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Däumling

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»Er legte sich hinter den Grashalm, um den Himmel zu vergrößern.«

Noël Bureau

Eigentlich braucht es nicht mehr als diesen Satz von Noël Bureau, um das Wesen des Däumlings – und womöglich des Kindes – zu erfassen. Alle Kinder sind Däumling.

Indes, der Psychoanalytiker Otto Rank weist uns auf einen verblüffenden Aspekt der Däumlingsexistenz hin, den wir wohl zu kennen glauben, der uns allerdings so abwegig fern ist, dass wir ihn zumeist aus unserem Gedankengut verbannt haben (nur der Neurotiker erlaubt sich, wie wir sehen, dieses Hirngespinst). Otto Rank schreibt über den Däumling, »der merkwürdigerweise ebenso spielend die unmöglichsten Aufgaben löst. Seine ›Tumbheit‹ ist aber nichts anderes als ein Ausdruck seiner Kindlichkeit, er ist auch ein infans, so unerfahren wie der neugeborene Gott Horus, der mit dem Finger im Mund dargestellt wird. Je dümmer, also je kindlicher er ist, desto eher gelingt ihm die Erfüllung des Urwunsches, und hat er gar nur die Größe der ersten Embryonalzeit, wie der Däumling unseres Märchens, dann ist er beinahe allmächtig und hat den Idealzustand erreicht, von dem noch der Neurotiker so häufig träumt und den die neugeborenen mythischen Helden zu verkörpern scheinen: nämlich wieder ganz klein und dabei doch aller Vorteile des Erwachsenen teilhaftig zu sein.«59

Aber sind es wirklich nur die Neurotiker, die davon träumen?

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