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b) Griechische Philosophie als Chance der Fundamentaltheologie

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griechische Philosophie als kritische Frage an Religion

Die Möglichkeit einer universalen Glaubensverantwortung ist den drei monotheistischen Religionen erst über die Begegnung mit der griechischen Philosophie aufgegangen, die im 6. Jahrhundert v. Chr. in Ionien, der bedeutendsten griechischen Kolonie im Westen Kleinasiens, ihren Anfang nahm. Hier versuchten Denker, von deren Schriften uns nur Fragmente erhalten sind, anstelle von Göttermythen über die Entstehung des Kosmos eine auf eigener Forschung beruhende Erklärung des Ursprungs und Wesens aller Dinge zu geben. Für das Aufkommen und weitere Entwicklung dieses Phänomens, das in der gesamten Geschichte kaum eine wirkliche Parallele hat, lassen sich Gründe nennen, die es verständlicher machen, es aber letztlich doch nicht erklären.

Theokratie als Hindernis für philosophische Fragen

(1) In Griechenland ist es im Unterschied zu den großräumigen Reichen der Antike nie zu einer wirklichen Theokratie gekommen, d. h. zu einer politischen Herrschaft, die ihrer Macht durch Inanspruchnahme einer bestimmten Religion den Anschein einer göttlichen Weihe verleiht. Eine gefestigte Theokratie wird nie eine eigenständige wissenschaftlich-philosophische Ergründung des Kosmos und seines Ursprungs dulden, die sich gegen die überlieferte und zugleich staatstragende religiöse Erklärung wendet. Das beweist auch die Geschichte des Christentums. Sobald es in der Konstantinischen Ära zur Staatsreligion erklärt worden war, wurde dem Fortbestehen bzw. der Weiterentwicklung einer „heidnischen“ Philosophie ein Ende bereitet.

Von der Adelsherrschaft zur Polis

(2) Die „Götter des Olymp“ waren ein Spiegel der Adelsherrschaft, die sich nach der Einwanderung indogermanischer Volksstämme in Griechenland etabliert hatte. Durch die Entwicklung der Polis zu einer Diskursgemeinschaft freier Bürger war diese Götterwelt im Grunde ein Fremdkörper geworden. Im griechischen Mutterland wurde sie aber weiterhin dadurch gestützt, daß der Staatskult in den Händen der Aristokratie lag.

Ionien als Vorreiter

Dank der günstigen Lage der Hafenstädte Ioniens, bedeutender Zentren des damaligen Welthandels, entzog sich hier die Bürgerschaft früher dem Zugriff des Adels. Hier begegnete man fremden Göttern und Gebräuchen und lernte die erstaunlichen Leistungen anderer Völker bei der Beobachtung der Himmelserscheinungen, in der Medizin und der Organisation gewaltiger Staatswesen kennen. Die mythische Erklärung kosmischer und politischer Phänomene wurde daher früher als in Athen einer öffentlich-kritischen Reflexion unterzogen, der Grundbedingung für eine philosophisch-wissenschaftliche Welterklärung, die traditionellen theologischen Schöpfungs- und Wertvorstellungen entgegentritt.

Philosophie in Athen

(3) Im 5. Jahrhundert kam die Philosophie auch in Athen voll zum Durchbruch. Eine kritische Haltung dem Staatskult gegenüber wurde dadurch erleichtert, daß hier die politisch sanktionierte Götterverehrung nicht wie in den meisten Kulturen als durch unvordenkliche Traditionen geheiligt galt, sondern auf die Dichtungen Homers und Hesiods zurückgeführt werden konnte. Platon machte deutlich, daß der Vorwurf der Mißachtung des Heiligen nicht Sokrates gebührt, sondern den Dichtern, die den Himmel durch sittlich fragwürdige Gestalten bevölkert hatten. Aristoteles bezeichnete seine Frage nach den letzten Gründen alles Seienden als „theologische Philosophie“ bzw. „theologische Wissenschaft“, im scharfen Gegenüber zur mythischen Rede jener, die „als erste Theologie betrieben haben“ (vgl. 4: 1026a 19, 1064b 2f., 983b 29, 1000a 18f.).

Philosophie als „Härtetest“ für Religion

(4) Seit dieser „klassischen“ Zeit griechischen Denkens haben sich zwei Charakteristika der Philosophie durchgehalten: Sie ist um eine Klärung des göttlichen Grundes von Mensch und Kosmos bemüht, die prinzipiell aller Vernunft zugänglich ist, und bietet damit die Möglichkeit, religiöse Vorstellungen über „das Sein im Ganzen“ einer rationalen Kritik zu unterziehen. In dieser doppelten Rolle wurde die Philosophie auch im Römischen Imperium rezipiert und stellte damit Judentum und Christentum vor einen „Härtetest“. Als Einzelfälle im Schatten der zahllosen religiösen Gruppierungen, die bei den Eroberungszügen Roms Teil seiner gesellschaftlichen Wirklichkeit geworden waren, stellten sie kein Problem dar. Wollten sie aber mit ihrem Offenbarungsglauben in den gebildeten Kreisen dieses multikulturellen Reiches als gesprächsfähig betrachtet werden, so mußten sie sich der Schärfe philosophischen Fragens aussetzen. Dabei gewannen sie aber gleichzeitig die Möglichkeit, ihren Glauben vor dem Forum allgemeiner Vernunft so zu verantworten, daß sie ihn frei von Angst und Aggressionsbereitschaft allen Menschen gegenüber vertreten konnten.

Einführung in die Fundamentaltheologie

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