, als dieser sich zu ihm gesellte.

»Was könnte ich dir schon sagen?«, entgegnete der. »Ich weiß weniger als du.«

»Du könntest mich zum Beispiel darüber informieren, warum man diese drei angegriffen hat. Irgend etwas muss doch der Grund für den Streit gewesen sein.«

»Sie waren draußen. Das ist der einzige Grund.«

Mrothyr schüttelte zweifelnd den Kopf.

»Das kann ich mir nicht vorstellen«, erwiderte er. »Wer weiß denn schon, was da draußen mit ihnen passiert ist?«

»Du hast Recht«, stimmte Zwiswurs zu. »Ich bin der einzige, der ein wenig erfährt. Sonst weiß niemand genau, was das Psisintrant macht.«

»Verstehst du? Vielleicht gibt es gar keinen Grund für den Streit. Vielleicht ist jemand nur über die drei hergefallen, damit ein anderer feststellen kann, ob sie durch Messerstiche getötet werden können.«

Die Augen des Daila weiteten sich.

»Ein Test?«

»Warum nicht?«

»Dann wären wir nicht mehr als Versuchstiere in einem Labor.«

»Du hast es erfasst.«

Zwiswurs setzte sich an das Fußende seiner Liege, kreuzte die Beine vor dem Körper und stützte sich mit den Ellenbogen auf den hochgezogenen Knien ab.

»Das wäre teuflisch«, stöhnte er. »Er bringt uns zum Psisintrant und macht dort irgend etwas mit uns. Wenn wir zurückkommen ...«

»... können wir unseren Körper nach unserem Willen verändern«, ergänzte Mrothyr. Er berichtete dem Mutanten nun von Kiart und Taleda, die ihn von Aklard entführt hatten.

»Jetzt ist mir alles klar«, sagte Zwiswurs danach. »Wer einen derartigen Einfluss auf seinen Körper hat und diesen nach Belieben verändern kann, dem macht ein Messerstich nichts aus. Das Messer könnte sein Herz durchbohren, ohne wirklich Schaden anzurichten, denn er könnte die Wunde sofort wieder schließen. Ein solches Wesen wäre unverletzbar.«

Mrothyr blickte zu den Resten der beiden Ligriden und des Naldrynnen hinüber. Mittlerweile war ein Roboter durch die Tür hereingekommen, um die sterblichen Überreste zu beseitigen.

Einige Experimente sind unumgänglich, meldete sich die Gedankenstimme EVOLOS. Erst wenn die Experimente erfolgreich abgelaufen sind, werde ich das wirklich wertvolle Material einsetzen.

Und wer ist – wirklich wertvolles Material?, fragte Mrothyr, der Mühe hatte, EVOLO seine Empörung nicht merken zu lassen.

Zum Beispiel – du!

Diesmal hatte Zwiswurs EVOLO verstanden. Er blickte den Zyrpher an, und dieser begriff, weshalb er einen ehrenvollen Tod einer Behandlung durch das Psisintrant vorzog.

»Er wird uns holen lassen«, sagte der Daila. »Bald.«

In diesem Moment wünschte Mrothyr, EVOLO hätte ihn nicht bei seinem Sturz von dem Turm der Evutuumer abgefangen.

Die Tür öffnete sich, und vier Kaytaber kamen herein. Die Gefangenen erhoben sich von ihren Liegen und wichen vor den koalabärenähnlichen Geschöpfen zurück. Nur Mrothyr blieb sitzen. Er rührte sich auch nicht, als die Kaytaber zu ihm kamen.

»Steh auf und komm mit uns«, befahl einer von ihnen.

»Nein«, erwiderte er.

»Es ist sinnlos, sich zu wehren«, bemerkte Zwiswurs leise. »Sie können dich zwingen.«

»Dann sollen sie mich zwingen.«

Zwiswurs schrie gellend auf. In seiner Stimme spiegelten sich die seelischen Qualen, die er erlitten hatte, nachdem ihm bewusst geworden war, welches Schicksal auf ihn wartete. Er stürzte sich auf die Kaytaber und versuchte, einem von ihnen die Waffe zu entreißen.

»Nicht«, rief Mrothyr. Er sprang auf, um den Daila zurückzuhalten. »Tu es nicht.«

Es war zu spät.

Aus einer der Kombitrafs löste sich ein Schuss, und ein Energiestrahl tötete den Phasenmutanten.

Ein Gedanke des sterbenden Daila schlug zu ihm über.

