Читать книгу Alles wird gut ... - Heidi Dahlsen - Страница 12

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„Christine?“, ruft Lydia ins Haus, weil ihre Freundin nirgends zu sehen ist.

„Ich bin im Keller. Geh schon mal in den Garten.“

Von unten dringen polternde Geräusche herauf.

„Brauchst du Hilfe?“, ruft Lydia.

„Nein. Ich komme schon klar und bin gleich bei dir“, antwortet Christine.

Lydia schwingt sich in einen Liegestuhl und legt die Beine hoch. Sie genießt es, mitten im Wald zu sein, atmet die angenehme Luft tief ein und lässt die Natur auf sich wirken. Die Gewissheit, dass es sich so ganz gut leben lässt, bestätigt sich wieder einmal. Ihr Blick wandert zu den riesigen Tannen. Heute kann sie nicht nur den Gesang der Vögel auf sich wirken lassen, sondern sogar ein Eichhörnchen beobachten. Sie bleibt bewegungslos liegen, sodass es zutraulich in ihre Nähe kommt und unter dem Tisch nach Krümeln sucht. Hier hatte es wahrscheinlich schon öfter Erfolg bei der Futtersuche.

Sowie aus dem Haus eine Stimme zu hören ist, flüchtet es auf den nächsten Baum.

„Hast du dich endlich wieder aus deiner Wohnung getraut?“, fragt Christine und begrüßt Lydia mit einer langen Umarmung. „Lass dich anschauen. Du siehst immer noch erschöpft aus. Ich hätte dich nicht mit auf diese Klassenfahrt lassen sollen. Da bräuchte man vorher eine Ausbildung als Raubtierbändiger.“

„Von der Fahrt habe ich mich schnell erholt. Seit einer Woche sitze ich an meinem neuen Buch. Wenn einmal die Ideen da sind, kann ich mich nicht bremsen. Aber jetzt brauche ich eine Pause. Deshalb bin ich hier“, sagt Lydia.

„Tilly hat mir schon einiges erzählt. Würdest du noch einmal mitfahren?“, fragt Christine.

„Ganz bestimmt nicht, wenn der Herr Schulze dabei ist. Männer, die sich für unwiderstehlich halten, sind einfach furchtbar. Als könnten wir ohne die nicht überleben. Mir bricht immer noch der Schweiß aus, wenn ich an den denke.“

„Zum Glück bist du nicht auf den Mund gefallen. Sein Sohn Hannes soll ja von dir schwärmen.“

„Hoffentlich lässt sein Vater ihn in Ruhe und schikaniert ihn nicht extra noch, nur weil er Wut auf mich hat. Der war zum Schluss ganz schön beleidigt.“

„Ich mache uns Kaffee. Du musst unbedingt den frischen Kuchen kosten. Tilly hat ein neues Rezept ausprobiert“, sagt Christine und geht ins Haus.

Lydia ist nicht lange mit ihren Gedanken alleine.

„Hallo, Lydia“, ruft Daniel schon von weitem.

„Na, du Rabauke. Wie geht es dir? Wir haben uns lange nicht gesehen.“

„Gut. Ich habe aber gar keine Zeit für dich“, sagt Daniel.

„Das ist absolut nichts Neues. Du musst dich sicher ganz schnell mit deinen Kumpels treffen.“

„Woher weißt du das?“, fragt Daniel erstaunt.

„Das hat mir der Vogel dort drüben verraten. Der war nämlich schneller hier als du.“

Mit offenem Mund sieht Daniel den vermeintlichen Verräter an. Er stutzt kurz, dann hellt sich sein Gesicht auf.

„Quatsch. Vögel können gar nicht reden.“

„Wirklich nicht? Ich dachte, ich hätte etwas gehört“, antwortet Lydia und zwinkert ihm zu.

„Mensch, ich muss mich doch beeilen. Wir sind nämlich alle Räuber und überfallen heute die Reichen im Wald“, erinnert sich Daniel, dass er überhaupt keine Zeit hat und läuft los.

