Читать книгу Vernehmungen - Heiko Artkämper - Страница 84
2.12Heimliches Aufzeichnen von Gesprächen mit Besuchern während der Untersuchungshaft
Оглавление229Teilweise versuchen die Ermittlungsbehörden, Informationen von dem inhaftierten Beschuldigten dadurch zu erhalten, dass sie seine Besuchskontakte überwachen. Regelmäßig (aber nicht immer) geschieht dies offen, indem ein Beamter an dem Besuchsgespräch teilnimmt.
Beispiel:
230Gespräche des in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten mit seiner Ehefrau wurden entsprechend einem Beschluss des Gs-Richters in einem separaten Besuchsraum ohne erkennbare optische und akustische Besuchsüberwachung ermöglicht. Allerdings hatte das Amtsgericht zugleich antragsgemäß die verdeckte Abhörung und Aufzeichnung dieser Gespräche angeordnet.
231Die Maßnahmen beinhalten keine Verstöße gegen die §§ 100f, c StPO: Haft- und Besuchsräume unterfallen nicht dem Schutz des § 100c StPO, da sie keine Wohnung darstellen und das Abhören daher keinen „großen Lauschangriff“ darstellt.47
232Rein formell und auch materiell lagen darüber hinaus die Voraussetzungen des § 100f StPO, der die akustische Überwachung außerhalb von Wohnungen ermöglicht, vor. Trotzdem gelangte der 1. Strafsenat zu einem Verwertungsverbot. Gemäß § 119 Abs. 3 StPO a. F. in Verbindung mit Nr. 27 UVollzO waren Besuche während der Untersuchungshaft regelmäßig erkennbar zu überwachen; in der Praxis waren Vollzugs- oder Polizeibeamte und Dolmetscher anwesend.
233Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass bewusst ein separater Besuchsraum verwendet wurde, der bei dem Beschuldigten den Eindruck erwecken musste und sollte, hier ungestört und unüberwacht mit seiner Ehefrau sprechen zu können.
234Die nach strafprozessualen Vorgaben zulässige Maßnahme tangiert daher einerseits den Grundsatz des nemo tenetur se ipsum accusare; sie dürfte – da aktives Tun durch die Zuweisung des separierten Raumes vorliegt – die Grenzen der kriminalistischen List in Richtung einer Täuschung im Sinne des § 136a StPO überschreiten. Zu Recht stellte der BGH klar, dass jedenfalls die Gesamtumstände zu einer staatlichen Totalüberwachung des Beschuldigten – ohne jegliche Rückzugsmöglichkeit in eine Privatsphäre – führen, die mit einem fairen Verfahren nicht zu vereinbaren sind. Genau betrachtet wird aber eine derartige Rückzugsmöglichkeit durch die durch die Strafverfolgungsbehörden geschaffene Situation vorgespiegelt.
Praxistipp: | |
235 | Täuschen die Ermittlungsbehörden im Hinblick auf die Überwachung von Besuchen während der Untersuchungshaft, so liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des „fair trial“. |