Читать книгу Alles wird gut ... - Heidi Dahlsen - Страница 8
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ОглавлениеAn einem wunderschönen Maitag genießt Lydia wieder einmal die Ruhe in Christines Garten und macht sich Gedanken über ihr neues Buch. Hier draußen kann sie so richtig schön abschalten und sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Christine ist kurz in die Stadt gefahren und bringt gleich die Kinder mit. Lydia freut sich auf einen gemeinsamen Nachmittag.
Es dauert auch nicht lange, da hört sie Christines Auto kommen. Tilly ist als erste bei ihr.
„Hallo, Lydia. Schön, dass du da bist. Dann kann ich dir gleich von unserer Klassenfahrt erzählen. Wir fahren dieses Jahr in die Alpen. Eigentlich wollen die meisten lieber in eine Großstadt, aber auch nur wegen der Shoppingmeilen und des aufregenden Nachtlebens“, berichtet sie aufgeregt.
„Ihr seid doch erst vierzehn Jahre alt und habt bestimmt nicht genug Geld für die Boutiquen in solchen Straßen, und für das Nachtleben seid ihr noch zu grün hinter den Ohren“, antwortet Lydia ihr.
Christine stellt ihre Einkaufstüten ab und sagt schmunzelnd: „Das ist allerdings auch meine Meinung, aber die zählt nicht, denn ich bin bloß eine Mutter, die nicht viel Ahnung hat.“
Lydia packt ihren Laptop ein. Sie ist davon überzeugt, dass es bei diesem Trubel nichts mehr mit Schreiben wird, denn Daniel kommt nun auch angerannt. Aber nur, um sie kurz zu begrüßen und zu sagen, dass er eine wichtige Verabredung mit seinen Kumpels hat.
„Dann lass dich nicht aufhalten“, ruft Lydia ihm lauter werdend hinterher, denn er sitzt schon auf seinem Fahrrad und radelt los.
„Die Lehrerin von Tilly, Frau Berger, hat mich gefragt, ob ich nicht als Betreuerin mit an der Klassenfahrt teilnehmen möchte. Sie ist der Meinung, da ich zu Hause arbeite, kann ich das sicher einrichten. Ich habe aber keine Lust, mir das noch einmal anzutun“, sagt Christine.
Tilly guckt Lydia verschmitzt an und fragt: „Wie wäre es, wenn du uns begleitest?“
„Das würde ich mir an deiner Stelle sehr gut überlegen“, mischt sich Christine ein. „Das kann niemand von dir verlangen.“
Lydia wird nachdenklich.
„Na ja, warum eigentlich nicht? Ich brauche noch ein paar Ideen für mein neues Buch. Vielleicht finde ich in den Alpen welche.“
„Oder du landest hinterher in einer Nervenheilanstalt“, sagt Christine. „Erinnere dich, warum du nicht Lehrerin geworden bist. Das soll nur eine Warnung sein.“
„So schlimm wird es schon nicht werden. Ich passe gut auf dich auf und halte dir die schlimmsten Jungs vom Hals“, verspricht ihr Tilly. „Außerdem fährt Herr Schulze, der Vater vom Hannes, wieder mit. Der ist so groß und kräftig, dass schon sein Aussehen den meisten Schülern wenigstens etwas Respekt einflößt. Wenn der tief einatmet, stehen fast alle stramm. Komm, sag schon ja. Bitte, bitte.“
„Frag doch erst mal deine Lehrerin. Vielleicht darf ich gar nicht mitfahren, weil ich kein Kind in eurer Klasse, eigentlich gar kein Kind habe. Eventuell mangelt es mir aus Sicht der Lehrerin an Erfahrung“, sagt Lydia zu Tilly.
Christine runzelt die Stirn.
„Willst du dir das wirklich antun? Obwohl, dieses Jahr fahren sie nur drei Tage, da würdest du ganz gut wegkommen. Eigentlich lohnt sich das nicht. Aber ich glaube, Frau Berger graut es auch jedes Mal davor. Bei wem sollte sie sich aber beschweren? Es bleibt ihr ja nichts anderes übrig.“
Tilly strahlt Lydia an und sagt: „Ich kümmere mich gleich darum und gebe dir Bescheid, sowie ich etwas weiß.“
Lydia ist sich nicht sicher, ob sie sich darüber freuen soll. Aber zur Not kann sie einfach ablehnen, falls sie es sich noch anders überlegt.
