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2. Herkunft und religionsgeschichtlicher Kontext der Fundamentaltheologie

a) Vorbedingungen von Seiten des Glaubens

Sonderstellung der monotheistischen Religionen

Eine rationale Glaubensverantwortung in dem bisher skizzierten Sinne gibt es nur in den drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam. Hier allein geht es um einen personal gedachten Gott, der ewig gültige und für alle verbindliche Worte an Menschen gerichtet hat. Auch in (früher als „primitiv“, heute im Anschluß an das englische Wort „primary“ als „primär“ bezeichneten) Stammesreligionen findet sich der Glaube an nur einen Hoch- oder Schöpfergott. Dieser spricht aber die Menschen nicht unmittelbar an, und Menschen können auch nur über die Vermittlung von göttlichen Zwischenwesen, vor allem durch Ahnengeister, Zugang zu seiner Lebenskraft gewinnen. In den östlichen Hochreligionen hingegen wird die oberste und allumfassende göttliche Kraft nicht personhaft vorgestellt. Sie kann zwar in Göttern, gleichsam als Chiffren des Absoluten, Gestalt annehmen. In schriftlich niedergelegten Offenbarungen kommt etwas von dessen Wesen zum Ausdruck. Jene Götter sind aber, was ihre Beziehung zum Absoluten angeht, im Prinzip auswechselbar, und diese Offenbarungen haben nicht den Charakter von unwandelbaren und nicht rückgängig zu machenden Äußerungen der allumfassenden Kraft.

Glaubensverpflichtung und Zwang

Eine erste Vorbedingung für das Entstehen einer rationalen Glaubensverantwortung ist, daß die unbedingt verpflichtende Offenbarung, die eine bestimmte Gruppe von ihrem Gott empfangen zu haben glaubt, von dieser als eine allen Menschen Heil verheißende wie alle in Pflicht nehmende Botschaft angesehen wird. Das allein reicht aber nicht hin, wie kurzschlüssige Folgerungen daraus gerade in den drei genannten monotheistischen Weltreligionen beweisen. Der Versuch, andere Menschen mit Feuer und Schwert zum wahren Gott zu bekehren, ist in der christlich geprägten Welt schließlich zwar einer milderen Variante „missionarischer“ Tätigkeit gewichen.

Evangelikalismus

Evangelikale kirchliche Gemeinschaften, die sich aus dem US-amerikanischen Puritanismus entwickelt haben, überziehen Länder der „Dritten Welt“ mit strategisch ausgeklügelten Bekehrungskampagnen. Dies geschieht vor allem in jenen Gebieten, die früher von europäischen Mächten in Begleitung von christlichen Missionaren „kolonialisiert“, d. h. „kulturfähig gemacht“ worden waren. Bei dieser Evangelisierung wird physische Gewalt durch psychische Manipulation ersetzt, etwa durch die Hypnotisierung von Massen auf mit enormem finanziellen Aufwand inszenierten Großveranstaltungen, die allen Teilnehmern die persönliche Erfahrung des Heiligen Geistes suggerieren. Auch diese Missionstätigkeit dient nicht zuletzt aber handfesten machtpolitischen Zwecken (s. II. 4c).

Freie Verantwortung vor Gott

Für das Zustandekommen einer rationalen Glaubensverantwortung muß als zweite, noch wichtigere Vorbedingung auf Seiten des Glaubenden das Bewußtsein einer freien Annahme dessen hinzutreten, wozu er sich verpflichtet fühlt. Nur nach dem Maße dieses Wissens um seine freie Verantwortlichkeit vor Gott wird der Glaubende mit der ihm aufgetragenen Heilsbotschaft auf andere Menschen als freie Gesprächspartner zugehen. Bereits hier stoßen wir auf eine grundlegende Problematik der monotheistischen Religionen, auf die sie im Verlauf ihrer Geschichte unterschiedliche Antworten gegeben haben: Wie kann ein von dem allmächtigen Gott gewährtes Heil, das zugleich mit Gehorsam fordernden Weisungen verbunden ist, den damit Beschenkten noch die Möglichkeit belassen, „Ja oder Nein“ dazu zu sagen? Diese Frage war in Israel von Anfang an mit dem Bundesschluß gegeben, auf den wir hier kurz zur Verdeutlichung der grundsätzlichen Problematik eingehen.

