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Routen in den Orient
ОглавлениеSchon früher hatte der venezianische Senat Botschafter in den fernen Iran entsandt. Dort herrschte damals der Turkmenenfürst Uzun Hasan über ein riesiges Gebiet, das sich von Westpersien über Armenien und Irak über Ostanatolien und Armenien bis an die Ostgrenze des Osmanischen Reiches erstreckte. Das Ziel war, Uzun Hasan mit Diplomatie und der Lieferung von Hilfstruppen und Waffen zu einem Angriffskrieg gegen die Türken zu motivieren, um die Lage für Venedig durch eine Front im Osten zu entschärfen. Von den venezianischen Gesandten, die sich in dieser Staatsangelegenheit auf den weiten Weg machten, haben die beiden Patrizier Giosafat Barbaro und Ambrosio Contarini Reiseberichte hinterlassen. Barbaro war insgesamt vier Jahre, von 1474 bis 1478, auf seiner Persienmission unterwegs und bei Antritt der Reise mit fast sechzig Jahren auch nicht mehr der Jüngste. Seine Route führte über Zypern und Ostanatolien nach Täbris zur Residenz von Uzun Hasan, den er von dort in sein Sommerlager und auf zwei Kriegszügen nach Shiraz und nach Georgien begleitete. Contarini, der zu seiner Unterstützung nachkam und mit ihm im September 1474 in Isfahan zusammentraf, war auf der sechsmonatigen Hinreise über Deutschland, Polen, Russland, die Krim und per Schiff über das Schwarze Meer angelangt. Für die Rückreise im Folgejahr brauchte er fast zwei Jahre. Sie führte ihn über das Kaspische Meer und Astrachan, wo er mit seinen Begleitern gefangen genommen und fast in die Sklaverei verkauft wurde. Aus Sicherheitsgründen fuhr er dann wieder auf der Nordroute über die Wolga zurück.
Männer wie Giovanni Dario, Giosafat Barbaro oder Ambrosio Contarini, die für solche Missionen ausgewählt wurden, mussten nicht nur langjährige Reiseerfahrungen besitzen, sondern sich als „homo uso a stentar“ erwiesen haben, als Mann, der allen Widrigkeiten trotzte. Barbaro hatte von seinem 24. bis zu seinem 40. Lebensjahr jährlich eine Fahrt nach Tana an der Mündung des Don ins Asowsche Meer unternommen, das am Ende der venezianischen Handelsrouten lag. Er kaufte dort Pelze, Sklaven, gesalzenen Fisch und Kaviar. Es wurde auch mit persischer Seide und indischen Gewürzen gehandelt, die über die Astrachanroute nach Tana kamen. Die Regierung der Markusrepublik bezog von dort den Hanf, aus dem die Taue für venezianische Schiffe im Arsenal geflochten wurden. Darauf verweist noch der Name der Corderia della Tana, der riesigen Seilerhalle, die heute ein Ausstellungsort der Kunstbiennale ist. Barbaro reiste nicht nur aus Geschäftsgründen, sondern auch aus Neugier. So besuchte er die Ruinen von Persepolis im Iran und das seit der Verwüstung durch den Mongolen Tamerlan halb zerstörte und entvölkerte Bagdad. Er interessierte sich für fremde Sitten und Sprachen wie das todesco der Krimgoten und genoss die Gastfreundschaft wilder heidnischer Völker wie der Tataren, die dem durchreisenden Kaufmann zu Ehren un bel agneleto, ein hübsches Lämmchen, rösteten. Contarini hingegen trug die Nase hoch, mokierte sich über ungenießbare Pferdemilch und schlecht zubereitetes Fleisch und ließ kein gutes Haar an den gastfreundlichen Tataren – maledeti cani che puzzavano da carne di cavallo (verfluchte Hunde, die nach Pferdefleisch stanken) und die mehr wilden Tieren als Menschen glichen: da lor a bestie non esser differentio.
Die venezianischen Gesandten reisten in kleiner Gruppe, bewaffnet und auf kräftigen Pferden, mit ein paar Dienern, die wegen der gefahrvollen Unternehmung nicht leicht zu rekrutieren waren, und einem landeskundigen Dolmetscher als wichtigstem Begleiter. Reisegeld wurde in die Kleider eingenäht. Im Durchschnitt schafften sie an einem Tag dreißig Kilometer. Für einzelne Wegabschnitte schlossen sie sich auch anderen Reisenden an oder folgten Karawanenrouten. Manchmal verkleideten sie sich aus Sicherheitsgründen als muslimische Pilger. Neben erstaunlichen Gesten der Gastfreundschaft fremder Völker begegneten ihnen unterwegs auch jede Menge Gefahren: Erpressungen und Überfälle, Krankheit und Schiffbruch. Beim Raubüberfall durch eine kurdische Bande wurden vier Begleiter von Giosafat Barbaro getötet. Er selbst konnte sich verletzt mit zwei anderen zu Pferde retten. Völlig abgerissen erreichte er endlich die Residenz von Uzun Hasan in Täbris mit seinem Beglaubigungsschreiben, wo ihn der Fürst in seinem prächtigen Thronsaal auf einem Brokatkissen sitzend empfing. Er wurde von ihm neu ausgestattet und durfte seine Gastlichkeit bei prachtvollen Festen, exotischen Tierschauen und in vertraulichen Gesprächen genießen. Doch zu einem Angriff auf die Osmanen ließ sich Hasan nach seiner schweren Niederlage gegen den Sultan im Jahr 1473 nicht mehr bewegen. Als nach dem plötzlichen Tod Uzun Hasans im Januar 1478 blutige Nachfolgekämpfe ausbrachen, konnte Giosafat Barbaro seine nackte Haut nur durch schnelle Flucht zu Pferde und mithilfe eines landeskundigen Armeniers retten. Im Zug einer Karawane gelangte er über Aleppo und Beirut nach Zypern, wo er sich schließlich auf einer venezianischen Galeere in die Heimat einschiffen konnte.