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III. Besitzrecht

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Das Besitzrecht stellt teilweise auf rein tatsächliche Umstände ab (Besitz ist die tatsächliche Gewalt), behandelt den Besitz aber teilweise wie eine abstrakte Rechtsbeziehung, die auch von den Beteiligten gestaltbar ist (s. etwa zum mittelbaren Besitz § 868 und Rn 32).

Der unmittelbare Besitz besteht in der tatsächlichen Sachgewalt. Ihr Erwerb und Verlust bedeuten Erwerb und Verlust des unmittelbaren Besitzes, §§ 854, 856. Die Einigung zwischen dem Besitzer und dem Erwerber über den Besitzerwerb reicht aus, wenn der Erwerber in der Lage ist, die tatsächliche Sachgewalt auszuüben, § 854 Abs. 2.

Von der Art, in der die tatsächliche Sachgewalt erworben wird, hängt der Besitzerwerb nicht ab. „Übergabe“ iSd Verfügungstatbestände (zB §§ 929, 1205) ist das einverständliche Geben und Nehmen; der mittels verbotener Eigenmacht (zum Begriff Rn 47) erlangte Besitz ist fehlerhaft, zu den Folgen vgl. §§ 858, 861.

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Tatsächliche Sachherrschaft übt auch der Besitzdiener aus; das ist derjenige, der für einen anderen in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis tätig ist. Alle besitzrechtlichen Folgen treten dann nur beim Besitzherrn ein, der Besitzdiener ist nicht Besitzer, § 855. Weigert sich der Besitzdiener, dem Besitzherrn die Sache herauszugeben, begeht er verbotene Eigenmacht und setzt sich den Folgen der §§ 858, 861 aus.

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Der mittelbare Besitz gem. § 868 setzt unmittelbaren Besitz des Besitzmittlers und ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen ihm und dem mittelbaren Besitzer voraus. Das Besitzmittlungsverhältnis muss ein genügend konkret auf die Sache bezogenes Verhältnis (nicht unbedingt ein gültiges Rechtsverhältnis) sein, das dem mittelbaren Besitzer durch seinen Einfluss auf das Verhalten des unmittelbaren Besitzers, nämlich des Besitzmittlers, Einwirkungsmöglichkeiten in Bezug auf die Sache gibt. Der mittelbare muss gegen den unmittelbaren Besitzer einen Herausgabeanspruch haben (vgl. zum mittelbaren Besitz Rn 34). Der mittelbare Besitz beruht auf dem Willen des unmittelbaren Besitzers, für den mittelbaren Besitzer zu besitzen (sog. Fremdbesitzwille). Von dem Augenblick an, in dem der unmittelbare Besitzer nicht mehr für den mittelbaren besitzen will, also für sich selbst oder für einen anderen mittelbaren Besitzer die Sachherrschaft ausübt, endet der mittelbare Besitz des bisherigen Berechtigten.

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Der mittelbare Besitz wird dadurch erworben, dass seine Voraussetzungen, dh Besitz des unmittelbaren Besitzers und das Besitzmittlungsverhältnis, geschaffen werden; er geht unter, wenn nur eines dieser Merkmale entfällt. Übertragen wird der mittelbare Besitz durch Abtretung des Herausgabeanspruchs, § 870. Die Abtretung richtet sich nach §§ 398 ff.

Wenn im Gesetz nichts Besonderes normiert ist, steht der mittelbare Besitz dem unmittelbaren gleich, beide sind Besitz iSd Gesetzes.

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Mittelbarer Besitz und Ausübung der Sachgewalt durch einen Besitzdiener unterscheiden sich scharf: Beim mittelbaren Besitz sind der mittelbare Besitzer und der unmittelbare Besitzer Besitzer im Rechtssinn, der Besitz ist gewissermaßen verdoppelt; im Fall des § 855 ist nur der Besitzherr Besitzer. Beim mittelbaren Besitz hat der mittelbare Besitzer einen Anspruch gegen den unmittelbaren auf ein dem Besitzmittlungsverhältnis entsprechendes Verhalten, im Fall des § 855 hat er sogar ein Anweisungsrecht, dem der Besitzdiener kraft seiner Abhängigkeit unterworfen ist.