„Wie war es eigentlich im Laden? Hast du einen neuen Auftrag bekommen?“, fragt sie Christine.
„Na ja. Marianne will zum Stadtfest einen Stand aufstellen und braucht dafür noch einige Ausstellungsstücke. Sie hat mir eine Liste mitgegeben, leider eine kurze. Nachher bestelle ich das Material und dann reicht es für heute mit der Arbeit. Du siehst, es stimmt schon – wer zu Hause arbeitet, hat fast nichts zu tun“, mit diesen Worten geht sie lachend ins Haus.
Lydia hat zwar auch noch nicht viel geschafft, verschiebt die Arbeit trotzdem auf später. Die Idee, in das nächste Buch einige Erlebnisse der Klassenfahrt einzubauen, gefällt ihr. Sicher sind in Tillys Klasse aufgeweckte Kinder, die mit ihrem Verhalten ganz von selbst für Stoff sorgen. Sie muss dann nur alle ganz genau beobachten.
Lydia wird aus ihren Gedanken gerissen, als Tilly aufgeregt die Treppe heruntergestürmt kommt. Sie sieht Lydia freudestrahlend an.
„Lydia, ich habe Frau Berger angerufen. Du darfst mit. Die ist vielleicht erleichtert. Beinahe hätten wir nicht fahren können, weil sich niemand außer Hannes Vater bereit erklärt hat, uns zu beaufsichtigen. Oh, ich freu mich so.“
Sie tanzt um Lydia herum und ist außer sich vor Freude.
„Du hast es ja wirklich eilig, mich zu dieser Fahrt zu verdonnern. Hoffentlich überlebe ich das. Und es sind wirklich nur drei Tage?“, fragt Lydia.
„Ja. Montagfrüh geht es mit dem Bus los und Freitagnachmittag sind wir wieder zurück.“
„Das sind schon mal fünf Tage“, stellt Lydia etwas verwundert fest.
„Na ja, aber nur drei Tage in den Alpen. Es sind fast zwei Tage Fahrt dabei und die zählen nicht.“
Christine hat Eisbecher gemacht und stellt diese auf den Tisch. Es sieht einfach köstlich aus. Lydia lässt sich nicht lange bitten und greift zu.
„Danke. Du verwöhnst mich wieder. Wenn ich hier wohnen müsste, würde ich bald auf keine Waage mehr freiwillig steigen“, sagt sie zu Christine. „Zum Glück lebe ich allein und finde im Kühlschrank nur, was ich wirklich ganz allein da reingetan habe. Seitdem ich den Rat aus so einer bunten Zeitung befolge und nur noch satt einkaufen gehe, ist auch nie viel im Einkaufswagen und somit im Kühlschrank. In letzter Zeit schaffe ich es bis zum nächsten Einkauf oft nicht mehr, zu Hause noch genug Nahrung zu finden, um dann satt einkaufen gehen zu können. Daran muss ich noch arbeiten.“
„Vielleicht solltest du dir eine Haushaltshilfe suchen, die dich nach den neuesten Erkenntnissen auf dem Gebiet der Ernährungswissenschaft versorgt“, schlägt Christine vor.
Sie erhebt sich, weil ihr Telefon läutet, und geht schnell ins Haus.
„Um Gottes Willen. Nein. Dann bekomme ich nur noch Obst und Hasenfutter zu essen“, ruft Lydia ihr nach und schüttelt den Kopf.
„Ich mache jetzt schnell Hausaufgaben. Annika kommt nachher. Wir wollen uns absprechen, was wir zur Klassenfahrt mitnehmen. Außerdem sollen wir uns überlegen, was wir unternehmen wollen“, sagt Tilly.
Sie drückt Lydia ganz fest und flüstert ihr ins Ohr: „Danke, danke. Du bist die Beste.“
„Du weißt doch, dass ich dir keinen Wunsch abschlagen kann und sogar Unannehmlichkeiten auf mich nehme“, sagt Lydia.
„So schlimm wird es sicher nicht. Ich bleibe die ganze Zeit in deiner Nähe“, verspricht ihr Tilly.
Fröhlich hüpft sie ins Haus und wäre beinahe mit ihrer Mutter zusammengestoßen.
„Warum müsst ihr immer so stürmisch sein? Könnt ihr euch nicht normal fortbewegen?“, ruft sie Tilly hinterher.
