Читать книгу Der Magier und die Halsbandaffäre - Helmut Höfling - Страница 19
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ОглавлениеNach einigen Tagen verließ die Gesellschaft Alt-Autz. Die Zeit, die Cagliostro noch in Mitau blieb, wohnte er weiterhin mit seiner Frau im Haus des Barons Johann Friedrich von Medem, wo Fremde nun nicht mehr zu ihm vorgelassen wurden.
Täglich hielt er im engen Kreis der Eingeweihten magische Vorlesungen, in denen er sie, obwohl des Französischen kaum mächtig und dazu noch mit holperiger Aussprache, die verborgene Weisheit der Magie in mystischen Bildern lehrte. Eine gewisse hinreißende Beredsamkeit glaubten ihm viele, die ihm wohlgesinnt waren, bescheinigen zu müssen, untermalt von äußerst heftiger Gestik und Mimik. Doch auf hochfliegende Gedanken folgte manchmal so viel Plattes, dass seine Zuhörer alle Augenblicke an ihm irrewurden.
Bei einem Vortrag versteifte er sich zu der Behauptung, Moses, Elias und Christus seien nun selbst Schöpfer so mancher Welten, und die treuen Schüler dieser Vorsteher unseres Erdballs könnten am Ende auch selbst Welten schaffen und beseligen. Was er damit genau sagen wollte, überließ er seinen Jüngern, sollten sie sich doch selbst den Kopf darüber zerbrechen.
War denn Cagliostros ganze sogenannte magische Philosophie nicht voll mit solchen Anspielungen, die er vermutlich genauso wenig verstand wie jeder normale Mensch auch, der seine fünf Sinne beisammen hat? Das jedenfalls war Hofrat Schwanders Ansicht, als Elisa sich mit ihm darüber unterhielt. Was unternahm er nicht alles, um in den Menschen Erwartungen zu wecken, sie hoffen zu lassen, um sie sich hörig, sich gefügig zu machen! Und wie ähnelte dabei sein Vorgehen der Taktik all der anderen hinterhältigen Betrüger! Reichtum, Gesundheit, langes Leben, Herrschaft über die Geister- und Körperwelt: Das alles boten sie ihren Schülern aus ihrem magischen Füllhorn dar und herrschten durch all diese Vorspiegelungen über ihre blindgläubigen Eingeweihten, die sie für sich wie Maschinen einsetzten, ganz nach Belieben. Durch den Hang zur Magie gerate man in die Gefahr, von der wahren Religion abzuweichen, die Welt für eine Zauberlaterne zu halten und Gott, den Schöpfer der Welt, den Allmächtigen zu einem ohnmächtigen Wesen zu erniedrigen, das eine Schar von Gehilfen brauche, um das Werk seiner Schöpfung in Ordnung zu halten. Übrigens führe genauso auf der anderen Seite der Hang zur Alchimie von der wahren Wissenschaft der Physik und Chemie weg und bringe sogar so manchen an den Bettelstab. Wer diesen Leidenschaften verfallen sei, werde weich wie Wachs in den Händen niederträchtiger Gaukler, die diese Verblendeten durch den persönlichen Umgang mit ihnen, durch mystische und mysteriöse Schriften seelisch so verformten, dass sie Aberglauben und Irrtum für die heilige Wahrheit hielten.
Oft verbreitete Cagliostro in seinen magischen Vorlesungen sogar Lehren, die selbst so treu ergebene Schüler wie Elisa von der Recke befürchten ließen, er stehe der Nekromantie näher als der Magie. Wenn sie ihn aber deswegen unter vier Augen darüber befragte und ihn vor den Versuchungen der Dämonen warnte, dann versuchte er ihr einzureden, er müsse seinen Zuhörern solche Fallen stellen, um alle, die es zur schwarzen Magie hinziehe, beizeiten zu entfernen und ihre Neigungen auf andere Gebiete zu lenken: So würden sie unschädlich gemacht und könnten sich nicht ganz dem bösen Prinzipium zuwenden.