Zwiswurs triumphierte. Er wusste, dass EVOLO ihn nicht mehr erreichen konnte. Mit seinem Tod hatte er einen Sieg über seinen Peiniger errungen.

Der Kombitraf richtete sich auf den Freiheitskämpfer.

»Komm jetzt mit, oder der nächste Schuss trifft dich.«

»Ich gehe nicht«, erklärte Mrothyr. »Töte mich, wenn du willst.«

Einer der Kaytaber schoss, aber er hatte den Kombitraf auf Paralysewirkung umgeschaltet. Die Energiestrahlen streiften die Beine des Zyrphers, und Mrothyr stürzte zu Boden. Die Kaytaber packten ihn an den Armen und schleiften ihn hinaus. Er wehrte sich, da nur seine Beine gelähmt waren, aber sie waren stärker als er. Er kämpfte mit aller Macht, als sie ihn über die Treppe nach oben zerrten, und einige Male gelang es ihm, sie von sich zu stoßen. Schließlich lag er in der Halle auf dem Boden, und die Kaytaber wichen vor ihm zurück.

»Wir können dich am ganzen Körper paralysieren«, bemerkte einer von ihnen. »Dann wird es zweifellos noch unangenehmer für dich.«

»Macht, was ihr wollt«, rief er ihnen zu, »aber kommt mir nicht zu nahe, sonst schlage ich euch den Schädel ein.«

Er stemmte die Hände gegen den Boden und versuchte, sich zu einem der vier Kaytaber hinüberzuschleppen, doch jetzt rückten zwei spinnenförmige Roboter heran, packten ihn bei Armen und Beinen und schleiften ihn quer durch die Halle zu einem glockenförmigen Gebilde, das offenbar das Herz des Psisintrants bildete.

EVOLO – ich will nicht!, schrien seine Gedanken.

Eine Antwort blieb aus.

Du kannst mich nicht zu irgend etwas zwingen. Niemand kann das.

Warum hatte EVOLO erst bereitwillig mit ihm kommuniziert, während er sich nun zurückzog und jegliche Reaktion verweigerte?

Du kannst mich umwandeln, EVOLO, aber meinen Willen kannst du nicht brechen.

Die Roboter fesselten ihn mit Stahlbändern auf eine Liege unter dem glockenförmigen Gebilde, und die Kaytaber hantierten an den Schaltungen einer zentralen Steuereinheit. Mrothyr hörte, wie es in der Halle zu summen begann. Das Psisintrant lief an.

Wir sind soweit!

Das war die Gedankenstimme EVOLOS.

Mrothyr zerrte an seinen Fesseln. Mit aller Kraft versuchte er, sich zu befreien. Es gelang ihm nicht.

Entspanne dich, befahl EVOLO.

Ich werde niemals dein Sklave werden, schwor Mrothyr. Du wirst mich nicht zerbrechen.

Du wirst in zwei Etappen umgewandelt werden, erläuterte EVOLO mit seiner Gedankenstimme, die keinerlei Emotionen erkennen ließ. Zunächst wird dir eine Psi-Komponente eingeimpft, damit du empfindlich für eine von meinen Mikrozellen wirst. Das wird das Psisintrant, eine alte Anlage des Erleuchteten, machen. Den Rest werde ich selbst erledigen.

Mrothyr horchte diesen Worten nach und wiederholte sie für sich selbst.

Erst eine Psi-Komponente, und dann eine Mikrozelle, rekapitulierte er. Das lässt den Schluss zu, dass du deine Pfeile nur gegen psi-begabte Wesen abfeuern kannst.

EVOLO antwortete nicht mit klar formulierten Gedanken. Mrothyr empfing jedoch einen telepathischen Impuls, der sowohl Missfallen als auch Bestätigung enthielt.

Ich habe die Wahrheit erfasst, dachte der Freiheitskämpfer, aber das gefällt EVOLO nicht.

Er zweifelte nun nicht mehr daran, dass EVOLO ihn als Waffe gegen Atlan und Anima – die er nur vom Hörensagen kannte – einsetzen wollte.

Er formulierte diesen Gedanken und richtete ihn als Frage an EVOLO, doch dieser ging nicht darauf ein. Dennoch spürte Mrothyr, dass er erfasst hatte, um was es ging.

Die Glocke senkte sich herab. Die Kaytaber betätigten mehrere Schalter, und eine Reihe von Monitorschirmen erhellte sich. Der Zyrpher sah, dass zahlreiche graphische Darstellungen auf den Bildschirmen erschienen. Tanzende Linien, die für ihn neue Technik waren.

