Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 73
2.
ОглавлениеSparken drehte sein faltenreiches Gesicht vom Bildschirm weg und sah seinen Schicksalsgefährten in die Augen.
»Natürlich bin ich telepathisch begabt«, meinte er. »Sonst hätten mich die Ligriden nicht gefangen genommen. Aber ich versichere euch: Ihr habt noch nie einen lausigeren Telekineten erlebt.«
»Größenwahn kann ich dir jedenfalls nicht vorwerfen«, sagte der Kommandant. »Mir reicht es, was du kannst. Du hältst unser fliegendes Schatzkästchen sauber in Schuss.«
In einer hilflosen Geste hob Sparken seine Hände.
»Ich bemühe mich. Aber rechnet nicht mit meinen außerordentlichen Fähigkeiten.«
Kornen Fus, der Kopilot, lag entspannt ausgestreckt im rechten Sessel vor den Kontrollen. In den wenigen Tagen seit dem Diebstahl des Schiffes hatten sie die meisten Einrichtungen recht passabel unter Kontrolle bekommen.
»Wohin soll unser ›Altherrenflug‹ führen?«, fragte Kornen Fus.
»Wenn ich das wüsste«, antwortete Fartuloon ehrlich. »Ratlosigkeit kennzeichnet augenblicklich jede meiner Ideen.«
»Noch ein Ehrlichkeitsfanatiker!«, lachte Sparken. Der Bauchaufschneider stimmte in das laute Gelächter ein.
Seit dem problemlosen Start beziehungsweise dem Diebstahl der KLINSANTHOR von BASTION II waren etwa zwanzig Tage und Nächte vergangen. Die Viermann-Crew schien das Schiff zu beherrschen. Die Pannen hielten sich bisher in ungefährlichen Grenzen. Fartuloon hatte seinen drei Mannschaftsmitgliedern nur ein vages Konzept der näheren Zukunft vorschlagen können. Sie verhielten sich abwartend, denn sie waren nur in einem Punkt motiviert:
Möglichst weit weg von BASTION II! Und niemals wieder in die Gewalt der Ligriden fallen! Zurück auf die Heimatplaneten? Vorläufig sinnlos, denn sie würden dort abermals gefangen werden. Diesmal würde das Entkommen auf diese scheinbar leichte Weise unmöglich sein. Das wussten sie. Und Fartuloon kannte ihre Gedanken.
Rubernek schlief in seiner kleinen Kabine. Fartuloons Blick glitt aufmerksam über die Bildschirme.
»Hört zu«, sagte er halblaut. »Wir haben diesen für euch unverständlichen Funkspruch vor ein paar Tagen abgesetzt.«
»Du hast uns erklärt, dass es sich um eine antike Sprache handelt, die nur zwei Wesen in der Galaxis verstehen.«
»Richtig. Ich habe euch die Wahrheit gesagt. Die Sprache ist Arkonidisch. Nur Atlan und ich verstehen sie.«
Kornen Fus nahm seine Mütze ab und fuhr über seinen kahl werdenden Schädel. Die Mütze bestand aus dicken Wollfäden, die er, zusammen mit Tüchern aus weichledernem Stoff, in den Schiffsvorräten gefunden hatte. Das glockenförmige Ding mit einem angedeuteten Schirm über den Augen war ein seltsames Flickwerk aus beiden Materialien. Die Farben waren ebenso kühn: gelb und schwarz, geradezu auffallend leuchtend.
»Fast alles ist möglich«, meinte Fus lakonisch. »Wir wissen das, Fartuloon.«
»Dann ist es auch möglich«, erwiderte Fartuloon ohne viel Hoffnung, »dass wir bald etwas von Atlan erfahren.«
»Das würde die Langeweile vertreiben!«, brummte Sparken. »Seit wir auf dem namenlosen Planeten gelandet sind, um etliche Braten zu schießen und Wasser aufzunehmen, überschlagen sich die Ereignisse nicht gerade.«
»Und dass ihr mich mittlerweile bei drei Spielen einmal im Schach schlagt, ist das nichts?«, fragte der Bauchaufschneider mit breitem Grinsen.
»Mehr als nichts«, gab Sparken zu. Immerhin reichte, wenn er sich stark fühlte, seine telekinetische Fähigkeit dazu, die kleinen Schachfiguren zu bewegen, ohne sie anzufassen.
