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Der Aufstieg des Francesco Foscari
ОглавлениеIn einer berühmten Rede listete der sterbende Doge Tommaso Mocenigo 1423 die gewaltige wirtschaftliche Potenz der Republik auf: die Flotte mit 36.000 Seeleuten, das Arsenal mit 6000 Werftarbeitern, die Textilmanufakturen mit 16.000 Webern, den enormen Profit aus dem Handel. Venedig war der Welthafen des Mittelalters, seine Einnahmen waren größer als die des gesamten französischen Königreichs. Mocenigo ermahnte die Regierung, Venedigs ‚splendid isolation‘ und damit den Frieden zu bewahren, Grundlage für die Prosperität der Stadt. Konservative wie er wollten Venedig aus den Konflikten der italienischen Staaten heraushalten und kostspielige Kriege zu Lande vermeiden. Die Partei der Jüngeren aber war überzeugt, dass Venedig nur als Territorialmacht im italienischen Machtpoker überleben würde. Außerdem lockten die lukrativen Aussichten bei der Eroberung reicher Städte, Klöster und Ländereien. Anführer der Letzteren war Francesco Foscari, ein Mann, vor dem Tommaso Mocenigo ausdrücklich warnte: Seine Wahl zum Dogen würde Krieg bedeuten und damit das Ende von Venedigs Reichtum.
Solchen Warnungen zum Trotz gelang es Foscari überraschend, den Favoriten Pietro Loredan auszustechen. Das war der Beginn einer folgenreichen Feindschaft zwischen den Clans der Foscari und der Loredan, die zu den ältesten und größten Familien der Stadt gehörten und berühmte Seehelden hervorgebracht hatten. Als Francesco Foscari am 15. April 1423 zum 65. Dogen der Markusrepublik gewählt wurde, war er erst fünfzig Jahre alt, zum zweiten Mal reich verheiratet und Vater von fünf Söhnen und vier Töchtern. Das Durchschnittsalter der Dogen bei ihrem Amtsantritt betrug 72 Jahre.
Francesco Foscari hatte sich nie, wie es sich für einen venezianischen Patrizier gehörte, als Kaufmann im Seehandel bewiesen, sondern immer nur an seiner politischen Karriere gearbeitet. Sein Aufstieg war rasant: Als brillanter und charismatischer Redner, ehrgeizig und gut vernetzt, war er bereits mit vierzig Prokurator von San Marco. Die Prokuratoren waren die höchsten Würdenträger nach dem Dogen und außer ihm die einzigen, die auf Lebenszeit eingesetzt waren. Im Regelfall wurden deshalb auch für diese Positionen betagte Männer gewählt, deren Amtszeit aus Altersgründen absehbar war. Alle anderen Regierungsstellen wurden nach einem Rotationsverfahren besetzt, eine der wichtigsten Maßnahmen, um die Einflussnahme Einzelner zu begrenzen.
Wie sein Vorgänger Tommaso Mocenigo prophezeit hatte, folgte dem Amtsantritt Francesco Foscaris ein dreißigjähriger, kostspieliger Eroberungskrieg auf dem italienischen Festland. Am Ende aber reichte das Staatsgebiet Venedigs bis vor die Tore Mailands und umfasste das ganze östliche Oberitalien. Es wurde zu Land und zu Wasser gekämpft, auf dem Po, dem Gardasee und dem Tyrrhenischen Meer. Legendär wurde der Transport einer ganzen Flotte auf dem Landweg mitten im Winter 1438/39, die von Ochsen durch das Etschtal über die schneebedeckten Ausläufer des Monte Baldo gezogen und mit Seilen und Rampen zum Gardasee hinuntergelassen wurde. Die Kosten für die Söldnerheere waren für die Kriegsparteien immens. Ihre Führer, die condottieri, waren so hoch bezahlt wie moderne Fußballstars und wurden von ihren Auftraggebern hofiert, obwohl sie nebenbei ihre eigenen Strategien verfolgten und je nach persönlicher Interessenlage die Seiten wechselten. So kämpfte Francesco Sforza als Condottiere erst für Venedig gegen Mailand, dann aber gegen Venedig im Dienst des Herzogs Filippo Maria Visconti von Mailand und trat am Ende sogar dessen Nachfolge an.
Zu dem kräftezehrenden Krieg auf dem Festland und der gleichzeitigen Verteidigung der Seehandelsrouten gegen die Türken kamen Naturkatastrophen: Sturmfluten, Hochwasser, Dürren, ungewöhnlich eisige Winter, in denen die Lagune zufror, vor allem aber die Pest. Schon im ersten Regierungsjahr Foscaris forderte die Seuche 18.000 Tote in der Stadt. An der Pest starben innerhalb eines Jahrzehnts vier der fünf Söhne des Dogen. Der letzte war Domenico, sein Ältester. Zwei Tage und zwei Nächte wachte der verzweifelte Doge an seinem Krankenbett, bevor ihn der Senat zurück zur Pflicht rief: Er gehöre dem Staat, nicht der Familie. Domenico starb am nächsten Tag. Nun blieb dem Dogen nur noch sein jüngster Sohn Jacopo.
Über der Porta della Carta, dem prächtigen Eingangstor in den Dogenpalast, ließ sich Francesco Foscari mit dem Markuslöwen verewigen.
Ungeachtet aller privaten und allgemeinen Katastrophen inszenierte sich das Haupt der Kaufmannsrepublik in der Folgezeit in fürstlichem Glanz. Magnificenza hieß das Motto einer neuen Zeit. Venedig trumpfte wie andere Städte Italiens mit spektakulären Bauunternehmen auf. Der Dogenpalast wurde unter Francesco Foscari durch den mächtigen Westflügel an der Piazzetta erweitert und erhielt mit der Porta della Carta ein repräsentatives Eingangstor, über dem der Doge selbst in monumentaler Größe kniend zu Füßen des Markuslöwen in Stein gehauen ist. Es war eine Botschaft an die Venezianer, sich nach dem Vorbild des Dogen Recht und Gesetz zu unterwerfen, vor allem aber war es ein in Venedig einzigartiger Akt der Selbstdarstellung.