Matt schimmernde Energiestrahlen schossen aus der Glocke hervor gegen seinen Kopf, und er spürte, dass ihn etwas berührte.

»Nein!«, schrie er und stemmte sich erneut mit aller Kraft gegen die Fesseln.

Einer der Kaytaber schlug ihn, ohne ihn damit jedoch beeindrucken zu können.

Sei still, befahl EVOLO.

Nein! Ich will nicht. Ich werde mich dir nicht beugen.

Gelächter klang in ihm auf.

Es ist bereits passiert, verkündete EVOLO. Gerade wurde dir die erste Psi-Komponente eingepflanzt.

Die erste? Seine Gedanken waren wie ein verzweifelter Schrei.

Ein Hypno-Psi-Potenzial, erläuterte EVOLO. Es hat die Eigenschaft, sich nur gegen dein eigenes Ich zu richten. Es ist also nicht nach außen hin nutzbar. Ich werde es gleich aktivieren. Danach kannst du zwar noch für dich allein denken, aber du kannst nicht mehr nach außen hin nach eigenem Willen handeln oder sprechen.

»Das ist nicht wahr«, brüllte Mrothyr.

Die zweite Komponente ist hypervisueller Natur, fuhr EVOLO unbeeindruckt fort. Er schien die Proteste des gequälten Zyrphers nicht gehört zu haben. Damit kannst du mehr sehen als ein normales Wesen, doch du hast davon kaum einen Gewinn, denn dein Ich kann diese Fähigkeit nicht nutzen. Immerhin informiert sie dich besonders gründlich. Du wirst alles viel klarer erleben als zuvor.

»Das will ich nicht. Das interessiert mich nicht«, rief der Freiheitskämpfer laut. »Lass mich los, oder ich werde mich bei erster Gelegenheit umbringen. Du irrst dich, wenn du glaubst, dass du mich wie einen Gegenstand benutzen kannst. Ich werde mich sofort töten, wenn du mir die Fesseln abgenommen hast.«

Das wirst du nicht, erwiderte EVOLO. Ich verbiete es dir.

Mrothyr fühlte, dass ihn etwas berührte. Etwas Fremdes schien in sein Gehirn zu dringen und seine eigene Persönlichkeit zu überdecken. Er spürte, dass sein Ich zurückgetrieben wurde. Ihm war, als müsse er sich in einen Winkel seines Gehirns zurückziehen, indem er nicht mehr als nur ein Beobachter war.

Die Psi-Komponenten wurden ein Teil Mrothyrs, und dieser wusste, dass er den Kampf verloren hatte.

Die Kaytaber aktivierten die Psi-Komponenten, und Mrothyr sah eine Mikrozelle aus der Höhe der Kuppel auf sich herabschweben. Er wusste, dass er sie niemals bemerkt hätte, wenn er nicht die hypervisuelle Psi-Komponente gehabt hätte.

Die Mikrozelle EVOLOS traf ihn an der Stirn, entlud sich psionisch und nahm schlagartig Besitz von seinem ganzen Körper, indem sie diesen zugleich psionisch verseuchte.

Mrothyr bäumte sich in seinen Fesseln auf. Er öffnete die Lippen zu einem lautlosen Schrei, und dann schüttelte sich sein Körper wie in Krämpfen.

Noch einmal kämpfte er gegen EVOLO an, und er merkte bereits in der allerersten Phase seines Protests, dass er sich nicht gegen ihn behaupten, und dass er nichts rückgängig machen konnte. Dennoch gab er nicht auf.

Seine Phantasie gaukelte ihm Bilder aus seiner Vergangenheit vor. Er sah sich in seinem Freiheitskampf gegen die fremden Mächte, die Besitz von Zyrph ergriffen hatten. Er glaubte, mit Waffen beladen über das Landefeld eines Raumhafens zu stürmen, meinte Geschosse der feindlichen Abwehr an sich vorbeirasen zu hören und blickte dann in die zynisch funkelnden Augen seiner zyrpherischen Gegner, die sich längst mit den fremden Mächten arrangiert hatten.