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Ein Alleinbesitzer übt die tatsächliche Sachgewalt allein aus; bei Mitbesitz kann jeder für sich (einfacher Mitbesitz) oder können nur die Mitbesitzer zusammen die Sachgewalt ausüben (sog. qualifizierter Mitbesitz), § 866.

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Die Funktion des Besitzes besteht auch heute noch hauptsächlich darin, den Rechtsfrieden zu sichern und Interessen an der Sache, die nicht in der Form eines dinglichen Rechts an der Sache anerkannt sind, zu schützen. Zu diesem Zweck gibt es einen eigenständigen Besitzschutz in Gestalt sog. possessorischer Ansprüche. Geschützt wird – und zwar auch mit dem Herausgabeanspruch des § 861 – der Besitz als tatsächliche Situation; bedeutsam ist das vor allem für den nur schuldrechtlich zum Besitz berechtigten Besitzer: Der Mieter, dem die Sache fortgenommen wird, hat kein gegenüber Dritten wirkendes Recht zum Besitz, wohl aber gegen den fehlerhaften Besitzer den Anspruch auf Herausgabe aus § 861 und – wichtiger – gegen den Störer aus § 862. Dieser Anspruch entspricht dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des Eigentümers gegen einen Störer aus § 1004.

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Fehlerhaft ist der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz. Das ist der Besitz, der durch einen nicht gerechtfertigten Eingriff erlangt ist. Dabei kommt es nicht auf das Recht zum Besitz, sondern auf das Recht zu dem Eingriff an, § 858. Gegen verbotene Eigenmacht kann sich der Besitzer mit Selbsthilfe (Besitzwehr) und in den Grenzen des § 859 Abs. 2 und 3 auch durch sog. Besitzkehr wehren, also notfalls auch mit Gewalt, was eine Seltenheit in der bürgerlichen Rechtsordnung ist.

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Insgesamt unterscheiden sich die Herausgabeansprüche aus §§ 861 und 985 also stark: Bei § 985 geht es um das Recht des Eigentümers zum Besitz; der Anspruch scheitert an jedem – auch schuldrechtlichen – Besitzrecht des Besitzers und dessen, dem er den Besitz vermittelt (§ 986). Bei § 861 spielt das Recht zum Besitz grundsätzlich keine Rolle, es kommt allein auf den Besitzverlust durch verbotene Eigenmacht und die Fehlerhaftigkeit des Besitzes des jetzigen Besitzers an. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so ist auch der zum Besitz Berechtigte zur Herausgabe nach § 861 verpflichtet (zB der Käufer nimmt dem Verkäufer nach Zahlung des Kaufpreises die Kaufsache weg). Die Unterschiede ergeben sich daraus, dass § 861 eine Friedensschutzfunktion, § 985 dagegen die Aufgabe hat, eine dem materiellen Recht entsprechende Besitzlage herzustellen.

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Der Besitz ist auch ein absolut geschütztes Rechtsgut iSd § 823; er ist aber, wenn es um die Bemessung des Schadensersatzes in Geld geht, nur so viel wert wie das hinter dem Besitz stehende Recht zum Besitz.

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Eine Besonderheit, durch die die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Lage für die Besitzverhältnisse durchbrochen wird, liegt darin, dass § 857 den Übergang des Besitzes auf den Erben anordnet. Das bedeutet, dass bei unmittelbarem Besitz des Erblassers der Erbe dieselbe Position innehat, auch wenn er vom Erbfall gar keine Kenntnis hat. Das ist insbesondere für die Anwendung des § 935 von Bedeutung (näher Rn 38, 236).

Teil I Eigentum und Besitz§ 4 Ergänzende Zusammenfassung der Darstellung des Besitz- und Eigentumsrechts › IV. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

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