Читать книгу Wirtschaftsgeographie - Harald Bathelt - Страница 32
3.3.4Relationale Sichtweise von Ressourcen
ОглавлениеDer Einsatz von Produktionsfaktoren allein kann nicht die große Heterogenität von Strategien und technologischen Entwicklungen von Unternehmen in räumlich differenzierten Produktionskontexten erklären. Strategische Differenzierung, Innovativität, Organisation und letztlich der Erfolg von Unternehmen wird weniger von den Produktionsfaktoren per se bestimmt, sondern vielmehr von der kreativen Verwendung und Kombination dieser Faktoren. Daher steht in einer relationalen Perspektive nicht die Ressource als unteilbarer Faktor im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern die Möglichkeit, sie unterschiedlichen Verwendungen zuzuführen (Glückler und Bathelt 2003). Eine Ressource ist mit Penrose (1959) definiert als Bündel potenzieller Verwendungen. Die Unterscheidung zwischen Ressourcen und ihren Verwendungen ist erforderlich, denn Ressourcen können zwar unabhängig von ihrer Verwendung beschrieben und erworben werden, aber es sind erst die spezifischen Verwendungen, die als eigentliche Inputs in den Produktionsprozess eingehen, den Wert der Ressource ausmachen und zur Basis der Wettbewerbsfähigkeit werden.
So ist Erdöl zwar weltweit der wichtigste Rohstoff zur Primärenergiegewinnung, jedoch fließen nur etwa 80 % des Erdöls in die energetische Nutzung für Wärme und Kraftstoff. Der restliche Teil wird zur Herstellung unterschiedlichster Erzeugnisse speziell in der Petrochemie oder der pharmazeutischen Industrie genutzt. Etwa 90 % der Produktion organischer Chemikalien basieren auf Kohlenwasserstoffen, die aus Erdöl gewonnen werden. So dient Erdöl zur Herstellung von Kunststoffen, Lösungs-, Schmier- und Waschmitteln, Medikamenten und Farben. Schließlich wird Erdöl auch als Baustoff zur Herstellung von Asphalt, Dachpappen oder Schutzanstrichen benutzt (Amecke 1987; Chapman 1991; MWV 1996). Unternehmen nutzen spezifisches Wissen, Marktgelegenheiten und zusätzliche Ressourcen, um die Ressource Erdöl in eine ertragreiche Verwendung zu übertragen. Ohne diese Verwendung lässt sich wenig über die Wettbewerbsfähigkeit oder den Profit eines Unternehmens aussagen (Glückler und Bathelt 2003). Penrose (1997, S. 31) wählt den Begriff der Ressource vor allem deshalb, weil der klassische Begriff des Produktionsfaktors keine Unterscheidung trifft zwischen der Ressource und dem produktiven Dienst, der durch diese Ressource erzielt wird: „Strictly speaking, it is never resources themselves that are ‘inputs’ in the production process, but only the services that the resources can render“.
In relationaler Perspektive werden neben den klassischen Produktionsfaktoren auch andere Ressourcen betrachtet, die in interaktiven, häufig unternehmensübergreifenden Prozessen erzeugt, bewertet und spezifischen Verwendungen zugeführt werden. Die Ressourcen selbst determinieren somit keine spezifische Verwertung, sondern sie bilden hinsichtlich ihrer Nutzung die Grundlage für kontextualisierte und kontingente Entscheidungen. Um etwa die Wettbewerbsfähigkeit oder strategische Optionen zu bestimmen, muss der Blick nicht auf die Ressourcen selbst, sondern auf den sozialen und institutionellen Kontext der möglichen Verwendungen gelenkt werden (Penrose 1959). Einige Ressourcen sind dahingehend relational, dass keine individuellen Eigentums- oder Verfügungsrechte für sie bestehen oder erworben werden können. Nicht die Ressourcen selbst, sondern nur ihre potenziellen Erträge können einzelnen Personen oder Unternehmen zugerechnet werden, wie die Beispiele von Sozialkapital (→ Kap. 7.3), Wissen und Macht (→ Kap. 8 und 11.3) deutlich machen. Die Erträge sind wiederum abhängig vom Handeln der beteiligten Akteure und dem jeweiligen institutionellen Kontext.
Diese relationale Sichtweise hat Konsequenzen für das Unternehmensverständnis, wie das Beispiel materieller Ressourcen zeigt. So werden Unternehmen traditionell über Outputs, d. h. über ihre Produkte, definiert. In einer ressourcenorientierten Perspektive (resource-based view) werden hingegen gerade die Inputs betrachtet. Unternehmen werden hierbei als Bündel von Ressourcen aufgefasst und über ihr jeweils spezifisches Ressourcenprofil beschrieben (Mahoney und Pandian 1992). Wenn man Unternehmen auf diese Weise betrachtet, stellt sich die Frage, unter welchen Verwendungen bestimmte Ressourcenprofile positiv auf die Gewinnsituation bzw. Wettbewerbsfähigkeit wirken (Wernerfelt 1984). Erst durch die analytische Trennung zwischen einer Ressource und der Vielzahl ihrer möglichen Verwendungen lässt sich die Heterogenität und strategische Einzigartigkeit von Unternehmen erklären.