»Der Träumer stört unsere Geschäfte«, dröhnte die Stimme eines Händlers in seinen Ohren. »Beseitigt ihn oder schickt ihn in die Wüste.«

»Lasst ihn doch«, brüllte eine feiste Frau, die sich einbildete, Besitzerin einer Fabrikationsanlage zu sein, mit der sie gute Geschäfte machen konnte, obwohl die Maschinen samt und sonders von den Naldrynnen geliefert worden waren und sich niemals amortisieren konnten. »Er wird sich früher oder später die Hörner abstoßen und von selbst vernünftig werden.«

»Das Leben ist kurz«, sagte einer jener Männer, die ihn auf seinem Weg länger als ein Jahr begleitet hatten. Er blickte ihn über das flackernde Feuer hinweg an, das sie mitten in ihrem Lager entzündet hatten. »Ich will nicht nur kämpfen. Ich will auch genießen. Deshalb gehe ich in die Stadt. Ich werde für die Naldrynnen arbeiten, obwohl ich weiß, dass sie uns bis aufs Hemd ausplündern. Es ist mir egal. Ich will jetzt leben. Jetzt!«

Mrothyr richtete sich auf. Verblüfft blickte er auf seine Hände, die er plötzlich ganz leicht aus den Fesseln hatte lösen können. Sie waren dünn und schlank geworden, so als ob er keine Knochen mehr hätte. Die Finger verformten sich. Sie wurden zunächst dicker und verschmolzen dann miteinander.

Erschrocken ließ er die Arme sinken und verfolgte entsetzt, wie sie mit seinen Oberschenkeln verschmolzen.

Endlich begriff er.

Sein Körper löste sich auf, wurde zu einer amorphen Masse.

Er öffnete den Mund und wollte schreien, doch kein Laut kam über seine Lippen. Sein Unterkiefer sank immer weiter nach unten. Er versuchte, den Mund wieder zu schließen. Er konnte es nicht, denn er hatte keinen Mund mehr.

Er hatte überhaupt keinen Körper mehr.

Er war nur noch eine amorphe Masse, die sich unter der Kuppel ausbreitete.

Er vernahm das Gelächter EVOLOS.

Es verstummte rasch wieder.

Befehle folgten. Anweisungen. Er begriff. EVOLO programmierte ihn, gab ihm exakt ein, was er zu tun, wie er sich zu verhalten hatte.

Mrothyrs eigentliches Ich blieb unberührt von dem Geschehen: Es schien sich außerhalb der formlosen Masse zu befinden und teilnahmslos zu beobachten.

Mrothyr konnte sich in etwa denken, was er tun sollte, und was er tun würde, und er erfasste, dass er einen absoluten Befehl erhielt, der seinen ganzen Körper bis in die kleinste Zelle hinein erfüllte.

Der absolute Befehl war so intensiv, dass er wie ein zweites, von EVOLO abhängiges Ich war.

Er wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, als die amorphe Masse sich zu einem Körper zurückformte, denn er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Minuten? Stunden? Tage? Er hätte es nicht sagen können.

Schmerzen peitschten seinen Körper und erschwerten den Rückformungsprozess. Sein Oberkörper wuchs aus der amorphen Masse und krümmte sich sogleich zusammen. Dann entstanden die Beine und stützten den Körper.

Mrothyr griff nach seiner blau und grün gestreiften Fellmütze, die auf dem Boden lag, und setzte sie auf. Dann streifte er sich seine Kleidung über.

Ich werde nicht das tun, was du mir befohlen hast, dachte er mit äußerster Anstrengung. Ein absoluter Befehl? Interessiert mich nicht.

Er wusste, dass sein Protest sinnlos war. Es würde ihm nicht gelingen, sich gegen den absoluten Befehl zu behaupten. Die Psi-Komponenten und die Mikrozelle EVOLOS waren stärker als er. Er war in den äußersten Winkel seiner Persönlichkeit verbannt worden, und er konnte sich daraus nicht mehr lösen.

Er glaubte nicht, dass der Auftrag lautete, Atlan und Chipol bei der ersten besten Gelegenheit zu töten. Er nahm an, dass es eher darauf ankam, auch Anima zu erwischen.

Er horchte in sich hinein.

EVOLO ließ ihn frei denken. In dieser Hinsicht beeinflusste er ihn nicht.

Ihm war klar, dass er an dem Tag zuschlagen würde, an dem Atlan auf Anima traf.

Immer wieder versuchte er, Einfluss zu nehmen. Er befahl seinem Körper bewusst und sehr konzentriert, eine Hand zu bewegen. Aber der Körper gehorchte ihm nicht. Er reagierte nicht. Es war, als wäre er durch eine unsichtbare Wand von ihm getrennt.