„Ich hatte gerade einen Anruf“, sagt sie zu Lydia. „Für eine Silberne Hochzeit soll ich Plüschbären anfertigen, die die fünf Kinder der Familie darstellen, also auch eine unterschiedliche Größe haben. Auf der Kleidung soll jeweils der Name eingestickt werden. Ich finde, dass das eine ausgefallene Idee und ein persönliches Geschenk ist. Ich lasse dich jetzt alleine hier sitzen und mache meine Bestellung fertig, damit ich bis zum Wochenende die Ware bekomme und bald anfangen kann. Du weißt ja, ich habe Arbeit gern schnell hinter mir.“
„Dann packe ich eben wieder aus und arbeite noch ein bisschen“, sagt Lydia.
Sie ist bald so in ihre Arbeit vertieft, dass sie ein Geräusch zusammenzucken lässt. Sie hat niemanden kommen gehört und ist erstaunt, dass plötzlich ein Mädchen neben ihr steht. Da ihr Pony bis zur Nasenspitze reicht, kann man ihr Gesicht gar nicht erkennen. Lydia fragt sich, ob die Kleine überhaupt etwas sehen kann. Trotz der hohen Temperaturen hat sie einen dicken Rollkragenpullover an, der ihr mindestens drei Nummern zu groß ist, sowie eine lange Hose. „Entschuldigen Sie bitte. Ich wollte Sie nicht erschrecken“, flüstert die Kleine.
„Das schaffst du nicht so schnell“, sagt Lydia freundlich.
Jetzt erinnert sie sich auch, dass Tilly ihre Freundin erwartet. „Du bist sicher Annika und wurdest mir schon angekündigt.“
Annika schüttelt sich die Haare aus dem Gesicht und sieht Lydia erleichtert an. In dem Moment kommt Tilly angerannt.
„Annika, du weißt noch gar nicht das Neueste. Lydia, äh, darf ich vorstellen“, dabei zeigt sie auf Lydia, „kommt mit auf Klassenfahrt. Ist alles schon geregelt. Das finde ich so cool. Da werden die Models Cindy und Annabell endlich mal neidisch auf mich. Lydia ist nämlich eine berühmte Schriftstellerin.“
„Nun übertreibst du aber“, wirft Lydia schnell vorwurfsvoll ein.
„Das ist nett von Ihnen, dass Sie mitfahren“, sagt Annika.
Lydia reicht dem jungen Mädchen die Hand und sagt: „Ich bin die Patentante von dieser quirligen Tilly. Du musst nicht Sie zu mir sagen.“
Nun lächelt Annika das erste Mal etwas und erwidert schüchtern die Begrüßung. Ihr Händchen verschwindet in Lydias Hand.
„Wieso habe ich dich nicht eher kennengelernt?“, fragt Lydia.
„Ich habe die Klasse gewechselt“, antwortet Annika nur kurz angebunden.
Tilly greift nach Annikas Hand und zieht sie hinter sich her. Sie geht laut plappernd ins Haus und Annika folgt ihr wie erwartet – geräuschlos.
Lydia klappt ihren Laptop zu. Die Gedanken an ihre freiwillige Teilnahme an der bevorstehenden Klassenfahrt muss sie erst einmal verdauen. Sie hofft, nicht übereilt zugesagt zu haben und geht zu Christine ins Haus.
Sie verabschiedet sich, natürlich mit einem großen Dankeschön, dass sie so oft bei ihr sein kann.
„Das nächste Mal bringe ich Eis mit“, verspricht sie.
Das ist nämlich die einzige Nahrung, die Christine nicht selber herstellt und somit ist es auch keine Beleidigung, Eis zu kaufen. Lydia hatte schon mehrmals versucht Pizza oder Kuchen mitzubringen.
Da war Christine jedes Mal beleidigt, weil: „So etwas kann ich doch selber machen“, sagte sie vorwurfsvoll.
„Ja, das weiß ich. Ich habe es ja nur gut gemeint“, hatte Lydia geantwortet.
Als Lydia am Abend im Bett liegt, erinnert sie sich wieder an Annika, die wie ein Häufchen Unglück gewirkt hat.
„Da muss ich doch unbedingt Christine mal fragen, was mit der Kleinen los ist“, sind ihre letzten Gedanken des Tages.