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Einleitung

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Die hier vorgelegte, neu konzipierte Ausgabe der „Einführung in die Fundamentaltheologie“ soll Studierenden der Theologie und theologisch Interessierten allgemein einen Zugang zu den wichtigsten Fragen eines sich vor dem kritischen Denken verantwortenden Glaubens vermitteln. Insbesondere stellt sie sich schwerwiegenden Herausforderungen an die Theologie, die in den letzten Jahrzehnten erwachsen sind.

Religion und Politik

1. Weltpolitische Umwälzungen. Die Zerstörung des World Trade Centers am 11. September 2001 und die darauf gegebenen kriegerischen Antworten haben unerbittlich vor Augen geführt, daß die entscheidenden Drahtzieher der Weltpolitik und die um die Durchsetzung des Völkerrechts bemühten Institutionen sehr bald vielleicht nicht mehr in der Lage sein werden, die Erde vor einer durch antagonistische Kräfte herbeigeführten Verwüstung zu bewahren. Diese aufeinanderprallenden Mächte stellen nicht zuletzt dadurch eine Bedrohung dar, daß sie für ihre Zwecke religiöse Motive bedenkenlos instrumentalisieren.

Theologie der Religionen

Damit werden die theologischen Zentren der Weltreligionen vor Aufgaben gestellt, für deren Bewältigung sie noch kaum gerüstet sind. Die christliche Theologie beschäftigt sich zwar schon seit einiger Zeit verstärkt mit religionsgeschichtlichen Fragen. Sie legt Entwürfe einer „Theologie der Religionen“ vor, hat den ökumenischen Dialog auf interreligiöse Fragestellungen ausgeweitet und ringt im Gespräch mit führenden Vertretern anderer Religionen um einen Konsens über allgemeinverbindliche sittliche Normen, um die Formulierung eines „Weltethos“.

Weltethos

Diese zumeist auf hohem akademischem Niveau unternommenen Bemühungen sind zu ihrem Gelingen weitgehend auf günstige politische Konstellationen angewiesen. Bei denen, die für die Ausübung von Gewalt unter religiösen Vorwänden verantwortlich sind, stoßen sie kaum auf Interesse. Wo sie außerhalb der Stätten höherer Bildung überhaupt wahrgenommen werden, gelten sie – vor allem im Nahen und Mittleren Osten – oft sogar als ein Zeichen der für die „nachchristliche“ westliche Hemisphäre typischen Dekadenz: Ein alles relativierendes Reden über religiös Verbindliches sei an die Stelle von dessen engagiertem Vollzug selbst getreten; die Staaten, in denen solche anspruchsvollen Diskurse über ethische Grundhaltungen stattfinden, bedienten sich dieser Dialoge im Grunde nur zur Kaschierung jener rücksichtslosen Ausbeutung von Energieressourcen und Rohstoffen, mit der sie die „Dritte Welt“ unter ihre Abhängigkeit bringen.

Zwei Aufgaben:

Angesichts dieser bedrückenden Wirklichkeit ergeben sich für die Fundamentaltheologie vor allem zwei Aufgaben.

1) Geschichtliche Hintergründe

Um der machtpolitischen Funktionalisierung religiöser Vorstellungen wirksam begegnen zu können, müssen zunächst die geschichtlichen Hintergründe präzise analysiert werden, die einen solchen Mißbrauch in seinen verschiedenen Varianten herbeigeführt bzw. zumindest ermöglicht haben.

2) rationale Verantwortung des Glaubens

Die zweite der sich hier stellenden Aufgaben war im frühen Christentum für die Theologie generell zentral. Es galt, vom Innersten des christlichen Glaubens her seine aller Vernunft einsichtige Basis zu erkunden und sie vor den Angehörigen anderer Religionen angst- und aggressionsfrei zu vertreten. Statt dessen wird heute zu einem „allseits offenen Dialog“ aufgefordert. Zu diesem Zwecke müßten prinzipiell alle Wahrheitsannahmen, mit denen man selbst in diesen Dialog geht, ständig revisionsbereit sein. Damit ist aber noch nicht einmal der Vorbegriff dessen kritisch gesichert, was man für einen „offenen Dialog“ hält. Tritt man für die zumindest als Gesprächsbasis anzunehmende gleiche Gültigkeit aller weltanschaulichen Annahmen ein, dann mutiert solche Offenheit leicht zur Gleichgültigkeit demgegenüber, was den anderen in seinem Innersten bewegt. Wer solche in einer dem freien Markt verpflichteten „affluent society“ eingespielten Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen wagt, steht vor keiner leichten Aufgabe. Diese ist aber unverzichtbar, wenn der christliche Glaube wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen will, nicht zuletzt in der muslimischen Welt.