Die KLINSANTHOR, das langgestreckte Experimentalraumschiff der Ligriden, befand sich auf einem spiraligen Kurs auf einer willkürlich festgelegten Ebene. Manam-Turu war riesengroß, und ein Funkspruch konnte ebenso leicht verlorengehen und überhört werden, wie es möglich war, dass ein Schiff spurlos verschwand.
Auch Fartuloons Sorge nahm zu. Innerlich spürte er Unruhe und starke Selbstzweifel. Aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Die beiden Zyrpher und der Daila waren alles andere als eine entschlossene Mannschaft, die seine Ideen unterstützte. Ihnen war Atlan mehr oder weniger gleichgültig, obwohl sie wussten, welche Aufgabe er sich gestellt hatte.
»Ich glaube, ich werde einen zweiten Funkruf absetzen«, sagte Fartuloon nachdenklich.
»Warum nicht?«, gab Kornen Fus zurück. Er hatte die Monitore der Nah- und Fernortung an den beweglichen Haltearmen dergestalt um sein Kopilotenpult gruppiert, dass er mit einem langen Blick sämtliche Anzeigen kontrollieren konnte. Die Geräte arbeiteten zuverlässig. Der Weltraum um die KLINSANTHOR war leer.
Das Licht vieler indirekter Beleuchtungsanlagen wurde von der schiefergrauen Haut des Mannes geschluckt. Rund um die Gelenke begann die Haut schwarz zu werden. Ein sicheres Zeichen dafür, dass Fus die Mitte seiner Jahre hinter sich gelassen hatte.
Fartuloon schaltete die Bordpositronik ein. Er hoffte, dass er mittlerweile sämtliche Funktionen des Schiffes beherrschte. Ganz sicher war er nicht, denn hier war Technik eingebaut, die selbst für die Ligriden neu war. Er sprach leise ins Mikrophon.
»Analyse! Genaue Positionsangabe.«
Das Gerät gab einen sonoren Gongschlag von sich und fing an, auf einem runden Bildschirm Punkte, Linien, stark leuchtende Kreise und Buchstaben zu zeichnen, bildete dann Entfernungslinien aus und schrieb lange Reihen von Ziffern.
Fartuloon deutete auf die einzelnen Angaben.
»Wir sind etwa hundertvierzig Lichtjahre von deiner Heimat entfernt, Sparken.«
»So weit weg von Aklard?«
»Für die KLINSANTHOR stellt die Entfernung kein ernsthaftes Problem dar«, meinte der Bauchaufschneider. »Abseits unseres Kurses liegt ein Sonnensystem. Nennt sich Ukenzia, und es ist gekennzeichnet durch eine blaue Riesensonne.«
»Keine interessanten Planeten?«
»Die Bordpositronik zeigt nichts.«
Je mehr Zeit verstrich, desto größer wurde die Gefahr, dass Fartuloons Wissen und seine Informationen von BASTION II von der Wirklichkeit überholt wurden. Atlan konnte ohne diese Informationen in ernste Gefahren geraten, wenn er nicht schon mitten darin stand. Je länger und intensiver Fartuloon über all diese Probleme nachdachte, desto mehr erhärtete sich sein Entschluss.
Er würde, selbst wenn er die Mannschaft und das Schiff dadurch gefährdete, noch einen Funkspruch absetzen. Dass sämtliche Kanäle der Hyperfunkanlage weit geöffnet waren, und dass jeder eingehende oder aufgefangene Spruch mitgehört und nach Möglichkeit analysiert wurde, verstand sich von selbst. Und dass die Ligriden nach ihrem verschwundenen Schiff suchten, war für ihn ebenfalls selbstverständlich.
Nach einem letzten, prüfenden Blick auf die Anzeigen nahm Fartuloon einige Schaltungen auf dem komplizierten Paneel der Funkanlage vor.
Über den Text seiner drängenden Botschaft brauchte er nicht lange nachzudenken.
Das Signal für Sendebereitschaft glühte auf.
»Fartuloon aus der KLINSANTHOR«, sagte der Bauchaufschneider. »Der Freund sucht dich, Kristallprinz. Melde dich bald. Es gibt eine Handvoll interessanter Neuigkeiten. Sie sind lebenswichtig. Ich suche dich!«
Fartuloon sprach nicht nur Arkonidisch, sondern wählte eine archaische Aussprache, an die sich wirklich nur Atlan würde erinnern können.
