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Das Haus eines Patrioten
ОглавлениеGiovanni Dario war fast 75, als er aus dem Auslandsdienst entlassen wurde. Es blieben ihm nur noch wenige Jahre, sein vermutlich 1489 fertig gestelltes Haus zusammen mit seiner Lebensgefährtin Chiara zu genießen. „Chiara mia de casa“ nannte er sie liebevoll im Testament, in dem er sie mit dem Hausrecht bedachte. Warum er sie nie geheiratet hat, wissen wir nicht. Bei ihnen wohnten die gemeinsame Tochter Marietta und zwei Söhne seiner verstorbenen Schwester, Francesco und Andrea, die Giovanni Dario von Kreta geholt und mit Regierungsämtern versorgt hatte. Unter seinem Hauspersonal befanden sich auch einige türkische Sklaven.
Dieses Haus war eigenwillig, modern, innovativ, aber auch der venezianischen Tradition verhaftet. Dario frequentierte die gebildeten Zirkel, war Mitglied und mehrmals Vorsteher der Scuola Grande San Giovanni Evangelista, einer Art Eliteclub der cittadini. Er kannte die humanistischen Zukunftsentwürfe, die Visionen von einer Wiedergeburt antiker Größe. Aber welcher Antike? Das war damals die große Frage unter den Bauherren und Architekten Venedigs. Zwei Alternativen wurden diskutiert: a la moderna, mit Säulen, Giebeln und Gesimsen nach dem Vorbild des alten Rom, wie es die Florentiner propagierten, oder al modo venetiano, mit der kostbaren Marmor- und Mosaikpracht, die sich an San Marco und seinen Vorbildern in Konstantinopel orientierte, dem „zweiten Rom“, als dessen Erbin sich Venedig verstand. Die farbige Frontfassade von Darios Haus ist keiner Orientphantasie geschuldet, wie oft behauptet, sondern ein stolzes patriotisches Bekenntnis zum ältesten venezianischen Erbe. Dafür war dem Bauherrn nichts zu teuer. Die seltenen Steinsorten für den Fassadendekor waren enorm kostspielig, besonders der dunkelrote ägyptische Porphyr, der seit tausend Jahren nicht mehr abgebaut wurde. Antiker Porphyr, der in Venedig verbaut wurde, war zum größten Teil schon nach der Eroberung von Konstantinopel 1204 als Beutegut in die Lagune gelangt. Bauherren wie Giovanni Dario sammelten antike Säulen, die von spezialisierten Kristallschneidern in Scheiben gesägt und zum Schmuck der Frührenaissance-Fassaden verwendet wurden.
Die Ca’ Dario ist mit ihrer reichen Marmorpracht unter den Palästen Venedigs ein Unikum. Verwandt ist sie aber mit der Miracoli-Kirche und der kostbar dekorierten Scuola di San Marco, die zur selben Zeit entstanden. Alle drei entstammen der Werkstatt des Bildhauers und Baumeisters Pietro Lombardo, dessen Handschrift viele Bauten der venezianischen Frührenaissance tragen, weshalb man sie unter dem Begriff „lombardisch“ zusammenfasst.
Giovanni Dario starb 1494 mit achtzig Jahren. Seine Tochter, die dank der staatlichen Mitgift im Jahr zuvor in die adlige Sippe der Barbaro eingeheiratet hatte, folgte ihm 1505 mit nur 28 Jahren und hinterließ drei Söhne. Die Ca’ Dario blieb im Eigentum ihrer Nachkommen bis zum Jahr 1818, als die nach dem Untergang der Republik verarmten Erben den Palast an den armenischen Diamantenhändler Giovanni Abdulà (oder Abdoll) veräußerten.