Von der Aufklärung bis zu Karl Barth

2. Sackgassen der akademischen Theologie. In keinem anderen Land der Welt hat es bisher günstigere Vorbedingungen für eine akademisch betriebene, kritische Theologie gegeben als in Deutschland seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Hier hatte die verspätet einsetzende Aufklärung vor allem in Preußen durch einschneidende Maßnahmen Friedrichs des Großen zu einem besonders intensiven, wenn auch spannungsreichen Gedankenaustausch zwischen Theologie und Philosophie geführt. Darüber hinaus wurde wie nie zuvor der historischen Untersuchung der Heiligen Schrift an den Universitäten Raum gegeben. Die Bibelkritik, und hier besonders die Rückfrage nach dem „historischen Jesus“, stellte bislang als sicher geltende Lehren und damit auch die darauf basierende kirchliche Verkündigung von Grund auf in Frage.

In vielen Teilen Deutschlands wurde auch die katholische Theologie von dieser Bewegung ergriffen. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts erging nach den durch Napoleon herbeigeführten Umwälzungen die Verfügung, daß die theologische Ausbildung nur noch an den staatlichen Universitäten zu erfolgen hatte. Besonders an den Universitäten Tübingen, Freiburg i. Br. und Bonn kam es zu einer intensiven Beschäftigung katholischer Theologen mit dem „Geist der Moderne“, der im protestantischen Raum bereits einen festen Platz gefunden hatte. Nicht zuletzt aufgrund der preußischen Machtpolitik wurde der Katholizismus aber bald wieder in seine Abschottung gegenüber neuzeitlichen Entwicklungen zurückgeworfen. Der Deutsch-Französische Krieg von 1870–1871 hatte im katholischen Raum große strukturelle Veränderungen zur Folge (Kirchenstaat). Er trug zu vorschnellen Entscheidungen bei (Abbruch des Ersten Vatikanischen Konzils, 1869–1870) und letztendlich auch zu der starren Haltung Roms im Antimodernismusstreit. Die positiven Stellungnahmen preußischer Theologen zum Ersten Weltkrieg brachte dann aber auch in den evangelischen bzw. reformierten Kirchen den Liberalen Protestantismus in Verruf, der sich mit dem engstirnigen Nationalismus jener Theologen verband. Unter der Führung Karl Barths erhob sich die Dialektische Theologie mit ihrem gleichzeitigen Nein zur petrifizierten katholischen Scholastik und zur protestantischen Theologie des 19. Jahrhunderts.

Neue Rückfrage nach Jesus

Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann diese Dialektische Theologie zunächst an Ansehen, weil besonders ihre Vertreter als Wortführer der Bekennenden Kirche (z. B. Dietrich Bonhoeffer, Karl Barth, Rudolf Bultmann) die Kraft christlicher Verkündigung gegenüber dem totalitären Regime des Nationalsozialismus bewiesen hatten. Bereits seit dem Beginn der fünfziger Jahre erhob sich aber Kritik an der Art und Weise, wie in der Dialektischen Theologie das Verhältnis zwischen Glaube und säkularer Vernunft bestimmt worden war. In einer „Neuen Rückfrage nach dem historischen Jesus“ luden in der Kirche angesehene Schüler Bultmanns dazu ein, dem „verkündigten Christus“ zwar weiterhin eine unerschütterliche Zustimmung des Glaubens zu geben, gleichzeitig aber danach Ausschau zu halten, was die Exegese jeweils als neueste Ergebnisse der Rückfrage nach dem „wirklichen Jesus der Geschichte“ zutage förderte. Auf diese Weise wurde der Zusammenhang zwischen zwei Grundpfeilern des Protestantismus, „allein der Glaube“ („sola fides“) und „allein die (Heilige) Schrift“ („sola scriptura“), zur offenen Frage.

Rückzug aus dem Kirchenraum

Das „Fußvolk“ der protestantischen Kirchen hatte sich bereits seit dem 19. Jahrhundert ein gewisses Immunsystem gegen Turbulenzen auf der Ebene akademischer Theologie geschaffen. Es dauerte eine geraume Weile, bis auch in der Sonntagspredigt unverkennbar wurde, in welche Verwirrung die Verkündiger des Wortes geraten waren. Langsam aber stetig begann der Rückzug aus dem Kirchenraum. Im Katholizismus hingegen hat eine in manchem ähnliche Entwicklung erheblich größeres Aufsehen erregt. Theologen, die festgefahrene Vorstellungen zu durchbrechen wagten, wurden zwar noch bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus streng gemaßregelt. Als dann Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) nicht zuletzt mit dem Ziel einer gegenseitigen Verständigung zwischen den Vertretern dieser Neuaufbrüche und den Verfechtern „der Tradition“ einberief, horchte die ganze christliche Welt auf. Schon in den letzten Konzilsphasen, vor allem aber in den Jahrzehnten danach wich dieses Erstaunen aber einer allgemeinen Ernüchterung und schließlich Enttäuschung. In rascher Folge wechselten tiefgreifende, im Blick auf mögliche Konsequenzen jedoch wenig reflektierte theologische Neuansätze, die ihrerseits sich ständig verhärtende Reaktionen in Rom hervorriefen. Die innerkirchliche Polarisierung wurde nachhaltig dadurch vorangetrieben, daß umstrittene Theologen sich zum Spielball der öffentlichen Medien machen ließen. Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts war ein dem Protestantismus wie dem Katholizismus gemeinsames Phänomen zu beobachten: mit einer wachsenden Menge von durch ein Universitätsstudium qualifizierten Theologen ging eine ständig abnehmende Zahl von Kirchenbesuchern einher.

