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Gesandter am Sultanshof
ОглавлениеDer Mann, den die Regierung kurz vor Weihnachten als Unterhändler an die Hohe Pforte schickte, war Giovanni Dario. Hellenisierte Auslandsvenezianer wie er, mehrsprachig und oft hochgebildet, waren in zwei Kulturen zu Hause und zählten zu den fähigsten Diplomaten der Markusrepublik. Dario hatte mittlerweile im Staatsdienst Karriere gemacht und war als segretario ducale unmittelbar dem Dogen unterstellt. Höher konnte ein nichtadliger cittadino in der Staatshierarchie nicht aufsteigen. Kein anderer war für die heikle Mission so prädestiniert wie er: Er kannte die Verhältnisse am Sultanshof und scheint das persönliche Vertrauen Mehmeds besessen zu haben. Er sprach Griechisch, eine der Kanzleisprachen des Osmanischen Reiches, und er war ein gewiefter Diplomat, der das Wünschbare nicht mit dem Machbaren verwechselte.
Als Giovanni Dario im Frühjahr 1479 mit dem unterzeichneten Friedensvertrag in die Lagune zurückkehrte, vom Sultan mit einem Pferd und drei Goldgewändern beschenkt und von einem türkischen Sendboten mit einem Gefolge von zwanzig Personen begleitet, wurde er überschwänglich als Retter des Vaterlandes gefeiert, auch wenn die Friedensbedingungen für Venedig hart waren: der Verlust von Negroponte (Euböa), einer der wichtigsten kolonialen Stützpunkte, sowie die Abtretung weiterer griechischer und albanischer Gebiete. Das positive Ergebnis war die Erneuerung der Handelsfreiheit im ganzen Osmanischen Reich, allerdings war diese mit einem jährlichen Tribut von 100.000 Golddukaten teuer zu bezahlen. Dazu erbat sich Mehmed II., der ein Bewunderer venezianischer Kunst war, einen Hofmaler aus Venedig. Die Regierung schickte Gentile Bellini aus der berühmten Malerdynastie, einen Freund Giovanni Darios, nach Konstantinopel, der dort fast zwei Jahre blieb. Er malte für den Sultan, der sich selbstherrlich über das islamische Bilderverbot hinwegsetzte, naturgetreue Porträts seines Hofstaats und seines Harems und schmückte die Privatgemächer Mehmeds mit einem erotischen Bilderbogen. Nachdem sein frommer Sohn und Nachfolger Bayezid II. die sündhafte Kunst zerstören und auf dem Basar verschleudern ließ, ist von alldem nur ein Porträt des Sultans in der Londoner National Gallery erhalten.
Die Regierung spendierte Giovanni Dario als Sonderprämie für seine Verdienste ein Landgut bei Padua und später eine größere Geldsumme als Mitgift für seine Tochter Marietta. Als arrivierter cittadino konnte er sich nun nach dem Vorbild des Adels ein Haus in bester Lage am Canal Grande leisten, immer schon die exklusivste Form der Selbstdarstellung für einen Venezianer. Dem Hausbau, vielmehr dem Umbau eines älteren Gebäudes, konnte er sich freilich nur mit Unterbrechungen widmen, denn die Republik wollte auch weiterhin nicht auf seine Dienste verzichten. Er genoss das absolute Vertrauen des Senats, obwohl er oft eigenwillig war, sich nicht an Vorgaben hielt und nebenher private Geschäftsinteressen verfolgte. Noch im selben Jahr, 1479, wurde er zur Sultansresidenz in Adrianopel geschickt, dem heutigen Edirne. Es ging wie meist um Grenzverletzungen und Modalitäten des Sklavenhandels. Immer neue Missionen führten Dario nach Istanbul und Adrianopel, wo er 1485 mit dem Sultan zur Jagd ging und ihn auf einem Kriegszug in die Walachei begleitete. In einem Bericht beschrieb er die Teilnahme an einer Audienz des ägyptischen Botschafters, der mit einer Fülle von Geschenken für Mehmed auftrat wie ein König aus dem Morgenland. Zuerst kam ein Gepard, ein Tier, das er noch nie gesehen hatte: „… so groß wie ein Löwe, schwarz gefleckt vom Kopf bis zum Schwanz, das furchterregend anzuschauen war.“ Danach kamen sechs Pferde, das erste mit goldenem Sattel und Zügeln, dann drei Rennkamele mit Sattelkissen aus Seide. Es folgten als kleinere Geschenke drei Papageien im Käfig, vier junge schwarze Eunuchen und eine enorme Menge an kostbar geschmiedeten Waffen und Luxustextilien. Dahinter ging der Botschafter selbst in einer langen Robe aus grünem Damast mit Zobelschleppe. Dario fühlte sich geehrt, dass er im Festzelt sitzen und an der Essenszeremonie teilhaben durfte und nicht wie der Abgesandte aus Ungarn draußen in der prallen Sonne auf einem Teppich Platz nehmen musste. Aber er war auch frustriert, weil die Verhandlungen nicht in Gang kamen, und er versäumte nicht mitzuteilen, wie mühsam das alles für ihn war mit der Hitze – „con grandissimo caldo“ – und dem Mangel an frischem Wasser: „Non avevo pur acqua fresca da bere.“ Vergeblich beklagte er sich in seinen Depeschen an den Dogen über die Strapazen der Reisen, die in seinem Alter und bei nachlassender Gesundheit kaum noch zu ertragen seien. Im August 1484 gab er zu bedenken: „Ich gehe jetzt ins 70. Lebensjahr und bin dick, alt und krank.“ Er bat um Heimkehr in seine città santa, in sein Haus und zu seiner Familie, wo er sicher und sorgenfrei in seinem Bett schlafen könne. Besonders düster schilderte er im Oktober aus Adrianopel die für ihn trostlosen Zustände. „Hier ist Mangel an allem, nur nicht an Fleisch … Mein Alter und mein körperlicher Zustand verlangen einen besseren Ort als diesen … Hier gibt es keine Ärzte und keine Medizin … Wer an diesem Ort stirbt, stirbt wie ein Hund.“ Er appellierte an den Senat, ihn nicht solcherart umkommen zu lassen, wenn er dem Vaterland noch für weitere Aufgaben zur Verfügung stehen solle. Klagen darüber, dass er sich nicht in bona convalescentia befinde, ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Depeschen, doch ob Dario ein echter oder ein eingebildeter Kranker war, das wissen wir nicht. Jedenfalls ließ die clementia der Regierung auf sich warten. Im folgenden Sommer schickte sie ihn noch einmal weit in den Osten, wohl bis in das iranische Elburs-Gebirge, wo ihm wenigstens die Diät zusagte: „Eine Minestra mit Zitronensaft hat mir gut getan.“
Den Empfang einer venezianischen Gesandschaft in Damaskus zeigt das Gemälde eines unbekannten Meisters aus Venedig von 1500.