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Die Bauten

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Die venezianischen Paläste spiegeln in Struktur, Form und Dekor die Besonderheit der Lage. Nur selten wurden sie auf festem Inselboden errichtet. In der Regel musste der Baugrund stabilisiert werden, weshalb die tragenden Mauern eine Pfahlgründung erhielten. Der Untergrund erforderte ein möglichst leichtes und elastisches Baumaterial: Ziegelmauerwerk, dessen Stärke nach oben hin abnimmt und durch Balkeneinlagen Bodensetzungen ausgleichen kann, Holz für Balkendecken und Zwischenwände, elastische Terrazzoböden aus gemahlenem Bruchstein und Kalk. Pietra d’Istria, der weiße, harte Kalkstein aus Istrien, der durch seine dichte Struktur gegen die aufsteigende Feuchtigkeit schützt und widerstandsfähig gegen Erosion ist, wurde für die Gebäudesockel verwendet, außerdem für Fenster- und Türrahmen, manchmal auch zur vollständigen Verkleidung der Ziegelfassaden.

Meist wurden die Mauern nur verputzt, dafür aber farbig bemalt, etwa mit Rautenmustern nach dem Vorbild des Dogenpalasts oder mit Ornamentfriesen. Aufwendig gestaltet wurde immer nur die Schaufront am Wasser als schöne Maske des venezianischen Palasts. In der Spätgotik steigerte man bei besonders anspruchsvollen Bauten die Wirkung steinerner Ornamente durch farbige Fassung und Vergoldung (vgl. Ca’ d’Oro, Kapitel 11). Besonders kostbar war bunter Marmorschmuck, am reichsten in der Frührenaissance verwendet (vgl. Ca’ Dario, Kapitel 2). Im 16. Jahrhundert bedeckten Figurenszenen in Freskomalerei alle freien Wandflächen, darunter berühmte und längst verblasste Meisterwerke von Giorgione und Tizian, Veronese, Tintoretto und Pordenone.

Die Holzbauten der Frühzeit haben keinerlei Spuren hinterlassen. Die ältesten erhaltenen Paläste aus Stein stammen von der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert. Ihr Fassadenschema zeigt der rekonstruierte Fondaco dei Turchi (Kap. 11): zwei übereinander gestellte Bogenreihen und niedrige seitliche Turmaufsätze (Torreselle). Ihrer Doppelfunktion als Wohnhaus und Warenlager entsprechend bezeichnet man sie als Casa fondaco. Sie liegen fast alle im Umkreis der Rialtobrücke, sind später um weitere Stockwerke erhöht und, bis auf die Ca’ da Mosto gegenüber der Fischhalle, im 19. Jahrhundert stark überarbeitet worden. Man bezeichnet sie als romanisch-byzantinisch oder venezianisch-byzantinisch wegen ihrer Kapitell- und Bogenformen und des Reliefdekors. Byzanz-Konstantinopel, das die Oberhoheit über das frühe Seevenetien hatte, blieb der kulturelle Bezugspunkt für das mittelalterliche Venedig, wofür die Markuskirche das größte Zeugnis ist. In der Gotik des 14. und 15. Jahrhunderts bildete sich die charakteristische Dreiteilung der Palastfassade aus, die mit Variationen über alle Stile hinweg bis zum Ende der Republik beibehalten wurde: mit einer zentralen Bogenreihe in einem oder zwei Hauptgeschossen und geschlossenen Wandfeldern zwischen weit auseinandergerückten Fenstern an den Seiten. Die rhythmische Fensterverteilung gehört zu den besonderen Merkmalen der venezianischen Wohnarchitektur, bis hin zu den bescheidensten Häusern der Venezia Minore. Eine Besonderheit der venezianischen Paläste sind türhohe Bogenfenster mit Aussichtsbalkonen schon im Mittelalter, als man überall sonst nur kleine Öffnungen in festungsartig dicke Mauern brach.

Hinter der Fensterarkade in der Mittelachse durchziehen in der Regel korridorartige Säle das Gebäude in der ganzen Tiefe, unten der andron, die Eingangshalle mit jeweils einem Tor zur Wasser- und zur Landseite, darüber der portego oder die sala in einem oder zwei Hauptgeschossen. Die porteghi wurden nur für große Feierlichkeiten wie Hochzeiten genutzt. Vom andron führen seitlich Treppen in ein oder zwei Halbgeschosse. Im unteren Mezzanin lagen Magazine, im oberen Archive, Büro und Bibliothek. Die repräsentativen Wohnräume des Besitzers zu beiden Seiten des portego konnten durch Kamine beheizt werden. Der niedrige Mezzanin unter dem Dach enthielt Zimmer für die Dienerschaft, auch Küchen, und wurde in späteren Zeiten in intimere Wohnräume umgestaltet. Über den Dachrand ragen die charakteristischen Kamine mit ihren trichterförmigen Aufsätzen. Bis zur Renaissance ging die Rückseite der Paläste auf einen ummauerten Hof, den cortile, von dem Außentreppen in die oberen Stockwerke führten. Später wurden die Treppenaufgänge ins Innere verlegt. Alle Paläste besaßen ihre eigenen Zisternen, die von Regenwasser gespeist wurden. Erst 1884 wurde mit einer Fontäne auf dem Markusplatz eine Wasserleitung vom Festland eingeweiht.

