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3.3Wirtschaftliche Produktion und Produktionsfaktoren

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Die Vielfalt menschlicher Bedürfnisse und die daraus erwachsende Nachfrage nach unterschiedlichen Qualitäten von Gütern führt dazu, dass eine Vielfalt von Produktionsprozessen zu organisieren ist, wobei unterschiedliche Produktionsfaktoren zum Einsatz kommen und in die Produktions- und Verteilungskreisläufe eingehen. Dabei ist festzustellen, dass sich unterschiedliche Spezialisierungen und räumliche Disparitäten herausbilden. In der wirtschaftlichen Produktion wird zwischen einem Primär-, einem Sekundär- und einem Tertiärsektor unterschieden (Voppel 1999, Kap. 3). Der Primärsektor setzt sich zusammen aus Bergbau, Landwirtschaft, Forstwirtschaft sowie Jagd und Fischerei. Er liefert Rohstoffe an den Sekundärsektor, der diese in Industrie- und Handwerksbetrieben weiterverarbeitet. Industrie und Handwerk liefern schließlich Fertigprodukte an den Tertiärsektor, den Großhandel und den Einzelhandel, der diese an Konsumenten weiterverkauft. Während im Dreisektorenmodell produktionsorientierte und wissensintensive Dienstleistungen ebenso wie die funktionalen Verflechtungen zwischen den einzelnen wirtschaftlichen Prozessen nur unzureichend berücksichtigt werden, eröffnet das Konzept des Produktionssystems eine explizit funktionale Perspektive auf die wechselseitigen Beziehungen über den gesamten Wertschöpfungsprozess hinweg (Glückler et al. 2015). Das Produktionssystem beschränkt sich nicht nur auf den Transformationsprozess von Inputs zu Outputs (→ Abb. 3.5 a), sondern umfasst als interdependentes System (→ Abb. 3.5 b) die Beziehungen zwischen fünf elementaren „Rollen“ bzw. Funktionen (Bailly et al. 1987; Dicken und Lloyd 1990): Die Produktion beinhaltet die Transformation von Rohstoffen und Zwischenprodukten in Endprodukte. Die Zirkulation erfasst alle unterstützenden Dienstleistungen im Zuge der Herstellung und Bereitstellung der Güter, wie z.B. Finanz-, Transport- und Kommunikationsdienstleistungen. Die Distribution betrifft die Verteilung und Bereitstellung von Gütern z. B. über Einzelhandelssysteme an die Verbraucher. Die Funktion der Regulation beinhaltet die zur Koordination all der arbeitsteiligen Aktivitäten notwendigen Gesetze, Regeln, Standards und Praktiken. Schließlich stoßen die Güter auf den Konsum bzw. die Endnachfrage.


Abb. 3.5 Prozess und System der Produktion (nach Bailly et al. 1987, S. 50; Dicken und Lloyd 1990, S. 7)

Ausgangspunkt der Analyse eines Produktionssystems ist oftmals eine Produktions- bzw. Wertschöpfungskette, in der einem Produkt stufenweise neue Werte hinzugefügt werden. Der Beitrag der Wirtschaftsgeographie bei der Untersuchung der fünf Funktionen im Produktionssystem besteht darin, die Organisation der Wertschöpfung aus räumlicher Perspektive zu beschreiben, zu erklären und den Einfluss ihrer funktionalen Arbeitsteilung auf soziale und ökonomische Prozesse in räumlichen Kontexten zu untersuchen. So zeigt die empirische Analyse des Strukturwandels z.B. in Süddeutschland einerseits die stetig steigende Bedeutung der Zirkulation im Verhältnis zu den übrigen Funktionen des Produktionssystems. Andererseits belegt die Analyse aber auch, dass gerade die Regionen in Süddeutschland am stärksten wachsen, in denen Produktion und Zirkulation gekoppelt bzw. miteinander verflochten sind (Glückler et al. 2015). Grundlage aller Wertschöpfungsketten bilden die Produktionsfaktoren. Sie umfassen in der volkswirtschaftlichen Analyse Boden (natürliche Ressourcen), Arbeit und Kapital (Sach- und Humankapital) (z. B. Healey und Ilvery 1990, Kap. 4; Bontrup 1998, Kap. 2.1 bis 2.9). Die neuere soziologische Debatte unterscheidet neben Sach- und Humankapital als weitere Kapitalform das soziale Kapital, das die Gesamtheit der Gelegenheiten aus sozialen Beziehungen widerspiegelt (→ Kap. 7.3.3).

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