Mrothyr kam sich vor, als sei er in einem Wagen eingeschlossen, der eine abschüssige Straße hinunterraste, ohne dass er auf ihn einwirken konnte. Er sah das Bild vor seinem geistigen Auge, wie er vergebens nach einem Steuer, einer Bremse oder einem Griff suchte, mit dem er die Tür hätte öffnen können. Er war dem Wagen ausgeliefert, und es half ihm nichts, dass er schrie. Niemand hörte ihn, und der Wagen wurde schneller und schneller. Er glaubte sehen zu können, dass am Ende der Straße ein Abgrund gähnte.

Er entfernte sich einige Schritte von dem glockenförmigen Gebilde und blieb vor einer spiegelnden Metallfläche stehen, um sich darin zu betrachten. Sein äußerliches Bild hatte sich nicht verändert.

Atlan würde nicht erkennen, dass er nicht mehr er selbst war.

»Saubere Arbeit«, sagte er zu den Kaytabern. »Ich bin zufrieden mit euch.«

Er drehte sich um und ging ohne große Eile zu einer Tür. Sie öffnete sich, als er sich ihr bis auf einige Schritte genähert hatte. Dahinter stand ein Antigravgleiter. Mrothyr stieg ein und startete. Die Maschine schoss mit hoher Beschleunigung in den strömenden Regen hinaus. Er lenkte sie, ohne zu zögern, zum Raumhafen. Er landete neben einem Kontrollgebäude und ging sofort zu einem diskusförmigen Raumschiff hinüber, das etwa zweihundert Meter davon entfernt parkte. Er betrat es durch die Bodenschleuse, schwebte im zentralen Antigravschacht bis zu einem mittleren Deck hoch und zog sich hier in eine Kabine zurück. Er streifte seine durchnässten Kleider ab und legte sich nackt in ein Bett. Als das Raumschiff Minuten später startete, war er bereits eingeschlafen.

*

Mrothyr fühlte sich frisch und erholt, als er Stunden später aufwachte.

Er wusste sofort, wo er war, und was mit ihm geschehen war.

Er ging in die Hygienekabine und duschte sich ausgiebig. Dann zog er sich an und ging in die Zentrale. Keineswegs überrascht registrierte er, dass er allein an Bord war. Das Raumschiff wurde von einer Positronik gelenkt.

Er schaltete das Funkgerät ein und rief die STERNSCHNUPPE. Das Raumschiff Atlans meldete sich fast augenblicklich, und er teilte ihm mit, dass er nach Aklard zurückkehrte.

»Sage Atlan Bescheid, dass ich bald da bin«, schloss er das Gespräch.

Zwei Stunden später landete er auf Aklard. Er verließ das Raumschiff, das unmittelbar neben der STERNSCHNUPPE aufgesetzt hatte, und er sah Kiart und Taleda auf sich zukommen.

Denen werde ich gründlich die Suppe versalzen, nahm er sich vor. Er blieb stehen und wartete, bis sie bei ihm waren.

»Alles in Ordnung«, fragte Kiart.

»Alles in Ordnung«, hörte er sich sagen. »Alles ist nach Plan verlaufen.«

»Was wirst du Atlan sagen?«, erkundigte sich Taleda.

»Dass ich auf Zyrph war«, erwiderte er ihr.

Er wusste, dass die beiden Ableger EVOLOS waren, und dass sie schon vor längerer Zeit mit Mikrozellen versehen worden sein mussten. Mit diesen beiden Daila hatte EVOLO einen ersten Vorposten auf Aklard gewonnen. Niemand außer ihm ahnte etwas davon. Niemand misstraute ihnen. Somit stellten sie eine ständige Gefahr für Atlan und seine Freunde dar. Sie konnten jederzeit zuschlagen, und ihr Angriff würde vollkommen überraschend kommen. Um so größer waren seine Erfolgsaussichten.

Chipol kam von der STERNSCHNUPPE herüber. Er lachte, als er Kiart und Taleda sah. Er glaubte, Freunde in ihnen gewonnen zu haben.

»Wo warst du, Mrothyr?«, fragte er.

»Auf Zyrph«, antwortete der Freiheitskämpfer. Er rückte seine blau-grün gestreifte Fellmütze zurecht. »Leider habe ich so gut wie nichts ausgerichtet.«

»Was hast du denn dort versucht? Erzähle doch mal.«

Das Licht in den Augen Mrothyrs veränderte sich. Chipols Lächeln erlosch. Er wich einen Schritt zurück.