Aktuelle Desiderate

Auch aus dieser Problematik ergibt sich sowohl eine historische wie eine systematische Aufgabe: Zum einen ist es nötig, möglichst genau die geschichtlichen Gründe der gegenwärtigen Situation zu erfassen, die dem Ansehen der Theologie und noch mehr dem lebendigen Miteinander in den christlichen Gemeinden schadet. Zum anderen ist dringend gefordert, ohne Rücksicht auf noch immer bestehende oder zumindest nachwirkende Frontenbildungen an die Lösung der unbewältigten Probleme zu gehen, besonders der Frage nach dem Verhältnis von historischer Exegese und systematischer Theologie.

Theologische Wissenschaft „nach Bologna“

3. Theologie und Universitätsreform. Nach einer gemeinsamen Absprache zwischen den Bildungsministern Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Großbritanniens wurde 1999 mit dem „Bologna-Prozeß“ eine europäische Studienreform in Gang gesetzt, die vor allem für das deutsche Universitätswesen einschneidende Veränderungen zur Folge hat. Ein Kernpunkt der Reform ist die (Wieder-)Einführung eines Überbleibsels aus dem Mittelalter, nämlich des Hochschulgrades „Baccalaureus Artium“, anglisiert: „Bachelor of Arts“ (B.A.), dem 1820 im Zuge der Humboldtschen Universitätsreform der Abschied erteilt worden war. Zu den wichtigsten Zielen des Bologna-Prozesses zählen Mobilität und internationale Wettbewerbs- bzw. Beschäftigungsfähigkeit. Das Bachelor-Studium wird sich daher von dem bisherigen Grundstudium der Theologie vor allem dadurch unterscheiden, daß es mit einem „berufsqualifizierenden Abschluß“, nicht einem bloßen Vor-Diplom o. ä. endet. Darüber hinaus ist aufgrund der Diskussionen im Verlauf des Bologna-Prozesses die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß, analog zu den „undergraduate studies“ an katholischen Universitäten bzw. „Colleges“ der USA, das Bachelor-Studium Elemente („Module“) aus mehreren geisteswissenschaftlichen Fächern umfassen und erst in seiner letzten Phase speziell auf die Theologie (oder ein anderes Fach) ausgerichtet sein wird. Dies wäre jedenfalls im Sinne der weitgehend ökonomischen Zielsetzung jener europäischen Reformbewegung.

Der skizzierten Umstrukturierung des Theologiestudiums entsprechend, werden in dieser „Einführung“ inhaltlich wie didaktisch bestimmte Vorentscheidungen getroffen:

1 Bachelor-StudiengangSchwerpunktmäßig wird es um Fragen gehen, auf die sich der Bachelor-Studiengang konzentriert bzw. konzentrieren sollte. Manche Themen, die jahrhundertelang im Mittelpunkt der „Apologetik“ standen – wie die Legitimation der eigenen Konfession als der allein von Jesus Christus intendierten –, rücken auf diese Weise in den Hintergrund. Diese Entscheidung ist zugleich im Sinne der konsequent ökumenischen Ausrichtung der Reihe „Einführung in die Theologie“.

2 Probleme der „Modularisierung“Der modularisierte, auf den B. A. hinführende Studiengang hat unter dem Gesichtspunkt einer umfassenden Information den Vorteil, daß jeweils Vertreter verschiedener Fächer für die Inhalte eines Moduls verantwortlich zeichnen. Daraus ergibt sich allerdings ein Problem der Hermeneutik, das vorher nicht im gleichen Maße zum Tragen kam. Bei dieser Art der Wissensvermittlung werden Ergebnisse zusammengeführt, die auf der Basis von zumeist unterschiedlichen Vorverständnissen der zu behandelnden Sache erarbeitet wurden. Diesem Problem soll die hier vorgelegte „Einführung“ dadurch begegnen, daß aus einer einheitlichen Perspektive gleichsam ein „Roter Faden“ durch die für eine rationale Glaubensverantwortung grundlegenden Fragen gezogen wird.

3 InterdisziplinaritätIm Hinblick auf die Möglichkeit, daß es zumindest an einigen Universitäten zu einem Bachelor-Studiengang kommt, an dem verschiedene geistes- |15|und sozialwissenschaftliche Fächer beteiligt sind, erscheint es von Nutzen, daß in der hier vorgelegten „Einführung“ theologische Fragen unter Berücksichtigung der geschichtlichen, soziologischen und politischen Aspekte angegangen werden, die zu ihrem angemessenen Verständnis ohnehin unerläßlich sind.

Einführung in die Fundamentaltheologie

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