Da habe ich ja nichts zu befürchten“, denkt Lydia und grinst, weil ihr ihr Kontostand in den Sinn kommt. „Na dann, hopp, hopp. Ab ins Gebüsch mit dir und viel Erfolg“, ruft sie ihm hinterher. Eigentlich wollte sie noch sagen: „Bring mir etwas von eurer Beute mit.“ Es fällt ihr gerade noch ein, dass das als Anstiftung zu einer Straftat ausgelegt werden könnte.

„Daniel, pass doch auf und sause nicht immer so um die Ecke! Du hättest mich beinahe samt Kuchen über den Haufen gerannt“, ermahnt ihn Christine.

„Tschuldigung, hab´s eilig“, nuschelt er.

„Eigentlich hätte er Flitzi heißen können. Selbst bei der Geburt war er schneller da als der Krankenwagen. Hier ist dein Kaffee und Kuchen“, sagt Christine.

„Danke. Das duftet köstlich. Es tut mir leid, Christine, aber ich kann nicht mehr so oft hierherkommen“, sagt Lydia gespielt bedauernd.

„Und warum nicht?“

„Weil du mich mästest. Wenn das so weitergeht, muss ich mir Breitreifen auf mein Fahrrad montieren lassen und einen Motor anbauen, weil ich es mit Eigenantrieb nicht mehr in Bewegung bekomme. Guck dir doch mal die Spuren an, die ich auf dem Waldweg hinterlassen habe. Die reinsten Fahrrinnen.“

„Ja, ja. Da bleibt nach dem Regen das Wasser tagelang drin stehen“, lacht Christine. „Iss und meckere nicht rum, sonst gebe ich deinen Kuchen zur Adoption frei. Jetzt habe ich doch wirklich vergessen, Daniel zu sagen, dass Tilly nachher mit ihm zur Oma fährt. Onkel Heinrich hat neue Ponys bekommen. Er möchte Daniel eins zum Schulanfang schenken und jetzt schon sehen, welches ihm besonders gefällt, damit die Freude dann größer ist.“

„Mir wäre das egal gewesen. Hauptsache ein Pferd“, erinnert sich Lydia an ihren Kindheitswunsch. „Was hätten wir nicht darum gegeben, einen Reiterhof in der Nähe zu haben. Manche Dummheit wäre uns nicht eingefallen, weil wir gar keine Zeit gehabt hätten.“

„Wie geht es eigentlich deinen Eltern?“, fragt Christine.

„Meine Mutter hat mich letztens angerufen. Als die ersten Vorhaltungen kamen, habe ich sie abgewimmelt. Sie hat mir vorgejammert, dass mein Vater viel zu tun hat. Er ist Filialleiter und macht immer noch am liebsten alles allein. Aber anstatt auf mir rumzuhacken, sind jetzt seine Angestellten dran. Meine Mutter sagt, es würde öfter jemand kündigen. Aber die wären wohl alle selbst schuld, denn niemand ist mehr zu einer Leistung bereit und gar nicht fähig, selbstständig zu denken. Na, wie auch? Bei der Einstellung meines Vaters. Weihnachten soll ich zu ihnen kommen, damit ich nicht so alleine unter dem Baum sitze, wurde mir wieder vorwurfsvoll zu verstehen gegeben. Hoffentlich fällt mir eine gute Ausrede ein. Vielleicht breche ich mir bis dahin ein Bein. Das wäre mal etwas anderes.“

„Du kannst gern bei uns bleiben. Wir feiern alle zusammen Weihnachten auf dem Reiterhof. Die Kinder sind jetzt schon aufgeregt.“

„Mal sehen. Das kann ich spontan entscheiden, wenn es so weit ist“, antwortet Lydia. „Der Kuchen ist wirklich köstlich. Pssst. Hast du das gehört? Da rumort doch jemand im Haus, oder?“

Christine springt auf. „Ich sehe mal nach. Schmidts Katze ist auch schon auf den Geschmack gekommen und stattet uns öfter einen Besuch ab. Dabei haben wir gar keine Mäuse in der Küche.“

Lydia lässt sich den Kuchen auf der Zunge zergehen. Sie würde sich gern das Rezept geben lassen, aber das hat wenig Sinn. Ihr Selbstgebackenes war noch nie ein Genuss.