»Wie siehst du mich denn an?«, fragte er.

»Du weißt hoffentlich noch, dass ich es nicht mag, wenn man mich ausfragt«, entgegnete der Zyrpher.

»Das ist doch kein Grund, mich so anzusehen. Wenn ich dich nicht so genau kennen würde, könnte ich annehmen, dass du abgrundtief böse bist.«

Mrothyr lächelte flüchtig und ging an Chipol vorbei zur STERNSCHNUPPE. Kurz bevor er sie erreichte, kam Atlan aus der Schleuse hervor. Mit seinen rötlichen Augen blinzelte der Arkonide in die tiefstehende Sonne.

»Schön, dass du wieder da bist, Mrothyr«, sagte er. »Die STERNSCHNUPPE hat mir von deinem Funkspruch berichtet.«

Atlan, du musst doch etwas merken!, dachte er voller Intensität und Kraft.

»Du warst auf Zyrph?«

»Ja«, hörte er sich sagen. »Ich habe einige meiner Freunde getroffen. Die Lage hat sich nicht verändert.«

Er wollte sich zur Wahrheit zwingen. Er wollte dem Arkoniden von den Ereignissen auf Evutuum berichten. Er wollte ihm mitteilen, dass etwas mit ihm geschehen war. Er wollte ihn dazu veranlassen ihn genauer, kritischer anzusehen.

Es gelang ihm nicht.

»Es tut mir leid«, erwiderte Atlan, »aber ich glaube nicht, dass sich in absehbarer Zeit etwas auf Zyrph tun wird.«

»Du hast Recht. Mein Volk kämpft nicht so entschlossen wie die Daila. Jeder verfolgt seine eigenen Interessen. Alle versuchen nur, irgendwie über die Runden zu kommen, und niemand denkt daran, wie sich Zyrph in Zukunft entwickeln wird.«

»Die Voraussetzungen sind eben anders als hier auf Aklard. Wir müssen den Hebel woanders ansetzen. Nicht auf Zyrph.«

Ich rede nicht von Zyrph, wollte er dem Freund zuschreien. Ich möchte von dem sprechen, was auf Evutuum passiert ist. Sieh mir in die Augen. Dir muss doch auffallen, dass ich nicht mehr der bin, den du kennst, und dem du vertraust.

Kiart und Taleda schlenderten heran. Sie plauderten lachend mit Chipol, als ob es keine Probleme gäbe.

Mrothyr litt schier unbeschreibliche Qualen. Er wusste seine Freunde in höchster Gefahr, und er fand kein Mittel, sie zu warnen.

EVOLO hatte sich seinem Ziel einen entscheidenden Schritt genähert. Er war in bedrohlicher Weise vorangekommen, und schon jetzt zeichnete sich für Mrothyr deutlich ab, dass EVOLO weitere Siege auf seinem Weg erringen würde.

Er musste an Zwiswurs denken.

Der Phasenmutant hatte das einzig Richtige getan, als er sich den Kaytabern entgegengeworfen hatte. Er hatte den Freitod gewählt. Das erschien Mrothyr in seiner derzeitigen Situation immer noch besser, als zur größten Gefahr für seine Freunde zu werden.

Er hörte sich über seinen Besuch auf Zyrph berichten und dabei Einzelheiten schildern, die frei erfunden waren. Atlan hörte ihm ohne jedes Misstrauen zu.

Als er ihn nach einiger Zeit unterbrach, um ihm eine Frage zu stellen, griff Kiart geschickt ein und lenkte unauffällig ab, bevor Mrothyr in Verlegenheit kommen konnte.

Und dann schaltete Taleda sich ein.

Voller Ingrimm musste Mrothyr erkennen, dass er und die beiden Ableger EVOLOS perfekt funktionierten.

ENDE

Im Atlan-Roman, den Sie eben gelesen haben, spielte Mrothyr, der Rebell von Zyrph, die tragende Rolle. Im nächsten Atlan-Band ist es Fartuloon, Atlans alter Lehrmeister, der wieder von sich reden macht.

Mit der KLINSANTHOR, dem Raumschiff, das er den Ligriden abgenommen hat, stößt er auf das Volk der Techniker und auf das psionische Tor ...

DAS PSIONISCHE TOR – so lautet auch der Titel des Bandes 756 der Atlan-Serie. Der Roman wurde von Hans Kneifel geschrieben.

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

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