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Ein Hauch von Vorfrühling lag über der weiten Ebene des polnischen Lehnsherzogtums Kurland, als Cagliostro in Mitau einfuhr, der Residenzstadt mit ihren rund siebentausend Einwohnern. Nicht nur die ersten warmen Strahlen der Februarsonne beschwingten ihn, auch der Gedanke, nach dieser langen Wegstrecke St. Petersburg, seinem ersehnten Ziel, wieder ein gutes Stück nähergekommen zu sein, beflügelte ihn.

Wenige Tage nach seiner Ankunft in dem kleinen, malerischen Städtchen an den Flüssen Drixe und Aa meldete er sich beim Landmarschall und Oberrat von Medem, Ritter des Königlich-Polnischen Stanislaus-Ordens, und gab vor, ein spanischer Graf und Oberst zu sein. Seine Oberen hätten ihn nach Norden geschickt unter anderem auch hierher, wichtige Angelegenheiten, wie man sich wohl denken könne. Er sei Freimaurer genau wie der Herr Marschall. Man habe ihm gesagt, dass er Meister vom Stuhl in der hiesigen Freimaurerloge sei.

Von Medem nickte, erstaunt darüber, wie gut der Fremde über ihn Bescheid wusste.

Deshalb hätten ihn seine Oberen auch an den Herrn Marschall verwiesen, ebenso an seinen Bruder und an Kammerherrn von der Howen. Er wäre ihm daher zu tiefem Dank verpflichtet, wenn er ihm die Bekanntschaft mit diesen Herren ermöglichen würde, damit er ihnen gemeinsam die Botschaft seiner Oberen übermitteln könne.

Schon seit früher Jugend hatten die beiden Brüder von Medem einen Hang zur Chemie und mystischen Weisheit, angeregt durch Hofrat Müller, den Bruder ihres Hauslehrers, und in Jena auf der Akademie mit einem gewissen Hofrat Schmidt, der später in Geheimgesellschaften viel von sich reden machte, eine lebenslange, enge Freundschaft geknüpft. In Halle schlossen sich die Brüder dann der Freimaurerei an, da diese, wie ihnen die beiden Hofräte versicherten, mit der Magie und Alchimie verbunden sei. Dreißig Jahre waren inzwischen verflossen, seit die Brüder über die vermeintlichen Geheimnisse beständig gedacht, gelesen und gearbeitet hatten, als Cagliostro bei ihnen erschien und die Bühne, auf der er seine Rolle spielen wollte, gut vorbereitet fand.

Auch Seine Exzellenz, der mit ihnen befreundete Oberburggraf von der Howen, gleichfalls ein aktiver Freimaurer, war von ähnlichen Vorstellungen beseelt. Nach Wahrheit forschend, hatte er als Jüngling in Straßburg die Bekanntschaft eines Mystikers gemacht, der vorgab, mit höheren Geistern in Verbindung zu stehen. Ohnehin dem Wirken übernatürlicher Kräfte zuneigend, ließ sich von der Howen durch allerlei Blendwerke und Vorspiegelungen leicht von der außerirdischen Geisterwelt des anderen überzeugen und hatte auch jetzt noch, trotz seines sonst so scharfen Verstandes, seine Schwäche zu Geheimwissenschaften beibehalten. Erst durch die Erfahrungen, die er mit Cagliostro machte, und durch weiteres Nachdenken gelangte er endlich zu der Überzeugung, dass man auf diesem Weg nur die eine Wahrheit entdeckte: nämlich so zum Spielball intriganter Gaukler zu werden.

Doch davon ahnte er noch nichts, als Marschall von Medem und dessen Bruder ihm den spanischen Grafen als einen erfahrenen und kenntnisreichen Freimaurer vorstellten. Nach einigen Gesprächen, an denen auch der gleichgesinnte Major von Korff teilnahm, waren alle von Cagliostro sehr eingenommen.

Mit wachsender Aufmerksamkeit hatte Freifrau Elisa von der Recke, die fünfundzwanzigjährige Tochter des Barons und späteren Reichsgrafen Johann Friedrich von Medem, die Zusammenkünfte verfolgt und brannte darauf, mit ihrer Tante und Kusine diesem Hüter so vieler Geheimnisse näher zu kommen, denn auch sie war eine jener empfindungstiefen Naturen, die einen nicht geringen Teil der Anhänger umhervagabundierender Wundermänner ausmachten. Schon in ihrer frühen Kindheit hatte sie von Alchimie und Magie, von Schmidt und Müller viel sprechen hören, und die wundersamen Geschichten Emanuel Swedenborgs, des schwedischen Naturforschers und Theosophen, waren ihr aus vielen Unterhaltungen vertraut. Doch das alles beeindruckte sie in den ersten Jugendjahren nicht mehr als die Geschichten vom Ritter Blaubart. Die Einladung zu einem Ball oder Konzert reizten sie stärker als ein Stelldichein mit Geistern.

Vorbei war es mit den Abwechslungen und Vergnügungen der großen, schillernden Welt, als sie mit siebzehn Jahren heiratete und ihrem Mann in die stille Einsamkeit auf dem Land folgte. Um sich die Langeweile zu vertreiben, begann sie alles zu lesen, was ihr gerade in die Hände fiel, wobei ihr erbauliche Schriften, die ihre Seele in eine religiös-schwärmerische Stimmung versetzten, zur Lieblingslektüre wurden, vor allem Lavaters Gedanken über die Kraft des Gebets sowie sein Tagebuch, das auch sie zur täglichen Selbstprüfung erweckte. Von tiefer, hingebungsvoller Liebe zu Jesus durchdrungen, war Religion bei ihr Leidenschaft, nicht bloß eine Stütze ihrer Tugend. Diese Frömmigkeit verlieh ihr auch die Kraft, mit stiller Ergebenheit das Schicksal ihrer unglücklichen Ehe mit dem Freiherrn Magnus von der Recke zu ertragen. Immer stärker wurde der Drang, dem Alltag zu entfliehen, dem ungeliebten Dasein, weg von allem Irdischen, und sich in mystische Phantasien hineinzuträumen, in denen Lavater ihr ein noch lebender Jünger des göttlichen Vorgängers zu sein schien. Nach und nach reifte in ihr die Überzeugung, dass auch sie, wenn sie nur nach völliger Reinheit der Seele strebte, in die Gemeinschaft höherer Geister aufgenommen werden könne. Die Gespräche, die sie im Elternhaus über Swedenborg und Schmidt gehört hatte, fielen ihr nun wieder ein und begannen auf ihre Gedankenwelt einzuwirken.

Ihr über alles geliebter ältester Bruder, den sie in ihr Herz geschlossen hatte, teilte ihre Geisteshaltung, wenn er es auch mehr mit den griechischen Philosophen hielt und bei Pythagoras und Plato Spuren jener Weisheit zu finden glaubte, nach der beide Geschwister strebten. Sein unerwarteter Tod erst vor wenigen Monaten in Straßburg traf sie darum besonders schwer und ließ sie noch stärker Zuflucht in der Mystik suchen. In dieser Gemütsverfassung befand sich Elisa von der Recke, als Cagliostro im Februar 1779 in Mitau eintraf, wo sie ihm erstmals im Haus ihres Onkels begegnete.

Der Magier und die Halsbandaffäre

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