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2.11Einsatz verdeckter Ermittler
Оглавление223Der Einsatz verdeckter Ermittler wirft aufgrund einer jüngeren Entwicklung in der Rechtsprechung insbesondere bei Beziehungstaten Probleme auf.41
Beispiel:
224Die Beschuldigte hatte in den Jahren 2001 und 2004 drei leibliche Kinder im Alter zwischen zwei und 20 Monaten durch sanfte Bedeckung – jeweils mit einem Kissen – erstickt. Nachdem sie 2004 im Rahmen einer verantwortlichen Vernehmung durch die Polizei zunächst zu zwei Taten keine Angaben gemacht und die dritte Tat in Abrede gestellt hatte, erklärte sie, dass sie fortan vollständig von ihrem Einlassungsverweigerungsrecht Gebrauch machen wolle.
Ab 2005 wurde ein verdeckter Ermittler eingesetzt, der sich unter einer Legende – Verfassung eines Buches über Chatgewohnheiten – in den folgenden 18 Monaten insgesamt 28-mal mit der Beschuldigten traf; daneben gab es umfangreiche Kontakte per SMS, E-Mail und Telefon. Der verdeckte Ermittler erklärte Anfang 2006 wahrheitswidrig, er selbst habe schon einen jungen Menschen getötet. Nach einem fingierten Zusammentreffen mit dem die Ermittlungen führenden Kriminalbeamten, bei dem dieser bekundete, er sei weiterhin von der Tatbegehung durch die Beschuldigte überzeugt, gestand diese gegenüber dem verdeckten Ermittler eine der Taten, machte Angaben zu ihren Motiven und offenbarte originäres Täterwissen.
In einer danach erfolgten erneuten Beschuldigtenvernehmung – die Legende des verdeckten Ermittlers war zuvor gegenüber der Beschuldigten offengelegt worden – räumte sie sämtliche Taten ein und erklärte in der nachfolgenden richterlichen Vorführung, dass der Inhalt des Haftbefehls, der auf ihren Angaben in der polizeilichen Vernehmung beruhte, zutreffend sei. Sie wiederholte später bei der Exploration durch eine psychiatrische Sachverständige diese Angaben und bestätigte dies im Rahmen der Hauptverhandlung; im Übrigen machte sie dort von ihrem Einlassungsverweigerungsrecht Gebrauch.
225Der 4. Strafsenat des BGH42 führt die vorangegangenen Entscheidungen des 3. Senates des BGH43 und des EGMR44 zum verdeckten Ermittler unter Geltung des „nemo-tenetur-Grundsatzes“ fort. Wörtlich: „Die Vorgehensweise des Verdeckten Ermittlers war verfahrensrechtlich unzulässig, weil er der Angeklagten unter Ausnutzung des im Verlauf seines fast anderthalb Jahre dauernden, in der Intensität zunehmenden Einsatzes geschaffenen Vertrauens selbstbelastende Angaben entlockt hat, obwohl sie sich bei ihrer polizeilichen Vernehmung … für das Schweigen zu den gegen sie erhobenen Tatvorwürfe entschieden hatte …. Das Gespräch mit dem Verdeckten Ermittler …, in dem die Angeklagte die Tötung ihres Sohnes … einräumte, stellt sich wegen der vorausgegangenen Einwirkungen auf die Entscheidungsfreiheit der Angeklagten ‚als funktionales Äquivalent einer staatlichen Vernehmung‘ dar.“
Praxistipp: | |
226 | Hat sich der Beschuldigte bereits auf sein Einlassungsverweigerungsrecht berufen, darf der verdeckte Ermittler ihn nicht unter Ausnutzung eines geschaffenen Vertrauensverhältnisses zu einer Aussage drängen und ihm in einer vernehmungsähnlichen Befragung Erklärungen zum Tatgeschehen entlocken.45 |
227Zum anderen sind nicht nur die Angaben des Beschuldigten gegenüber dem verdeckten Ermittler unverwertbar, sondern grundsätzlich auch unmittelbar nachfolgende Vernehmungen, sofern „bei der Vernehmung die rechtsstaatswidrige Beweisgewinnung durch den Verdeckten Ermittler“ fortwirkt.46
228Offen bleibt dabei, ob hier nicht der Vernehmende durch eine qualifizierte Belehrung – Hinweis auf die Unverwertbarkeit der gegenüber dem verdeckten Ermittler gemachten Angaben vor erneuter Beschuldigtenvernehmung – diese Fortwirkung unterbrechen kann. Der 3. Senat hat diese Möglichkeit angedeutet, aber nicht weiter verfolgt, da in dem damals zu entscheidenden Sachverhalt – quasi entgegengesetzt – der vernehmende Polizeibeamte gegenüber der Beschuldigten der objektiven Rechtslage zuwider behauptet hatte, die Angaben gegenüber dem verdeckten Ermittler seien gerichtsverwertbar.