Der Bund Gottes mit Israel

Jahwe, der Gott Israels, führt das von ihm erwählte Volk aus Ägypten, dem „Haus der Knechtschaft“ (Exodus), in ein Land, „in dem Milch und Honig fließen“ (Ex 3,8). Bald nach dem Beginn der Wanderung schließt er mit den Israeliten einen Bund, den die Bibel in vielen Varianten beschreibt. Einige dieser Berichte erinnern an Verträge, die im Alten Orient siegreiche Herrscher den von ihnen unterworfenen Völkern aufoktroyierten. Von einer freien Annahme solcher „Bundesschlüsse“ durch die Vasallen kann keine Rede sein. Ganz anders wird der Bundesschluß dargestellt, als der Einzug ins verheißene Land vollbracht ist: Josua, der Nachfolger des Mose, erneuert den Bund, indem er nach Aufzählung der vielen Wundertaten Gottes das Volk vor die Wahl stellt, Jahwe oder anderen Göttern zu dienen. Erst nach der ausdrücklichen Entscheidung der Israeliten für den einen Gott legt Josua den Inhalt des Vertrags in der Tora, dem Buch der Weisungen Gottes, schriftlich nieder (Jos 24). Das Maß an Freiheit, das der allmächtige Gott unter Einsatz seiner ganzen Liebeskraft Menschen bei diesem Bund einräumt, findet sich packend im Buch Hosea dargestellt (Hos 1–3, bes. 2,18–25; vgl. 115: S. 32–34).

Angstfreier Dialog und denkender Glaube

Nur wenn der Glaube eine freie Antwort auf das Wort Gottes ist, wenn der Glaubende überzeugt ist, aus guten Gründen Ja gesagt zu haben, kann er seinen Glauben auch vor anderen Menschen verantworten. Nur dann kann er sich angstfrei ihrem Denken und Fragen aussetzen und ihnen damit zugleich Mut machen, sich auf das ihn selbst in Anspruch nehmende Wort einzulassen. Diese notwendige Voraussetzung für eine glaubwürdige Fundamentaltheologie begründet sie aber noch nicht hinreichend im Sinne einer rationalen Glaubensverantwortung vor allen Menschen. Wer weiß, ob die den einen überzeugenden Gründe auch vom anderen als überzeugend empfunden werden? Der Mensch spricht und handelt doch immer aus einem geschichtlich und sprachlich bedingten Erfahrungshorizont heraus. Nur wenn bei dem ihm begegnenden Anderen ein ähnlicher Horizont gegeben ist oder sich im Dialog auftut, wird er von diesem verstanden werden. Über ein solches, durch ein je verschiedenes Hier und Heute begrenztes Verstehen kann nicht die Einsicht vermittelt werden, daß eine bestimmte, von Gott ergangene Offenbarung alle Menschen unbedingt verpflichtet. Wenn es aber keine Möglichkeit gibt, die Unbedingtheit des Wortes Gottes glaubwürdig vor allen Menschen zu vertreten, werden sich tief im Glaubenden selbst Unsicherheit und Angst melden, sobald er sich den Ansichten anderer aussetzt. Er wird es dann vorziehen, prophylaktisch ein Immunsystem ihren bohrenden Fragen gegenüber zu entwickeln. Und sollte ihm der andere doch zu nahe rücken, so wird er auf nicht-rationale und Freiheit versperrende Mittel zurückgreifen, um ihn von sich fernzuhalten. Solange den Menschen ein bloß gefühltes Absolutes im Bann hält, das noch nicht sein „Denken erobert“ hat (vgl. „con-vince“ = überzeugen) und diesem sogar prinzipiell fremd bleibt, neigt er dazu, anderen gegenüber aggressiv aufzutreten oder sich zumindest in sein religiöses Schneckenhaus zurückzuziehen.

Einführung in die Fundamentaltheologie

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