Dann schaltete er den Sender ab, der sie möglicherweise verraten konnte.
»Und jetzt?«, erkundigte sich der Daila sarkastisch.
»Jetzt warten wir wieder. Allerdings sollten wir die Ortungsgeräte mehr als sonst beobachten. Innerhalb dieser Galaxis gibt es verschiedene Machtgruppen, für die wir aus unterschiedlichen Gründen nicht uninteressant sind. Natürlich sind die Ligriden hinter uns her, klar?«
»Klar.«
»Welch einsilbige Antwort«, murmelte Fartuloon. »Ein Blick auf die Zahlen des Chronometers zeigt mir, dass mich Rubernek ablöst. Mir fällt ein, dass ich müde bin. Wenn sich irgend etwas hier zeigt, holt mich sofort hierher, Freunde.«
Sparken hob die Hand und versicherte feierlich:
»Wir versprechen es, Herr Kommandant.«
Fartuloon zog sich aus der kleinen Hauptzentrale zurück. Auf Sparken und Fus konnte er sich verlassen. Sie waren selbst daran interessiert, in Freiheit zu bleiben.
Als er Rubernek geweckt hatte und halb angezogen auf seiner Liege ausgestreckt war, bewegten sich seine Überlegungen noch immer um die Ligriden und die Hyptons, um deren gegenseitige Beziehungen, um das Neue Konzil und um gewisse Erinnerungen, die ihm Atlan über das Erste, »alte« Konzil vermittelt hatte, und trotz allem, was der Bauchaufschneider wusste, gab es kein klares Bild. Atlan würde andere Dinge wissen. Zusammengenommen würden sie wahrscheinlich weitaus klarer sehen. Dann erst konnten sie ein Konzept für den weiteren Kampf entwickeln. Unverändert wichtig war also, dass Atlan und er zusammentrafen, und das möglichst schnell.
*
Sechs Stunden später gellte der Alarm durch das Innere der KLINSANTHOR. Fartuloon fuhr in die Höhe und brachte seine Kleidung in Ordnung. Er ahnte, was vorgefallen war.
Der kleine, scheinbar gemütlich-unbeholfene Mann bewegte sich plötzlich mit überraschender Schnelligkeit und Sicherheit. Mit zwei Sprüngen hatte er seine Kabine verlassen, ein kurzer Spurt brachte ihn in die Zentrale. Rubernek sah ihn kommen und glitt aus dem Kommandantensessel. Das Lärmen des Alarms riss ab.
»Kleine, schnelle Schiffe. Sie umkreisen uns«, rief Kornen Fus. Fartuloons gelbe Augen schienen aufzuleuchten. Mit einem langen Blick stellte er fest, dass sich die KLINSANTHOR in der Nähe jener riesigen, blauweiß lodernden Sonne befand.
Etwa zwei Dutzend Schiffe, eher eine Handvoll mehr, näherten sich in schnellem Flug und mit kühnen Manövern dem Schiff. Unterlichtschnell fegte der langgestreckte Körper in einer weit ausgeschwungenen Kurve vor einer Linie der angreifenden Schiffe davon.
Fartuloon zog einen Lautstärkeregler auf und schaute auf den Monitor der Bordpositronik.
Sonne: Ukenzia, las er, Planet: Yumnard.
Einziger Planet. Vor nicht mehr feststellbarer Zeit besiedelt gewesen. Bewohner ausgestorben oder emigriert.
Fartuloon schloss den Gurt und sagte:
»Es wird ernst. Ich versuche zu fliehen. Unser verdammter Funkspruch hat sie auf unsere Spur gebracht.«
Schweigend und schnell hantierten die vier Männer. Undeutliche Vergrößerungen der Schiffe erschienen auf den Monitoren. Kurslinien und deren Projektionen überzogen die farbigen Flächen. Aus den Lautsprechern dröhnten harte, metallisch klingende Stimmen in ligridischer Sprache.
»Roboter?«, rief Sparken. »Gleich werden sie zu feuern beginnen.«
Fartuloon programmierte eine kurze Linearetappe. Die KLINSANTHOR raste jetzt in einer weiten Spirale um mehrere Schiffe herum, die von vorn auf das Schiff zujagten.