Das Fassadenbild des Canal Grande bestimmen bis heute spätgotische Paläste aus dem 15. Jahrhundert. Sie sind am Maßwerk der zentralen Bogenöffnungen nach dem Vorbild des Dogenpalasts zu erkennen, das die Bauherren als Mitglieder der herrschenden Klasse stolz zitierten. Die exotisch wirkende Opulenz des Fassadendekors ist typisch venezianisch, sowohl bei spätgotischen Bauten als auch bei Palästen der Frührenaissance mit ihrem farbigen Marmorschmuck, der an byzantinische Traditionen anknüpft. Die Renaissance toskanischer und römischer Prägung setzte sich erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts durch. Bis auf einige Solitäre von Stararchitekten wie der Palazzo Grimani von Sanmicheli und die Ca’ Corner de la Ca’ Granda von Sansovino, die sich mächtige Familien im Wettstreit bauten und die alle Größenmaßstäbe sprengten, überwiegen flächige und wenig gegliederte Fassaden. Diese wirken heute deshalb etwas nüchtern, weil ihre Bemalung mit farbigen Fresken bis auf geringe Spuren verloren ist. Die mittelalterlichen Bogenreihen in der Gebäudemitte ersetzte man nun häufig durch ein modernes dreiteiliges Fenstermotiv, bestehend aus einem großen Pfeilerbogen, der von zwei hochrechteckigen Öffnungen flankiert wird, eine sogenannte Serliana (vgl. Palazzo Mocenigo Casa Nuova, Kapitel 7). Die flexible Serliana bot sich in Venedig schon aus rein praktischen Gründen an, weil damit unauffällig unterschiedlich breite Öffnungen überbrückt werden konnten. Das war wichtig, weil es sich bei den meisten Bauvorhaben nicht um Neu-, sondern um modernisierende Umbauten handelte. Dabei blieb zumindest ein Skelett aus tragenden Mauern erhalten, um aufwendige Fundamentarbeiten zu vermeiden. Auch Baumaterial wie Ziegelsteine wurde aus ökonomischen Erwägungen immer wieder verwendet. Aus Traditionsbewusstsein hingegen wurden Reliefs oder Säulen von Altbauten an den Fassaden wieder eingesetzt, denn venezianischen Bauherren ging es immer um Kontinuität und Erinnerung, um den sichtbaren Bezug zur Vergangenheit.

Aus den eher flächigen Fassaden des 17. Jahrhunderts ragen die majestätischen Paläste des großen Barockbaumeisters Longhena mit ihren plastisch gemeißelten Fassaden heraus, die Ca’ Rezzonico (Kapitel 12) und die Ca’ Pesaro. Schon früh, um die Mitte des 18. Jahrhunderts, macht sich eine klassizistische Kühle und Formenstrenge bemerkbar, wie beispielsweise beim Palazzo Grassi (Kapitel 5).

Von der Innenausstattung mittelalterlicher Paläste sind kaum Spuren erhalten. Alle Räume hatten Balkendecken, die mit farbigen Ornamenten bemalt waren, später auch geschnitzte Kassettendecken. Die Wände der Repräsentationsräume schmückten kostbare cuori d’oro, Tapeten aus geprägtem und vergoldeten Leder. Von der Wandausstattung eines Renaissance-Palasts vermittelt nur der Palazzo Grimani in Santa Maria Formosa mit Fresken und Marmormusterung noch eine Vorstellung. Die allermeisten Paläste wurden seit dem Ende des 17. Jahrhunderts barock erneuert. Auf neu eingezogenen Putzdecken trat der Stuck seinen Siegeszug an. Ältere Beispiele zeigen schweren weißen Rankenstuck mit Vergoldungen, in den bemalte Leinwände eingelassen sind (Cameron, Palazzo Barbaro, Kapitel 12). Im 18. Jahrhundert entwickelte sich eine zarte, flache Rokoko-Ornamentik, oft in blassem Grün, mattem Rosa und zartem Gelb auf weißem Grund, in Kombination mit lichten Freskohimmeln an der Decke, die schönsten von Giambattista Tiepolo.

Nach dem Ende der Republik wurden im 19. Jahrhundert viele Paläste zweckentfremdet und geplündert, manche sogar abgerissen. Die alten Besitzer waren verarmt, viele Familien starben aus. Der bewegliche Teil ganzer Paläste verschwand im Antiquitätenhandel. Von denen, die ihre Paläste noch halten konnten, hatten die wenigsten die finanziellen Mittel zu einer Modernisierung, weshalb heute noch viele Rokoko-Interieurs erhalten sind. Die großen Erneuerungsmaßnahmen des 19. Jahrhunderts gehen vorwiegend auf eine neue Schicht von Bankiers und Unternehmern zurück, von denen die meisten keine Venezianer waren.

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