Читать книгу Hundswand - Heinz Schöpf - Страница 8

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Carl ist von der Autobahn abgefahren. Nun lenkt er den Wagen über die Landstraße, taucht ihn, wie mir scheint, absichtlich in jedes Schlagloch, um Manuel wachzurütteln, das schmutzige Wasser spritzt gegen die Scheiben, die Wischer verschmieren es zusammen mit den zahllosen Leichen von Mücken und Schmeißfliegen zu gelb-grauen Schlieren, der Auspuff gurgelt wie ein verstopfter Darm, Manuel gähnt unverfroren in seinen Ellbogen, anstatt Carl ins Lenkrad zu greifen und ehrlich zu sagen: „Andere Seite! Dort drüben geht’s lang! Und, Selma, dass du`s nur weißt, lass uns jetzt einfach mal zwei Tage und zwei Nächte in Ruhe! Bring deine Hütte gefälligst selber auf Vordermann, nein, Verzeihung, Frau Gender, auf Vorderfrau, fleißig und stark, wie du bist, was du ja bei jeder Gelegenheit betonst.“

Hundsviehs rechte Pfote liegt zufrieden auf meiner rechten Schulter, die linke auf meinem linken Oberschenkel, sodass der Fahrer hinter uns wohl nur an das eine denken wird: Du meine Güte, da vorne geht hinten die Post ab.

Der Unterboden schleift und reibt über Schutt und Geröll, so vollgepackt ist der Kofferraum mit unseren Rucksäcken, mit Wolldecken, Putzmitteln, Geschirr und Paletten mit Hundewurst, Konservendosen sowie Plastiktaschen verschiedenster Inhalte: gefüllte Paprika in Tomatensoße, gefüllte Tomaten in Paprikasoße, acht Schätze süß-sauer, Kalbsgulasch Jägerart, Hundekuchen Großmutterart, Naturschnitzel Zigeunerart, Mohr im Hemd, diverse Leckerlis für den Hund, zwanzig Liter Grauvernatsch im Tetrapak für die Jäger und Förster (von Selma zuvor in eine noble Karaffe umgefüllt), die zu früher Morgenstunde mit ihrem Restalkohol vom Vorabend an der Hütte vorbei kommen, um nach ein paar Begrüßungsgläschen beschwingt zu ihren Hochständen aufzubrechen – insgesamt also weit über 100 Kilogramm Proviant an Bord, ausreichend für eine dreiwöchige Europatournee des Städtischen Sinfonieorchesters. Plus 80 Kilogramm Übergepäck. Hundsvieh.

Das Bepacken des Kofferraums hat 40 Minuten in Anspruch genommen, was genau der Wegstrecke von hier bis nach Brixen entspricht. Wir könnten also längst in Italien sein.

Drei vorgebackene Wiener Schnitzel vom Almschwein und ein Kilo gekochte Petersilienkartoffeln, die uns Selma für den morgigen Abend portioniert hat (heute sollen wir laut ihrer Anweisung beim Almwirt in Almdorf zu Abend essen), befinden sich eingeschweißt in einer Frischhaltefolie in der Auftauphase auf der Rückbank links von Hundsvieh, dessen Nase merkwürdigerweise mir zugewandt ist, das auftauende Schwein konsequent ignorierend. Irgendetwas ist da faul. Entweder hat das Schwein sein Ablaufdatum überdauert, oder Hundsviehs feine Nase wittert etwas anderes, weit Wichtigeres, eine Aura, zu der wir Menschen keinen Zugang finden. Kein Hund der Welt beschäftigt sich mit einem Menschen rechts von ihm, wenn links drei Wiener Schnitzel vom rosa Almschwein im Begriff sind, ihr zartes Aroma zu entfalten. Oder ist Hundsvieh schlichtweg Vegetarier?

Jetzt legt es seine Schnauze auf meinen Oberschenkel und beginnt, in meinen Schoß zu weinen, nicht etwa zu winseln wie normale Hunde, nein, es weint und wimmert wie ein Mann, der sich für seine Schwäche schämt, ganz leise, damit es nur ja niemand merkt. Ich streiche ihm sanft über den Hinterkopf, schiebe seinen Ohrlappen zur Seite und raune ihm ebenso leise in seinen empfindlichen Gehörgang:

Reiß dich zusammen, alter Junge. Sei ein Mann.“

Meine Oberschenkel sind derart vollgesabbert, dass ich Hundsvieh an den Schlappohren hochziehe und seinen Kopf ziemlich grob mit beiden Händen zuerst in die Höhe und dann ein Stück von mir weg stemme. Viel zu unfreundlich sage ich: „Halt endlich die Fresse. Ich wär ja auch lieber nach Limone gefahren und weine dir deshalb nicht das Fell voll.“

Nun endlich winselt es, wie es sich für einen richtigen Hund gehört.

Der Rückspiegel starrt mich mit Manuels Augen finster an.

Ob er für Hundsvieh und dessen labile Gemütslagen auch verschiedenfarbige und -gemusterte Taschentücher eingepackt hat?

Hundswand

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