Die vier geflüchteten Gefangenen befanden sich weit außerhalb des Einflussbereichs der Daila. Keiner von ihnen kannte die Form der kleinen Schiffe. Die ersten kreideweißen Glutfinger stachen blendend durch die Schwärze des Weltraums. Sie waren hervorragend gezielt und verfehlten die KLINSANTHOR nur um vergleichsweise winzige Distanzen.
»Positronik! Warum werden keine Schutzschirme aufgebaut?«, schrie Fartuloon und griff in die Handsteuerung.
Wer verbarg sich hinter diesem Kommando aus gleichartigen Schiffen?
»Wir sind für sie natürlich ein Schiff der Ligriden«, stellte der Kopilot fest und beobachtete eine Anzeige. Sie kletterte höher und kennzeichnete den Augenblick, an dem das Schiff aus dem dreidimensionalen Raum verschwinden würde.
»Die Schiffsführer gehen rücksichtslos vor!«
Aus den Lautsprechern drangen Aufforderungen und Teile von Befehlen. Das Ligridenschiff sollte sofort den Kurs ändern, seine Geschwindigkeit herabsetzen, nicht wieder Hilferufe in geheimnisvollem Kode ausstrahlen, sich ergeben.
»Wir nehmen euch unter Beschuss!«, verkündete eine herrische Stimme.
Zwei Segmente der Schutzschirme bauten sich auf und schirmten die Zentrale ab. Das Experimentalschiff war alles andere als blitzschnell. Es schienen noch unerprobte Systeme an Bord zu sein. Am Rand des Voraus-Bildschirms zeichnete sich die grelle Riesensonne ab.
»Das tun sie schon seit einer Weile«, stieß Fartuloon hervor und dirigierte das Schiff in ständig wechselnde Flugbahnen. Ein Treffer schlug weit hinten in die Hülle der KLINSANTHOR ein, und Warnlampen begannen wild zu flackern.
»Wir sind getroffen worden!«, schrie der Daila in plötzlicher Furcht. »Sie machen Ernst, Fartuloon!«
Unendlich langsam näherte sich die Anzeige dem obersten Grenzstrich. Noch eine halbe Minute bis zum Einstieg in das Linearmanöver. Dieses neue Schiff hatte seine deutlichen Schwächen. Bisher war die Positronik mit allen angeschlossenen Systemen nicht gefordert worden. Jetzt zeigte es sich, dass viele technische Einrichtungen der KLINSANTHOR noch nicht richtig abgestimmt waren.
Sparken rief weitere Informationen ab und sagte, eine Spur weniger aufgeregt:
»Es ist nur die Außenhülle. Noch nichts Ernsthaftes. Aber sie kommen immer näher.«
Inzwischen hatte der Bauchaufschneider etwa dreißig kleine Einheiten gezählt. Die schnellen Kursänderungen der Schiffe deuteten darauf hin, dass sie von Robotern bemannt oder selbständige Robotschiffe waren.
Fartuloon versuchte mit allen Mitteln seiner Erfahrung, einen Fluchtkurs zu fliegen. Er holte aus den Schaltungen und den Triebwerken das Äußerste heraus. Das langgestreckte Schiff trudelte, wurde wieder abgefangen, flog enge Kurven und verzögerte plötzlich. Ebenso jäh beschleunigte das Objekt wieder. Dutzende greller Kampfstrahlen zuckten kreuz und quer durch das All und verfehlten das Schiff nur um Haaresbreite. Immer wieder glühten einzelne Sektoren der Schutzschirme auf.
Dann wechselte die KLINSANTHOR auf die höhere Ebene über. Die Objekte und Lichterscheinungen verschwanden vom Bildschirm. Die Farben und Darstellungen auf den Ortungsschirmen veränderten sich. Kornen Fus stieß seufzend seinen Atem aus.
