Читать книгу Hundswand - Heinz Schöpf - Страница 14
Оглавление12
Alles passiert in Zeitlupe. Ich sitze im Liegestuhl, am Ufer des Gardasees. Ein freundliches, dunkelhaariges Mädchen begrüßt mich auf Italienisch. Sie schenkt mir aus einer Flasche Chianti ein Glas ein. Ein Tropfen fällt auf meinen Bauch und sammelt sich in meinem Nabel. Mein Gesicht spiegelt sich in ihren weißen Zähnen. Ein Lächeln wie von Schneewittchen. Acht schlanke Finger, die meinen Nacken berühren. Zwei Daumen, die meinen Kehlkopf entlang streichen. Die Sonne massiert meinen Bauch. Die Stimme von Zucchero reibt an meinen Ohrläppchen. Ich schiele auf schwarz lackierte, kurze Fingernägel. Wie mir das gefällt. Weiche Fingerkuppen gleiten von meinen Wangen zur Oberlippe. Ein Zeigefinger zieht an meiner Oberlippe, ein Daumen an der Unterlippe, wie an einem Gummiband. Mehrere Finger reiben entlang meiner Zähne und bahnen sich einen Weg zu meiner Zunge, die sofort nach dem erstbesten Finger schnappt und sich daran festsaugt. Er schmeckt angenehm nach Fisch und Zitrone. Meine Badehose ist mit einem Mal viel zu klein. Eine fremde Hand gleitet hinunter, um den Stoff zurechtzurücken. Eine Zunge leckt den Tropfen Chianti aus meinem Nabel. Und genau in dem Moment, als sich das Gesicht des Mädchens über meines beugt, ihre Haare auf meiner Schulter zu liegen kommen und eine Gänsehaut in den Lenden bewirken, überlagert sich ihr Gesicht mit jenem des Pfarrers, ich nehme ein Räuspern und Schnaufen wahr, das sich nach Hrrmm anhört. Ich schrecke auf, muss niesen, ich blinzle, schließe die Augen aber sofort wieder, weil mich ein grelles Licht in den Nasenlöchern kitzelt. Meine Nasenspitze wird von etwas Weichem, Feuchtem, Rundem berührt, das sich anfühlt und duftet wie der Hut eines jungen Steinpilzes, ich greife nach ihm, will ihn pflücken, und ab nun geschieht alles im Zeitraffer, der Pilz beißt mir in die Hand, gleichzeitig werde ich unsanft von zwei Gewichten niedergedrückt, die sich mit Wucht an meine Schulterblätter gelegt haben, ich muss ein weiteres Mal niesen, weil mich schon wieder etwas in den Nasenlöchern kitzelt, mein geschultes, aber lädiertes Gehirn denkt sofort negativ, redet mir eine beginnende Sommergrippe ein, meine schmerzende Hand fährt zur Nase, kommt mit langen, dünnen Fäden in Berührung, meine Finger schnappen nach ihnen, sie fühlen sich an wie Harfensaiten, die Saiten jaulen auf, als meine Finger daran zupfen, und noch bevor mein Gehirn die neuen Bilder in meinem Kopf ordnen kann, beißt mir ein warmes Etwas in die Nasenspitze, diesmal sanfter und liebevoller, meine Atmung beruhigt sich, das Gesicht des Mädchens blickt mich an, bereit für den ersten Kuss, von weit her erschallen Schalmeienklänge, auf einmal wird meiner Zunge Gewalt angetan, jemand will sie mir aus dem Mund reißen, meine Nasenflügel werden zugedrückt, meine Lider von den Augäpfeln gezogen, die Netzhäute mit grellem Licht beschienen, das Weiche, Feuchte, Runde entpuppt sich als rosa Schlauchboot, legt sich um meine Lippen, pumpt mich mit abgestandener Luft voll, mein Brustkorb wird durchgeknetet wie Brotteig, zu viel Luft! möchte ich schreien, dreht mir lieber eine Zigarette!, ich schlage um mich, lande einen Treffer, erhalte ein gepresstes, wie in eine Mundharmonika hineingesprochenes Gott sei Dank zur Antwort, ein weiteres Hrrmm, irgendwo ganz in meiner Nähe, und sofort darauf, dicht an meinem Ohr, ein Wu.
Hundsvieh.
„Hundsvieh?“
„Teufel! Er lebt!“
Die vertraute, erschöpfte Stimme des Pfarrers.