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Als Carl und ich die Gaststube betreten, werden wir erneut in Nebel getaucht. Carl fächert mit seiner Hand vor seiner Nase herum, während ich die Luft anhalte.

Meine Augen tränen, mein Atem geht flach. Ich ziehe meinen Tabakbeutel und die Papiere aus der Hosentasche, drehe mir eine Zigarette und zünde sie an. Den Inhalt des ersten Zugs blase ich Carl direkt ins Gesicht, weil er mich so vorwurfsvoll anblickt.

Wenn du selber rauchst, spürst du den Rauch der anderen nicht so sehr“, rechtfertige ich mich.

Aha. Woher der Spruch? Aus einer dieser Gesundheitsfibeln?“

Nein. Von mir. – Aber viele Raucher denken sicher ebenso.“

Vielleicht wird bei uns deshalb so viel geraucht.“

Möglich.“

Dreh mir auch eine.“

Scherz.“

Ernst.“

Mehr aus Neugier als zum Vergnügen drehe ich ihm die Zigarette.

Feuer.“

Er, der militante Nichtraucher, nimmt einen tiefen Zug, schaut nicht anders drein als sonst, hustet nicht, wankt nicht, inspiziert seelenruhig das Lokal.

Die Jäger und Förster sitzen auf sechs Tische verteilt und sind mit Rauchen, Gesprächen und Wiener Schnitzeln beschäftigt. Niemand scheint sich für uns zu interessieren.

Ganz hinten, am Ende der Nebelwand, sitzt Manuel. Er hat neben Gottfried Schleinzer Platz genommen, dem Almdorfer Pfarrer, einem friedfertigen, gottesfürchtigen Feinspitz Ende fünfzig. Dieser spießt gerade mit der Gabel eine Petersilienkartoffel auf und führt sie zum Mund. Manuel hat uns entdeckt und winkt uns herbei. Der Pfarrer schaut in unsere Richtung, lächelt uns freundlich zu, steckt die Kartoffel in den Mund, legt die leere Gabel auf dem Tellerrand ab und hält seine Arme leicht abgewinkelt in die Höhe. Er beginnt zu sprechen, und das klingt, als wolle er uns mit einer kleinen Predigt auf Arabisch willkommen heißen.

Ischhod! Ischhwadschohead, dadeheea echwowaschiim awaad haad.“

Er kaut, lacht, blickt zu Manuel, Manuel lacht mit, wir lachen nicht.

Dann schluckt er die Kartoffelreste hinunter und sagt, nun verständlich:

Grüß Gott! Ich habe schon gehört, dass der Herr euch vor Schlimmerem bewahrt hat!“

Manuel lacht erneut.

Allwissend, wie unser Herr nun mal ist, hat er in seiner grenzenlosen Güte dafür gesorgt, dass mir heute Abend drei unversehrte Partner zur Verfügung stehen. Kurz und gut: Ich freue mich auf einen zünftigen Vierer-Watter!“

Manuel lacht nicht mehr. Er tupft sich mit seinem grün-karierten Taschentuch die Stirn trocken.

Ich trete einen Schritt näher an den Tisch, um ihm die Hand zu geben, steige auf etwas Weiches, das Weiche jault auf, ich bücke mich und entdecke unterm Tisch Hundsvieh. Carl, der sich zeitgleich hinunter gebeugt hat, flüstert mir ins Ohr:

Die Schau mit der Kartoffel hat er letztes Jahr doch auch schon abgezogen. Hör zu, Paul, ich brauch heut Abend kein Dauerdéjà-vu. Statt mir kann diesmal der Almwirt oder meinetwegen auch das Hundsvieh hier mit ihm Karten spielen, ich geh nach dem Abendessen lieber voraus zur Hütte und warte dort auf euch.“

(Carl wurde letzten Juli vom Herrn Pfarrer beim mitternächtlichen Zweierschnapser in Grund und Boden besiegt, während Manuel und ich die Hütte auf Vordermann brachten.)

Ich höre ihm nur mit einem Ohr zu, weil ich mich um Hundsvieh kümmern möchte, das wie ein Bärenfell vor mir liegt und mich mit derart traurigen Augen ansieht, dass ich lachen muss. Ich streiche ihm über den Kopf, es zeigt keinerlei Reaktion, ich kitzle es am Bauch, es legt sich zur Seite, hebt eine Pfote, unterdrückt ein Lachen, leckt mir die Finger ab, ich packe seinen Kopf mit beiden Händen, kraule es von der Stirn bis hinter die Ohren, massiere mit den Daumen seine Wangen, führe seine Schnauze an meine Nase und schaue ihm direkt in die Augen.

He, Hundsvieh, was ist los? Beleidigt? Verzeih mir! Ich wollte dir nicht weh tun.“

Hundsvieh schließt die Augen, dreht seinen Kopf von mir weg, leckt seine Pfote und winselt dabei leise vor sich hin.

Einige Zeit später sollte ich erfahren, was es mir an jenem denkwürdigen Abend mitteilen wollte:

Du scheinst aber auch gar nichts zu kapieren. Jetzt hast du mir schon zum zweiten Mal weh getan. Aber pass mal auf: Wegen so einer Kleinigkeit soll ich beleidigt sein? Angesichts dessen, was auf uns, was auf dich und mich zukommt, war das ein kleines Häufchen.“

Über mir vernehme ich Tellergeklapper und Stimmengewirr, höre den Wirt „Guten Appetit!“ sagen und den Pfarrer „Gott sei Dank!“, nehme Manuels Gestammel wahr: „Äh, nicht böse sein, Herr Pfarrer, wenn ich heute Abend nicht beim Watten dabei sein kann, aber in der Hütte gibt es diesmal ziemlich viel zu erledigen“, grinse über Carls Fluch, der sich nach „Au-verdammt-ist-das-heiß“ anhört, grinse nicht mehr, als er ein „Und ich muss Manuel leider chauffieren, aber ich denke, Paul hat sicher genügend Zeit für Sie“ nachlegt, trete ihm ans Schienbein und registriere zufrieden ein „Au-verdammt-tut-das-weh“. Hundsvieh stupst mich mit der Pfote an. Heißt das nun „Gut gemacht! Weiter so!“ oder „Hör auf! Halt dich doch nicht mit solchen Kleinigkeiten auf!“?

Andrerseits, mir soll´s recht sein, wenn die beiden gleich nach dem Essen Richtung Hütte verschwinden, so spare ich mir sowohl das viele Geld für die vielen Obstler als auch die Schinderei mit Auspacken, Schleppen und Einsortieren des Zeugs aus dem Kofferraum. Und außerdem: einmal den Abend allein mit dem Pfarrer zu verbringen – wer weiß, ob das nicht Spannung verspricht.

Hör zu, Hundsvieh, du hast zwar den mit Abstand gemütlichsten Platz in dieser Stube, und am liebsten würde ich ja hier bei dir unterm Tisch sitzen bleiben, aber ich hab Hunger und muss mich auch ein wenig mit meinen Freunden und dem Pfarrer unterhalten, einverstanden? Also, bis später! – Hat Manuel dir überhaupt etwas zum Fressen und Saufen besorgt?“

Hundsvieh knurrt leise. „Was ist? Habe ich mich etwa im Ton vergriffen, oder bist du böse auf dein Herrchen, weil es auf dich vergessen hat?“

Sein Brummeln klingt irgendwie nach Dasistnichtmeinherrchen.

Hundswand

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