»Sie haben meine Funksprüche nicht einmal beantwortet«, sagte er und wischte sich über die Stirn. »Aber sie haben jedes Wort gehört. Gar kein Zweifel, Fartuloon.«
»Also doch ein Robot-Spezialkommando!«, stellte der Kommandant fest. »Der Magnortöter ist seiner Bedeutung nicht gerade gerecht worden.«
Einige Sekunden vergingen. Die Männer in der Zentrale entspannten sich ein wenig. Das Schiff jagte in der kurzen Linearetappe vorwärts. Der wirre Kurs stabilisierte sich. Dann, als die Bordpositronik durchgehend beruhigende Werte aufzeichnete, flammten Warnleuchten auf. Aus den Tiefen der Metallkonstruktion kam ein unheilverkündendes Knistern, dann heulte eine ferne Sirene auf.
Die Positronik erklärte:
»Schaden in der Linearmotor-Kontrolle. Flugzustand wird instabil. Achtung! Wir beenden den Linearsprung ...«
»Und bisher«, seufzte Fartuloon fatalistisch, »hat alles so schön geklappt.«
Erste Vibrationen erschütterten den langgezogenen Rumpf des Schiffes.
Seit den Stunden, in denen Fartuloon die schlecht bewachten Zellen der beiden Zyrpher und des Daila geöffnet hatte und mit ihnen geflohen war, spürten und sahen sie nichts von wirklichen Gefahren. Aber jetzt griff die Angst nach ihnen.
Sie befanden sich mitten in den Auseinandersetzungen um die Macht in der Galaxis Manam-Turu. Die Robotschiffe griffen sie an, weil die Maschinen der Überzeugung waren, Ligriden vor sich zu haben.
Die logische Schlussfolgerung war, dass dort ein Schwarm von Gegnern dieser Konzilsangehörigen wartete und sich in wenigen Augenblicken wieder auf die KLINSANTHOR stürzte.
Fartuloon blickte seine drei Gefährten voller Ernst an und sagte in unbehaglichem Tonfall:
»Wenn uns die Roboter im All erwischen, schießen sie uns ab. Wir haben gegen ihre Übermacht keine Chance.«
»Keine echte Chance«, wiederholte Kornen Fus und entblößte grimmig seine Raubtierzähne. »Es sind zu viele. Im Augenblick sind wir noch leidlich geschützt.«
Fartuloon streckte eine Hand aus, rührte den wuchtigen Notschalter aber noch nicht an.
»Dieser Augenblick ist gleich vorbei«, meinte Sparken bekümmert. »Ich sehe nur eine Möglichkeit zur Rettung.«
»Ich weiß, was du meinst. Das Ukenzia-System?«, fragte Rubernek.
»Es gibt weit und breit keine andere Chance für uns«, erklärte Fartuloon und kippte den Schalter. Wieder schüttelte sich das Schiff und bohrte sich vibrierend, mit heulender Sirene und wild zuckenden Warnlichtern in die Dunkelheit des Weltraums.
»Die Sonne Ukenzia. Sie ist unübersehbar«, sagte Rubernek. »Hier sind die Daten des Planeten.«
Die Positronik summte und gab eine Datenflut ab. Sorgfältig hatte Fartuloon den Monitor der Fernortung beobachtet. Der Schwarm der schnellen Robotschiffe hatte sich weit hinter dem Schiff gesammelt. Aber der unregelmäßig kugelförmige Haufen der Verfolger flog einen identischen Kurs.
»Danke. Es ist tatsächlich die einzige Chance. Vielleicht können wir uns vor ihnen verstecken«, meinte Fartuloon ohne viel Hoffnung.
Ortung, Positronik und Antrieb arbeiteten mit Höchstleistung. Langsam schob sich das Echo eines Planeten in den Mittelpunkt der Monitore. Das grelle Leuchten der Sonne wanderte an den Rand des Voraus-Bildschirms, als Fartuloon die neue Richtung einschlug und das Schiff unterlichtschnell auf Yumnard zusteuerte.
»Wie groß ist die Entfernung?«
»Vier Lichtstunden und wenige Minuten.«
Sparken, der »Allroundmann«, tippte mit seinen auffallend hellen, silbrigen Fingernägeln verschiedene Kontaktfelder der Bordpositronik an.
»Daten über Yumnard. Eilbefehl!«, stieß er hervor.
Die Verfolger holten langsam, aber unaufhaltsam auf. Einzelne Pünktchen lösten sich aus der engen Gruppe der Echos. Es war nahezu sinnlos, mit der eigenen Bewaffnung sich wehren zu wollen. Mehr als einen Zufallstreffer würden sie nicht anbringen können.
