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Ein Doge in Venedig
ОглавлениеÜber der Reihe von 120 Dogen, die über tausend Jahre lang an der Spitze der Markusrepublik standen, liegt der Schatten der Anonymität. Im Dogen verkörperte sich die Staatsmacht, die Person trat dahinter zurück. Einer der wenigen, dessen Schicksal für uns Konturen hat, ist Francesco Foscari, der von 1423 bis 1457 die Staatsgeschäfte führte, so lange wie kein anderer. Dass wir über ihn mehr als über andere wissen, ist dem englischen Dichter Lord Byron (Kapitel 7) zu verdanken, der während seiner Venedigjahre im Leben dieses Dogen einen Stoff von Shakespeare’scher Tragik entdeckte. Sein Melodram The Two Foscari (dt. Die beiden Foscari) von 1821 inspirierte nicht nur Verdi zu einer Oper, sondern auch eine Reihe pathosschwangerer Monumentalgemälde von Delacroix, Hayez und anderen Historienmalern des 19. Jahrhunderts.
Die Venezianer selbst haben ihren Dogen keine Denkmäler gesetzt. In Venedig zählte das Kollektiv, nicht der Einzelne. Alle politischen Entscheidungen traf eine erblich dazu privilegierte Adelskaste, deren männliche Mitglieder den Großen Rat bildeten und die Regierungsämter besetzten. Für das Funktionieren des in ganz Europa bewunderten Staatswesens mit seiner beispiellosen Stabilität und Unabhängigkeit war ein ausgefeiltes Kontrollsystem verantwortlich. Keiner sollte auf die Idee kommen, seine persönlichen Machtphantasien auszuleben und sich zum Alleinherrscher aufzuschwingen, wie es auf dem italienischen Festland zur Regel wurde. Die Befugnisse des Staatsoberhaupts wurden bereits Ende des 13. Jahrhunderts erheblich eingeschränkt. Der Doge konnte Vorschläge machen, aber nicht entscheiden. Beim Amtsantritt musste er auf einen Katalog von Vorschriften und Verboten schwören. Jeder seiner Schritte war reglementiert. Seine Wohnung im Dogenpalast war eine Art komfortables Staatsgefängnis, das er nur zu bestimmten Gelegenheiten verlassen durfte. Es war ihm nicht einmal erlaubt, einen Brief allein zu öffnen. Die finanzielle Entschädigung war gering. Die enormen Ausgaben hingegen, zu denen ein Doge verpflichtet war, u.a. die Finanzierung von Staatsbanketten und die jährliche Prägung von Sondermünzen, hatte er aus seinem Privatvermögen zu bestreiten. Trotzdem war das Amt für einen Venezianer die höchste Auszeichnung. Der Rang der adligen Familien bemaß sich immer auch daran, wie viele Dogen sie der Republik gestellt hatten.