Читать книгу Mondo Veneziano - Heidrun Reinhard - Страница 15
Ende mit Schrecken
Оглавление1453 war ein Schicksalsjahr für das Abendland und veränderte die politische Landkarte. Die Türken hatten Konstantinopel eingenommen, das tausendjährige Bollwerk des Christentums im Osten, und drangen in beängstigend großer Geschwindigkeit weiter nach Westen vor. Der nach Kreta verbannte Jacopo wurde 1456 vierzig Jahre alt und hatte Frau und Kinder seit fünf Jahren nicht gesehen. Er setzte jetzt alles daran, nach Venedig zurückzukehren. In seiner Not ersuchte er nicht nur beim Mailänder Herzog, sondern auch beim Sultan in Konstantinopel, dem Erzfeind der Christenheit, um Hilfe zu seiner Befreiung. Deshalb befasste sich der Rat der Zehn als oberstes politisches Strafgericht von Venedig erneut mit dem Fall Jacopo Foscari. Zum Verhör in die Stadt zurückgeholt, gestand der Angeklagte unter Folter alles. Die allgemeine Tendenz war, die Angelegenheit im Hinblick auf die bekannte leggerezza des Delinquenten, seinen Leichtsinn, seine Unüberlegtheit, nicht allzu ernst zu nehmen. Doch der Sohn von Pietro Loredan, Francesco Foscaris einstigem Rivalen um das Dogenamt, sann auf Rache und plädierte für die Todesstrafe. Am Ende einigte man sich auf ein moderates Urteil: eine einjährige Gefängnisstrafe auf Kreta und Fortsetzung der Verbannung.
Was sich während der Prozesstage im Dogenpalast zwischen Jacopo, dem Dogen und seiner Familie abspielte, ist nicht überliefert. Umso mehr hat die letzte Begegnung von Vater und Sohn die Phantasie von Chronisten und Dichtern beflügelt. Sie bildet den Kern aller dramatischen Umsetzungen der Foscari-Saga. Schon die älteste Überlieferung besagt, dass der Doge scheinbar unberührt die flehenden Bitten seines Sohnes, nach Venedig zurückkehren zu dürfen, zurückwies und ihm befahl, dem Gesetz zu gehorchen. Bis zu Byron und Verdi steht die persönliche Tragödie des Dogen im Zentrum, der aus vaterländischer Pflicht seinen Sohn opfert. Bei Byron und Verdi wird der Ablauf der Ereignisse dramaturgisch zugespitzt: Der gefolterte Jacopo Foscari stirbt noch im Dogenpalast. Nur Stunden später bricht der Doge tot zusammen, als man ihn zur Abdankung zwingen will. Beide Foscari werden als Opfer eines grausamen Regimes und einer Verschwörung der feindlichen Loredan-Familie geschildert. Interessanterweise wurde Verdis Oper 1844 nicht wie geplant in Venedig, sondern in Rom uraufgeführt, weil man die Nachkommen der Loredan mit der negativen Zeichnung ihrer Ahnen nicht provozieren wollte. Tatsächlich wurde Jacopo Foscari nach dem Urteilsspruch zurück nach Kreta verfrachtet und starb sieben Monate später, im Januar 1457, im Kerker von Cania (heute Chania) unter ungeklärten Umständen. Sein Grab ist unbekannt, die Akten schweigen. Niemand weiß, ob Jacopo ermordet wurde oder eines natürlichen Todes starb. Auch über seine Schuld oder Unschuld lässt sich nur spekulieren.
Nach dem Tod des Sohnes war der 83-jährige Doge ein gebrochener Mann und begann, seine Amtspflichten zu vernachlässigen. Das war der Anlass, ihn im Herbst desselben Jahres zur Abdankung zu zwingen, ein in der Geschichte der Republik einmaliger Vorgang. In einem demütigenden Ritual wurde dem Greis die Dogenhaube abgesetzt, der Amtsring vom Finger gezogen und zerbrochen. Auf seinen Bruder Marco gestützt, verließ Francesco Foscari den Dogenpalast über dieselbe Treppe, auf der er 34 Jahre zuvor in sein Amt eingeführt worden war. Er starb nur eine Woche später, am Allerheiligentag des Jahres 1457, während ein neuer Doge unter Glockengeläut seine Nachfolge antrat.
Bis heute ist die Interpretation der Geschehnisse umstritten. Sicher scheint, dass die Angriffe auf den Sohn dem Dogen selbst galten. Francesco Foscari hatte nicht nur Neider und Widersacher in der Sippe der Loredan, die man der Verschwörung gegen den Dogen verdächtigte. Seine Kriegspolitik hatte das ganze Patriziat gespalten. Dabei ging es auch darum, wer die Kosten bezahlte und wer zu den Profiteuren gehörte. Und zu den Letzteren zählte mutmaßlich die Familie des Dogen. Francesco Foscari deckte nachweislich immer wieder Verwandte, die ins Visier der Justiz gerieten. Auch der Palastbau, mit dem der alte Doge seinen unbeugsamen Stolz demonstrierte, musste als Anmaßung empfunden werden. Die Familie Foscari hätte ein so kostspieliges Unternehmen kaum wagen können, ohne selbst zu den Kriegsgewinnlern zu gehören. Die erzwungene Abdankung des Dogen zielte auf seine ganze Sippe und die Vernichtung ihrer hochfliegenden Ambitionen. Die Foscari spielten danach tatsächlich nie mehr eine Rolle in der venezianischen Politik.