Auf dem Monitor der Bordpositronik erschienen Ziffern und Buchstaben. Immer wieder fügten die Erinnerungsspeicher der Anlage eine neue Information hinzu. Die wichtigste Einzelheit waren die Daten über die Luftzusammensetzung: Im Fall einer Landung konnten sie sich alle ohne den Schutz von Raumanzügen bewegen.
Ein kleiner Planet mit einer geringeren Oberflächenschwerebeschleunigung, kleinen Meeren, einem Netzwerk von meist vulkanischen Bergen, meist von Wald und Savanne bedeckt, und die Flora war laut Positronik-Erinnerung ohne tödlich giftige Eigenschaften.
Die fünf Robotschiffe, die sich aus dem Verfolgerverband gelöst hatten, feuerten noch nicht. Sie erkannten, dass die KLINSANTHOR auf Yumnard zuflog. Im Augenblick erfolgten auch keine weiteren Warnungen und Befehle mehr.
»Immerhin landen wir nicht in einer planetaren Hölle«, meinte Fartuloon und sah, wie die Umrisse des Ortungsechos deutlicher und schärfer wurden. Dann stieß er Kornen an und sagte scharf:
»Um den Planeten herum herrscht reger Raumschiffverkehr! Hier, diese Echos, Freunde.«
»Ich sehe, was du meinst.«
Noch brauchte die Geschwindigkeit nicht verringert zu werden. Mit der Landung selbst würden sie keine Schwierigkeiten haben, dafür um so mehr mit den Verfolgern und all den Raumschiffen, die wie eine unregelmäßige Kette auf den Planeten zudrifteten.
»Ich würde sagen, es handelt sich um Lastschiffe«, sagte Rubernek aufgeregt.
»Dann ist der Planet also bewohnt.«
»Oder unsere unbekannten Gegner haben dort einen Stützpunkt«, meinte Fus. »Sonst würde die Positronik andere Informationen ausspucken.«
»Das denke ich auch. Wir müssen es versuchen. Wir haben keine andere Wahl«, knurrte der Bauchaufschneider.
Fartuloons Mannschaft war weder besonders gut ausgebildet noch aufeinander eingespielt. Sparken, Rubernek und Fus taten, was sie konnten. Die mangelnde Leistung an den Steuerpulten war ihnen nicht vorzuwerfen. Überdies war auch er selbst nicht unbedingt der beste Pilot. Immerhin hatten sie es bis jetzt geschafft – noch flog die KLINSANTHOR weitestgehend unversehrt auf den Planeten zu.
»Vielleicht finden wir ein Versteck«, murmelte Fus.
Die KLINSANTHOR hatte durch die Linearetappe einen Vorsprung vor den Angreifern herausgeholt. Aber der Vorteil wog nicht schwer. Der Pulk der fremden Schiffe kam näher, während sich von den größeren Einheiten niemand um das einzelne Schiff kümmerte. Unbeeindruckt schwebten die Schiffe auf den Planeten zu und starteten von dessen Oberfläche in die Gegenrichtung. Auf dem Ortungsschirm wurde die Oberfläche in einzelnen Konturen sichtbar.
Sparken deutete mit dem Daumen über die Schulter.
»Sie holen auf, Fartuloon!«, warnte er.
»Ich kann das Schiff nicht in Lichtgeschwindigkeit in die Lufthülle rammen«, sagte der Calurier. »Ich tue, was ich kann.«
Er steuerte auf das Zentrum des Planeten zu. Unmerklich langsam wuchsen die spiraligen Wolkenwirbel auf der halb ausgeleuchteten Kugel. Sonnenlicht funkelte auf den Oberflächen der kleinen Meere. Schwach zeichneten sich einige Echos ab, die auf das Vorhandensein größerer Metallmassen hindeuteten.
»Yumnard ist offensichtlich bewohnt«, murmelte Fus. »Dort sollten wir natürlich nicht landen.«
»Notlanden!«, sagte Fartuloon schroff.
Schräg über die gesamte Fläche des Heckbildschirms zuckte ein grellweißer Strahl. Er ging von einem Verfolgerschiff aus und jagte dicht über die KLINSANTHOR hinweg.