Ressourcen sind nicht nur Bündel möglicher Verwendungen, sondern zugleich Quellen möglicher Gewinne. Unternehmen erzielen nicht notwendigerweise deshalb höhere Gewinne, weil sie bessere Ressourcen haben, sondern auch, weil sie bestehende Ressourcen besser oder anders nutzen können als andere (Maskell 2001 a). Unternehmen sind stets auf der Suche nach der Erschließung höherer Gewinne oder Renten, wobei vier Typen von Renten unterschieden werden können (Mahoney und Pandian 1992):
(1) Die Ricardianische Rente bezieht sich auf Gewinne aus dem Besitz immobiler Ressourcen, wie z. B. dem Boden. Nach Ricardo (1996 [1817], S. 45) handelt es sich dabei um „that portion of the produce of the earth which is paid to the landlord for the use of the original and indestructible powers of the soil“.
(2) Monopolrenten beziehen sich auf höhere Gewinne, die aufgrund einer Monopolsituation etwa durch staatlichen Schutz (z. B. Patentschutz) oder durch Kollusion in einem oligopolistischen Markt ermöglicht werden.
(3) Die Unternehmerrente oder Schumpeter’sche Rente ist eine temporäre Monopolrente, die sich auf Gewinne aus einem kurzfristigen Technologie- oder Wettbewerbsvorsprung bezieht. Durch Nachahmung reduziert sich die Unternehmerrente im Zeitablauf und ist somit nicht dauerhaft gesichert.
(4) Unternehmen können aber auch Renten aus unternehmensspezifischen Ressourcen schöpfen. Dabei handelt es sich um Quasi-Renten. Eine Quasi-Rente ist definiert als Differenzbetrag der Gewinne zwischen der erstbesten und der zweitbesten Nutzung einer Ressource (Mahoney und Pandian 1992). Quasi-Renten können aus einmaligen oder spezifischen Ressourcen sowohl materieller als auch immaterieller Art gewonnen werden.
Ein relationaler Ressourcenbegriff bezieht sich auf die Vielfältigkeit möglicher Nutzungen einer Ressource, wobei die spezifische Verwendung nicht nur von der Ressource selbst, sondern gleichzeitig von weiteren Rahmenbedingungen abhängt:
(1) Unternehmensspezifische Kompetenzen. Ein Unternehmen hat jeweils einen spezifischen Wissensstand, Fähigkeiten und Erfahrungen, die dazu führen, dass bestimmte Verwendungen einer Ressource identifiziert werden. Erst diese Kompetenzen ermöglichen es, Ressourcen auf bestimmte Weise in den Produktionsprozess einzubinden und so zu einer Verwendung zu gelangen. Das Wissen und die Kompetenzen des Unternehmens können dabei wiederum selbst als Ressourcen aufgefasst werden (Amin und Cohendet 2004).
(2) Mentales Modell. Die Kompetenzen eines Unternehmens sind Ausdruck und Bestandteil eines übergeordneten Interpretationsrahmens bzw. mentalen Modells (dominant logic) (Prahalad und Bettis 1986). Dieser Interpretationsrahmen gibt dem Einsatz der vorhandenen Kompetenzen eine Orientierung und ermöglicht ein gemeinsames Verständnis über die Wissensinhalte. Die Interpretationen, die Mitarbeiter den unternehmensinternen und -übergreifenden Informationsflüssen verleihen, haben dabei Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Sie sind abhängig von den evolutionär geformten Routinen, mit denen neue Informationen verarbeitet, interpretiert und in Aktionen umgesetzt werden. Nelson und Winter (1982) erkennen in den organisatorischen Routinen die eigentlichen Fähigkeiten eines Unternehmens. Nur in dem Maße, in dem neue Interpretationsschemata entwickelt und verbreitet werden, kann bestehendes Wissen umgewidmet und zur Bildung neuen Wissens sowie zur innovativen Nutzung bestehender Ressourcen genutzt werden (Becker 2004).
(3) Marktgelegenheiten. Schließlich hängt die Realisierung einer innovativen Verwendung auch von den Marktgelegenheiten ab (productive opportunity) (Penrose 1959), unter denen spezifische Kompetenzen kombiniert und abgestimmt werden, um erfolgreich zu sein. Diese Gelegenheiten sind von der Wettbewerbssituation, der Nachfragestruktur und dem Umfeld vor- und nachgelagerter Unternehmen abhängig, die in der Lage sind, innovative Ressourcenverwendungen vorzubereiten und weiterzuverarbeiten.
Diese Sicht verdeutlicht, dass die Ausstattung mit materiellen Ressourcen keineswegs ausreicht, um die Produkte, Strategien, kollektiven Fähigkeiten und den Entwicklungspfad eines Unternehmens zu erklären. Entscheidend ist vielmehr die geeignete Kombination von Ressourcen, Kompetenzen, mentalen Modellen, Marktgelegenheiten sowie institutionellen Kontexten, um Ressourcen produktiv und innovativ zu verwenden und somit die Wettbewerbsstellung zu stärken.