Читать книгу Einführung in die Fundamentaltheologie - Hansjürgen Verweyen - Страница 20

Оглавление

2. Neuansätze im Mittelalter

a) Voraussetzungen

Geistige Impulse der Völkerwanderung

Während der Völkerwanderung kam es in den von den Römern kolonialisierten Gebieten zu umfangreichen und zunächst rasch wechselnden politischen Neuordnungen. Im Blick auf die Entwicklung der Philosophie zu einer eigenständigen Disziplin innerhalb kirchlich anerkannter Bildungsinstitutionen ist die Herrschaft der Ostgoten in Italien (493–583), vor allem unter dem in weltlichen wie geistlichen Dingen klug handelnden Theoderich dem Großen (493–526), von großer Bedeutung gewesen. Theoderich zog fähige römische Staatsbeamte für seine Regierung heran. Unter diesen ragen besonders Boethius und Cassiodor hervor.

Boethius als Förderer der „säkularen Wissenschaft“

Boethius (ca. 480–524) hat wesentlich zur Weiterentwicklung rationaler Glaubensverantwortung im Abendland beigetragen, zunächst durch eine Vertiefung des Studiums der „artes liberales“ generell (s. II 1e [2]). Vor allem deren erster Teil, die sogenannten „Redekünste“ Grammatik, Rhetorik und Dialektik, galt schon von der Antike her als Grundstudium für den im politisch-gesellschaftlichen Leben kompetenten Mann. Mit der Intensivierung der „artes liberales“, insbesondere der „Dialektik“, hängt ein noch bedeutenderer Beitrag des Boethius zur abendländischen Bildung eng zusammen. Durch seine Übersetzung und Kommentierung des „Organons“, d. h. der im weiteren Sinne logischen Schriften des Aristoteles, hat er dem lateinischen Westen eine erste gründliche Begegnung mit dessen Philosophie vermittelt. Bis dahin wurde das Studium der „Dialektik“ vor allem als Einübung ins geschickte Argumentieren verstanden. Dadurch daß Boethius die Dialektik über ihre bloß propädeutische Funktion hinaus aufwertete, konnte seit dem Beginn des Mittelalters aus ihr die Philosophie als methodisch autonome Wissenschaft in ihrem ständigen Spannungsverhältnis zur Theologie erwachsen.

Cassiodor (ca. 485–580) wollte Augustins in „De doctrina christiana“ formuliertes theologisches Bildungsprogramm in seinen „Institutiones“, seiner „Einführung in die geistlichen und weltlichen Wissenschaften“, weitervermitteln. Sein Einfluß auf die abendländische Bildung beruht vor allem darauf, daß er diese Wissenschaften im Unterschied zu Augustin in zwei voneinander getrennten Büchern vorstellte. Damit begann das Studium der weltlichen Wissenschaften, Augustin zum Trotz, ein Eigenleben zu entwickeln.

Klöster als Bildungszentren

An welchen Bildungsinstituten sollte, nach dem Zusammenbruch der Herrschaft Konstantinopels im Westen des Römischen Reiches, die inhaltliche wie methodische Vertiefung des Studiums aber zur Wirkung kommen? Den wichtigsten Ausgangspunkt für das Aufblühen der Wissenschaften im Mittelalter und die Entfaltung einer für das westliche Europa spezifischen Kultur überhaupt bildeten die Klosterschulen Benedikts von Nursia (ca. 480–547), der dritten herausragenden Persönlichkeit aus der Zeit der Ostgotenherrschaft. Daß gerade die Mönche Benedikts zu herausragenden Vermittlern antiken Denkens wurden, hängt mit seiner auf klare Ordnung bedachten Regel zusammen, die neben dem ausgeglichenen Nebeneinander von Gebet und Arbeit („ora et labora“) vor allem die „stabilitas loci“ zur Pflicht machte. Im Gegensatz zu dem früher vorherrschenden unsteten Eremitenleben wurden die Mönche auf das Bleiben an ihrem „Standort“ verpflichtet.

Wissenschaftspolitik Karls des Großen

Großen Einfluß auf das Werden der abendländisch-christlichen Kultur hatte nicht zuletzt eine kluge politische Entscheidung, die Karl der Große nach der Konsolidierung der Herrschaft der Franken traf. Für eine effiziente Ordnung des Großreichs und die außenpolitischen Kontakte bedurfte es der Heranbildung fähiger Staatsleute. Dafür war zunächst eine gründliche Einführung in die Regeln der Grammatik, Rhetorik und Dialektik erforderlich. Für dieses Studium und zunächst die handschriftliche Vervielfältigung der überlieferten Texte bot gerade die Ordenszucht in den Klosterschulen eine gute Voraussetzung.

Von Kloster- zu Kathedralschulen

In den gut organisierten Klöstern des hl. Benedikt hatte das Feudalsystem ökonomisch eine mächtige Stütze. Mit der verbesserten Bodenbewirtschaftung wurde hier aber auch ständig mehr Arbeitskraft für Gewerbe und Handel freigesetzt und damit die Ablösung der Feudalwirtschaft durch die Vorherrschaft des Bürgertums vorbereitet.

Urbanisierung des westlichen Europa

Der Schwerpunkt höherer Bildung verlagerte sich von den Kloster- auf die Kathedralschulen in Städten, die Schutz vor Überfällen und eine größere Freiheit von kirchlicher Zensur boten. Eine neue Klasse von Lernenden („Scholaren“) nutzte auf der Suche nach der effektivsten Wissensvermittlung die neuen Handelswege, die vor allem den Norden Italiens und der Iberischen Halbinsel mit dem heutigen Frankreich verbanden. In manchem vergleichbar mit den Sophisten, den ersten „freischaffenden“ Lehrern einer politischen Elite, kamen viele der an den Kathedralschulen lehrenden „Magister“ aufgrund ihrer rhetorischen und dialektischen Fähigkeiten zu hohem Ansehen.

„akademische Freiheit“

In dieser Zwischenphase bis zur Gründung der Universität in Paris erfolgten wichtige Schritte im Blick auf die Entstehung einer autonomen Philosophie aus der nun mit der Schärfe aristotelischer Logik ausgerüsteten „Kunst“ der Dialektik. Bedeutende Wegzeichen für die rationale Verantwortung des christlichen Glaubens setzte vor allem Anselm von Canterbury.

Einführung in die Fundamentaltheologie

Подняться наверх