»Jetzt wird es ernst.«
Die Angst, getroffen zu werden, mischte sich in die Ungewissheit darüber, was auf dem Planeten lauerte. Fartuloons muskulöse Hände umklammerten unruhig die Griffe der Steuerung. Auf den Bildschirmen wuchs der Planet, und einige Geländeformationen wurden schärfer und plastischer. Wieder feuerte ein herangekommener Verfolger, und wieder verfehlte er das Schiff nur um eine geringe Distanz.
Die Sicherheit, die den Männern von der Zelle der Zentrale vermittelt wurde, war in Frage gestellt. Bei jedem Schuss zuckten die Insassen zusammen. Fartuloon konnte nicht riskieren, die hohe Geschwindigkeit der KLINSANTHOR abzubremsen. Er fing wieder an, den Verfolger durch einen unlogischen und unerwarteten Kurs zu verwirren. Er schwang das Schiff in wilden Kurven herum, wich aus, schien für kurze Zeit vom Planeten wegzufliegen, steuerte in einer unregelmäßigen Spirale wieder zurück und zog die Schiffe der Verfolger weit auseinander. Ständig versuchten die Robotkommandos, das Schiff zu treffen; ihre Geschütze schleuderten die vernichtenden Lichtblitze nach der KLINSANTHOR.
»Wir schaffen es nicht!«, schrie der Daila auf. »Schon wieder sind wir getroffen worden!«
»Ruhig«, schrie Fartuloon.
Der Planet lag jetzt vor den Raumschiffen. Die KLINSANTHOR fegte aus der Spiralbahn heraus und jagte auf die Krümmung zu. Jetzt verringerte Fartuloon die Geschwindigkeit und versuchte, trotzdem auszuweichen. Die Energieblitze hinterließen in den dünnen Schichten der obersten Atmosphäre langgezogene Glutspuren.
Ein dröhnender Schlag erschütterte das gesamte Schiff. Wieder flackerten neue Warnlichter auf. Starke Schwingungen ließen Metallteile knirschen und klirren. Die Bordpositronik warf eine Serie von Warnungen und Schadensmeldungen auf den Bildschirm. Wieder gelang es Fartuloon, das Raumschiff herumzureißen. Dicht hinter dem Heck zuckte ein Kampfstrahl über die Multidronscheibe, dann jagte das Robotschiff auf derselben nachglühenden Spur am Raumschiff vorbei.
Die KLINSANTHOR beruhigte sich, als ihr Bug die dichteren Luftschichten berührte. Das Gravopulstriebwerk war nicht getroffen worden und arbeitete mit Höchstbelastung.
Fartuloon steuerte die dunkle Zone des Planeten an. Die Wahrscheinlichkeit, den Verfolgern entkommen zu können, wurde dadurch eine Kleinigkeit größer. Zwei Robotschiffe waren herangerast und entfernten sich wieder auf einem Parabelkurs.
Sie hätten mühelos das Schiff unter Feuer nehmen können, aber sie schossen nicht. Fartuloon machte sich keine Gedanken über dieses seltsame Vorgehen, denn er hatte zu tun, um das Raumschiff einigermaßen sicher auf den Boden des Planeten herunterzubringen.
»Kornen!«, sagte er scharf. »Versuche, einen guten Landeplatz auszusuchen. Nicht gerade mitten im Gebirge.«
»Ich versuch's.«
Das Raumschiff sank tiefer. Hin und wieder fielen einzelne Sektoren der Schutzschirme aus, aber die Automatik funktionierte noch und baute die Teile wieder auf. Etwa fünfzehntausend Kilometer lagen zwischen den georteten Landeplätzen und den wuchtigen Bauwerken, die schemenhaft zu sehen gewesen waren. Das Raumschiff verließ den Bereich der Sonnenstrahlung und glitt in die Dunkelheit des Planetenschattens hinein. Die Verfolger blieben zurück und flogen langsame, weite Kreise außerhalb der Atmosphäre.
Langsam sagte Rubernek:
»Dass sie uns nicht länger verfolgen, kann nur bedeuten, dass wir ihnen auf dem Planeten ausgeliefert sind.«
»Jedenfalls haben sie uns nicht in Fetzen geschossen«, gab der Daila zurück. »Wie sieht es aus, Fartuloon?«
»Wir kommen lebend und in einem Stück herunter.«
Die KLINSANTHOR wurde langsamer und ging in einem weiten Halbkreis tiefer. Sie durchstieß eine dunkle Wolkenschicht, und auf der Nahortung zeichnete sich das Relief der Landschaft deutlicher ab.
