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1. Einschaltung eines Stellvertreters
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Wie schon der im vorigen Abschnitt behandelte Fall 9 (Rn 121) zeigt, ist bei der Übereignung im Rahmen der dinglichen Einigung die Einschaltung eines Stellvertreters auf Veräußerer- oder Erwerberseite möglich und vielfach notwendig. Dies führt zu der Frage, ob auch der tatsächliche Übergabeakt durch Einschaltung von Mittelspersonen bewirkt werden kann. Die Regeln über die Vertretung sind hier nicht generell anwendbar, da sie nur auf rechtsgeschäftliches Handeln zugeschnitten sind[46]. Immerhin können somit die Übergabesurrogate gem. §§ 930, 931 durch einen Vertreter des Veräußerers vereinbart werden; dasselbe gilt für einen Besitzerwerb durch Einigung gem. § 854 Abs. 2 im Rahmen der Übereignung nach § 929 S. 2.
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a) Die Übergabe iSd § 929 ist dagegen kein Vertrag, bei ihr kommt es auf die tatsächliche Besitzveränderung an. Auch soweit dabei ein Wille bedeutsam ist – nur freiwilliges Geben und Nehmen des Besitzes ist Übergabe – handelt es sich nicht um einen rechtsgeschäftlichen, sondern um einen „tatsächlichen“ Willen, bei dem es keine Vertretung gibt. Immerhin kann durch die Ausdehnung des Besitzwillens auf eine Herrschaftssphäre[47] sowie durch die Einschaltung von Besitzdienern und Besitzmittlern (Rn 32, 36) den tatsächlichen Gegebenheiten arbeitsteiligen Wirtschaftens auf Seiten eines Veräußerers und eines Erwerbers Rechnung getragen werden. Da mit der Übergabe an den Besitzdiener des Erwerbers nur der Erwerber als Besitzherr Besitzer wird, ist mit der Übergabe der Sachen an den Besitzdiener der Erwerber Besitzer; die Einigung als Willenserklärung kann der Besitzdiener als Vertreter vornehmen.
Beispiel:
Der Kunde bezahlt im Laden an die Angestellte; sie einigt sich mit dem Kunden namens des Prinzipals über den Eigentumsübergang am Geld, sie erwirbt die tatsächliche Sachgewalt als Besitzdienerin, der Prinzipal wird Besitzer, sodass Einigung und Übergabe iS des § 929 vollzogen sind. Für die Übereignung der Ware an den Kunden wird die Angestellte als Hilfsperson für den Prinzipal als Veräußerer tätig[48]. An die Stelle eines Besitzdieners kann auch ein Besitzmittler treten, so, wenn im Fall 7 E den Händler H anweist, die reparierte Anlage direkt dem F auszuhändigen.
Nicht entschieden ist damit die weitere Frage, ob und inwieweit auf eine solche Einschaltung Regeln des Stellvertretungsrechts, insbesondere § 166, entsprechend angewendet werden können; dies wird relevant, wenn es – etwa im Rahmen des Erwerbs vom Nichtberechtigten oder der Haftung des Besitzers gegenüber dem Eigentümer auf Schadensersatz und Nutzungsherausgabe – um die Bösgläubigkeit des Besitzers beim Besitzerwerb geht, sodass das Problem in diesem Zusammenhang zu behandeln sein wird (Rn 304).
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b) In allen im vorigen erörterten Fällen wird sowohl in Bezug auf die rechtsgeschäftliche als auch auf die tatsächliche Seite nach außen deutlich, dass der Handelnde für einen anderen tätig ist; zur Anwendung des Vertretungsrechts ist das bekanntlich erforderlich. Davon unabhängig besteht ein Bedürfnis nach Formen der Eigentums- und zu diesem Zweck Besitzübertragung auch durch „indirekte Vertretung“, auch: mittelbare Stellvertretung.
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Angenommen, im Fall 8 schickt die Ehefrau E des R, die die Bilder unbedingt haben möchte, den Kunsthändler K zu R, der diesem ein gutes Angebot für die Bilder machen soll. R, der glaubt, mit dem Geldbetrag die N ebenso gut oder besser für ihre Mühe entschädigen zu können, nimmt das Angebot an, ohne zu fragen, ob K die Bilder für sich oder für einen Hintermann erwerben will. K zahlt und holt die Bilder in der Berliner Wohnung ab, nachdem R die B entsprechend angewiesen hat.
Hier kann von Vertretung der E durch den K mangels Offenlegung nicht die Rede sein, sodass das schuldrechtliche Geschäft und die dingliche Einigung nur zwischen R und K zu Stande gekommen sind, an den die Bilder auch übergeben werden. Möglich ist freilich, dass die E sich mit K über den Eigentumsübergang an den Bildern schon früher im Wege vorweggenommener Einigung (s. Rn 124, 137) geeinigt hat, dies vor allem, wenn sie ihm das Geld für die Bilder bereits, wie beim Auftrag nötig (§ 669), vorgestreckt hat. Wenn dabei ferner vereinbart wurde, dass K unmittelbar nach dem Kauf der Bilder den Besitz für die E ausüben sollte, kann bereits von der Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses gesprochen werden. Auch genügt für eine Übereignung nach § 930 die vorweggenommene Einigung und das Besitzmittlungsverhältnis. Anerkannt ist auch, dass dies durch den Veräußerer als künftigen Besitzmittler und zugleich als Vertreter des künftigen Erwerbers und mittelbaren Besitzers geschehen kann (Insichkonstitut)[49]. Dazu bedarf es freilich einer rechtsgeschäftlichen Regelung, die auch den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes (Rn 127) genügen muss. Liegt sie vor, so geht im Augenblick des Besitzerwerbs durch den Veräußerer K das Eigentum nach §§ 929, 930 an die E über. Diese Konstruktion wird vor allem für die vorweggenommene Sicherungsübereignung praktisch, wobei darauf hinzuweisen ist, dass zunächst der Veräußerer, also hier K, und erst dann dessen „Hintermann“, also hier die E, das Eigentum erwirbt (Durchgangserwerb).
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Fraglich ist noch, ob die Übertragung durch Insichkonstitut in irgendeiner Weise äußerlich sichtbar gemacht werden muss. Dafür spricht, dass die Einigungserklärungen über ein Besitzmittlungsverhältnis als Willenserklärung geäußert werden, grundsätzlich also dem Erwerber auch zugehen müssen, wobei aber wiederum Stellvertretung durch den Veräußerer möglich ist. Auf der anderen Seite bedarf es im Rahmen des § 930 keines Offenlegungstatbestandes. Das wurde in der früheren Rechtsprechung anders gesehen, heute wird eine besondere Ausführungshandlung nicht verlangt, wenn genügend klar (bestimmt) ist, auf welche Sachen sich das Besitzkonstitut bezieht[50]. Somit kann man eine bloße bei Kenntnis aller Umstände feststellbare Willensäußerung des Veräußerers genügen lassen. Probleme aus § 181 werden sich für die Übereignung durch Insichkonstitut idR nicht ergeben, da in diesen Fällen der Handelnde auf Grund des Grundgeschäfts verpflichtet ist, das Eigentum zu erwerben und weiter zu übertragen.
Zur Sicherungsübereignung durch vorweggenommenes Besitzkonstitut s. Rn 181.