„Hallo, Tilly. Schon fertig für heute mit der Schule? Das hat sich ja gar nicht gelohnt hinzufahren.“

Tilly drückt Lydia nur flüchtig und lässt sich erschöpft auf einen Liegestuhl fallen.

„Hitzefrei. Wo ist Mama?“

„Die vertreibt Nachbars Katze aus der Küche.“

„Hast du schon den Kuchen probiert? Was sagst du dazu?“, fragt Tilly.

„Leider lecker, wie immer.“

„Ach, so dick bist du doch gar nicht“, lacht Tilly und zieht den Kopf ein.

„Du sollst nicht schwindeln“, sagt Lydia streng und droht ihr mit erhobenem Zeigefinger.

„Von wegen Katze“, sagt Christine. „Das war die ganze Räuberbande. Die wollten den Kuchen mitnehmen, weil sie Verpflegung brauchen. Einmal möchte ich erleben, dass die zu einer anderen Mutter gehen.“

„Die haben eben Geschmack“, sagt Tilly. „Wenn die zu Frau Schmidt gehen würden, hätten sie bald eine Magenverstimmung. Jason hat letztens erst erzählt, dass der Kuchen von seiner Mutter oft wie Knete wird.“

„Da bin ich ja froh, dass es mir nicht allein so geht. Vielleicht sollte ich mit Frau Schmidt eine Selbsthilfegruppe bilden“, sagt Lydia.

Christine zwinkert ihr zu und sagt: „Und nach dem Backen ladet ihr die Kleinen zum Basteln ein.“

„Lydia, ich habe dir ja noch gar nicht erzählt, dass ich sogar Tassenkuchen backen kann“, sagt Tilly und erfreut sich an Lydias Blick.

„Wie bäckt man denn Tassenkuchen?“, fragt Lydia verständnislos.

Dafür wird sie natürlich wieder ausgelacht.

„Die Mengenangaben der Zutaten sind alle in Tassen angegeben, du Backunwissende“, klärt Christine sie auf.

„Das hat bei mir auch keinen Sinn. Ich backe nur Tonnenkuchen“, stellt Lydia fest und zwinkert den beiden zu. Nun sind Christine und Tilly ratlos.

„Und was ist das?“, will Tilly, die neugierig geworden ist, wissen.

„Wenn ich Kuchen backe, wandert der hinterher in die Mülltonne, weil er ungenießbar ist“, grinst Lydia, weil sie nun endlich einmal Tilly sprachlos bei dem Thema Backen sieht.

„Aha“, mehr kann Tilly dazu nicht sagen. „Ich schnappe mir jetzt Daniel und fahre mit ihm zu Oma. Tschüss bis nachher.“

„Wann wollen wir uns am Samstag zu Ollis Geburtstag treffen?“, fragt Lydia, als sie allein sind.

„Nicht vor neunzehn Uhr. Ich habe keine Lust, Sybilles Eltern zu begegnen“, antwortet Christine.

„Schade, dass die Jungs dann schon schlafen werden“, sagt Lydia. „Lustig sind die Feiern nicht, eher anstrengend. Olli hat sich mit dieser Verwandtschaft eine dicke Suppe eingebrockt. In seiner Haut möchte ich nicht stecken. Jutta muss auch mit, denn nur gemeinsam sind wir stark. Mit ihr spreche ich die genaue Uhrzeit ab. Wir treffen uns dann vor der Villa und fallen gleichzeitig dort ein. Ich werde mich jetzt wieder auf die Socken machen. Mach´s gut und danke für Kaffee und Kuchen.“

„Komm gut nach Hause. Bis Samstag dann.“

Alles wird gut ...

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