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Einleitung

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Die Piazzetta mit dem Dogenpalast und der Säule mit dem geflügelten Markuslöwen bildet das festliche Entree Venedigs.

Venedig ist die Bild gewordene Stadt par excellence, die jeder vor Augen hat, selbst ohne sie besucht zu haben. Bereits 1842 hieß es in einem englischen Reiseführer, niemand betrete Venedig als ein Fremder. Aber es ließe sich auch das Gegenteil behaupten: Alle bleiben Fremde in dieser Stadt, die prächtige Kulissen präsentiert, aber ihr Geheimnis nicht preisgibt. Abermillionen Besucher sind schon an den berühmten Palastfronten des Canal Grande entlanggefahren, Venedigs großer Bühne gesellschaftlicher Selbstdarstellung über viele Jahrhunderte hinweg. Auf einer Länge von fast vier Kilometern haben dort etwa hundert historische Paläste überlebt, die in der Zeit vom Ende des 12. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts entstanden. Sie sind in ihrer Erscheinung so einzigartig wie ganz Venedig und weltweit bekannt als Wahrzeichen der Lagunenstadt wie der Dogenpalast, der Markusplatz mit dem Campanile, wie die Rialto- und die Seufzerbrücke.

Bauherren der Paläste am Canal Grande waren überwiegend Mitglieder der regierenden Oligarchie, darunter auch Dogen. Venedig, von römischen Bürgern der Festlandstädte auf der Flucht vor Hunnen und Langobarden gegründet, kannte keinen Feudaladel. Hier zählte nicht das Schwert, sondern das Geschäft. An der Spitze der Gesellschaft standen unternehmerische Kaufleute, die einen von Fürsten und Kaisern unabhängigen Staat führten. Sie betrachteten sich als eine Gemeinschaft von Gleichen, obwohl die Unterschiede zwischen ihnen erheblich waren und nur ein Kern von dreißig bis vierzig Familien tatsächlich die Politik bestimmte. Entsprechend gab es auch nach außen hin keine erkennbare Hierarchie. Jedes Mitglied trug vor seinem Namen ein schlichtes N. H. für nobilhomo beziehungsweise N. D. für nobildonna. Ihnen untergeordnet war die privilegierte Schicht der cittadini, die nicht regierungsberechtigt waren, aber den Standpfeiler der Staatsverwaltung bildeten. Unter den cittadini gab es vereinzelt auch reiche Kaufleute, die sich ein Haus am Canal Grande leisten konnten. Das regierte Volk waren die popolani, mehr als neunzig Prozent der Gesamtbevölkerung.

Die Venezianer nannten ihre Paläste schlicht Casa, abgekürzt Ca’, auch wenn sie noch so prächtig waren. Sie selbst bezeichneten als Palast nur den Regierungssitz, den Palazzo Ducale, und den Sitz des Patriarchen, den Palazzo Patriarcale. Viele Wohnpaläste tragen verwirrend unterschiedliche Namen, weil sie nach den jeweiligen Besitzern umbenannt wurden. Familien mit einem langen Stammbaum wie die Contarini hatten sich über die Jahrhunderte in mehrere Zweige aufgespalten, weshalb es oft auch mehrere Paläste gleichen Namens gibt. Meist waren die Case keine Einfamilienhäuser, sondern wurden von zwei Brüdern oder anderen Verwandten mit ihren Familien in getrennt zugänglichen Apartments bezogen. Nicht selten war ein repräsentatives Stockwerk oder auch ein ganzer Palast vermietet, zum Beispiel an einen Botschafter oder an einen anderen Nobile. Immobilien waren in Venedig zu allen Zeiten eine rentable Investition, vor allem am Canal Grande. Der Chronist Marin Sanudo bezeugte schon um 1500, dass die Häuser dort mehr wert waren als in anderen Stadtlagen.

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