»Wir müssen damit rechnen, dass wir gesucht und gefangen genommen werden«, sagte Fartuloon. »Ich kann nur hoffen, dass die Gegner der Ligriden uns deshalb besser behandeln, weil wir nachweislich keine Ligriden sind.«
»Bisher wissen sie es noch nicht.«
Die Verfolger behelligten das beschädigte Schiff nicht mehr. Aber auf den Ortungsmonitoren sahen die Insassen der Zentrale, dass sich nicht nur ihr Schiff in der Luft befand. Winzige Objekte bewegten sich langsam in alle Richtungen. Ein Teil davon gehörte mit Sicherheit zu der Flotte der Lastenschiffe, aber die anderen Echos sagten Fartuloon, dass bereits jetzt nach ihnen gesucht wurde.
Er setzte die Geschwindigkeit weiter herunter, schwebte langsam über bewaldeten Hügeln und folgte dem Lauf eines Flusses. Als sich das Tal öffnete und flaches Gelände auf dem Schirm erschien, ließ der Bauchaufschneider die KLINSANTHOR weiter durchsacken und packte die Hebel der Steuerung fester.
»Landegestell!«, sagte er scharf. »Und Scheinwerfer, Sparken.«
»Sofort.«
Sparken hatte die Hände schon an den Schaltern. Das fast hundert Meter lange Schiff schob sich, noch immer exakt waagerecht in der Luft, dem Boden näher. Fartuloon hoffte, dass er auch die letzten Sekunden des Fluges noch einigermaßen gut beherrschen würde.
Das Schiff setzte hart und krachend auf. Die Scheinwerfer wurden ausgeschaltet, als Fartuloon auf den normaloptischen Schirmen genügend von der Umgebung gesehen hatte. Der hintere Teil des Raumschiffs lag zwischen hohen Bäumen, die andere Hälfte würde deutlich sichtbar bleiben.
»Wir werden nicht lange allein bleiben«, sagte er und kippte eine Reihe von Schaltern. »Nach dem ersten Flug schon eine Generalüberholung. Hört gut zu, meine Freunde – wir sind, was wir sind. Gefangene der Ligriden, natürlich geflüchtet, und wir haben von nichts eine Ahnung. Es sollte uns nicht schwerfallen, bei dieser Darstellung zu bleiben.
Sie hat den Vorzug, weitestgehend richtig zu sein. Überdies rechne ich damit, dass wir mit vielen Robotern zu tun haben werden.«
»Das ist ziemlich sicher, Fartuloon.«
Rubernek öffnete mit einem Schalterdruck die Schleuse und löste die breiten Gurte.
»Immerhin haben wir uns länger als zwanzig Tage in Freiheit befunden.«
Fartuloon grinste Kornen Fus breit an und lachte dann auf.
»Und eine schöne, lange Reise haben wir auch hinter uns. Sie scheint allerdings zu Ende zu sein. Wir wollen nachsehen, was alles ausgefallen ist.«
Sie verließen die Zentrale und untersuchten von innen die feststellbaren Schäden. Fartuloon suchte sofort in der Hangarschleuse nach und fand seine schlimmen Ahnungen bestätigt. Das Beiboot, das er euphorisch STERNSCHNUPPE getauft hatte, war schwer getroffen worden. Die Verkleidung war von dem Hochenergiestrahl zerschnitten, der Öffnungsmechanismus zu unkenntlichen Schlacken zerschmolzen, die Außenhülle des Bootes zerfetzt und rußgeschwärzt. An eine Flucht mit der STERNSCHNUPPE war nicht zu denken.
»Wäre auch viel zu schön gewesen«, knurrte er und nahm einen Handscheinwerfer aus der Halterung. Er kletterte nach draußen, atmete die frische, kühle Nachtluft ein und ging langsam einmal um die KLINSANTHOR herum. Immer wieder leuchtete er mit breitgefächertem Strahl die Außenwandungen ab und musste erkennen, dass die KLINSANTHOR schwer beschädigt und nicht mehr in der Lage war, einen Fernraumflug durchzuführen.