Seine Ausführungen vermochten sie jedoch nicht zu überzeugen, im Gegenteil, sie wurde misstrauisch gegen ihn und begann ihn für einen Menschen zu halten, der schon zur schwarzen Magie hinstrebte: eine Besorgnis, die sie mit anderen Gläubigen teilte. Oft flehte sie in Gebeten zu Gott, ihr und ihrer aller Held möge den Versuchungen der bösen Geister widerstehen und zum Grad der Vierundzwanziger aufsteigen, ohne sich der Nekromantie hinzugeben.
Bei einer dieser Vorlesungen, während der sie sich übrigens keine Notizen machen durfte, begann erstmals ihr Vertrauen in ihn zu schwinden, als er über Vers zwei und vier im sechsten Kapitel des ersten Buchs Mosis einige Lehren der Dämonologie vortrug, die sie moralisch empörten.
Wie könne er nur so geschmacklos sein, so schamlos und frivol, beschwerte sie sich bei ihrem Vater, so von der Liebe zu sprechen, die zwischen den Kindern des Himmels und der Erde geherrscht haben soll! Nicht nur Christus, sondern auch er selbst verdanke solch einer Vereinigung sein Dasein. Die Halbgötter, von denen die Griechen in ihrer Götterlehre sprechen, seien, wie er behauptet, nichts als Früchte einer ähnlichen Liebe. Nein, so etwas könne sie nicht länger mit anhören. Sie habe Besseres zu tun, als mit solchen Widerlichkeiten und Gotteslästerungen die Zeit zu vergeuden. Einem solchen Mann, den die bösen Geister schon besiegt hätten, könne sie nicht länger vertrauen.
Ihr Vater beschwichtigte sie, nicht so streng mit ihm ins Gericht gehen. Er meine es vielleicht ganz anders, als er es in seinem schlechten Französisch gesagt habe. Sie solle nicht wegbleiben, wenn er morgen seine nächste Vorlesung halte. Was er wohl sonst von ihnen denken werde.
Trotz ihrer ablehnenden Einstellung versprach sie ihrem Vater, da er sie inständig bat, das nächste Mal wiederzukommen: eine Zusage, die sie schon bald bereute. Denn in einer anderen Vorlesung gab er Anleitungen zum Besten, wie man eine Frau, die nicht lieben wolle, durch magische Mittel gefügig machen könne, sogar zur geschlechtlichen Vereinigung mit jedem Mann, der sie begehre. Von all seinen Schülern wegen dieser schlüpfrigen Äußerungen zur Rede gestellt, versuchte er sich mit der an ihm gewohnten List und Doppelzüngigkeit herauszuwinden. Er habe sie alle prüfen müssen, versicherte er seinen Jüngern, deren Sittenstrenge und Standfestigkeit ihn aufs Höchste erfreue.
Teils betrübt, teils entrüstet über seine magischen Rezepte zur Widerspenstigen Zähmung war Freifrau von der Recke nun fest entschlossen, solchem Geschwafel und all seinen Possenreißereien künftig fernzubleiben und ihm ihre Mitreise nach Petersburg, zu der er sie immer noch drängte, jetzt erst recht abzuschlagen. Um ihm nicht unter die Augen zu treten, blieb sie am folgenden Tag zu Hause, unter dem Vorwand, krank zu sein. Damit aber gab sich Cagliostro nicht zufrieden und schickte wieder den alten, ehrwürdigen Herrn zu ihr, der sich schon früher bei solchen Missionen bewährt hatte. Diesmal blieb ihm der Erfolg versagt: Elisa schützte ihre Krankheit vor, die es ihr verbiete, an der Versammlung unter Cagliostros Leitung teilzunehmen.
Doch der Magier ließ nicht locker und schickte nun eine zweite Gesandtschaft los, zu der er den Buchhändler Hinz und einen weiteren guten Bekannten erkor. Ob sie wirklich krank sei, erkundigte sich Hinz, als er Elisa in ihrem Schreibzimmer traf, eine Frage, die sie natürlich verneinte. Sie wolle einfach nicht mehr länger die Schülerin eines Lehrers sein, der ihr schon allzu enge Beziehungen zu bösen Geistern zu haben scheine. Auch sie sei jetzt misstrauisch geworden und frage sich verwundert, warum erst so spät.
Besser spät als nie, meinte Hinz,. er freue sich jedenfalls für sie, dass sie aus ihren Träumereien aufgewacht und auf den Boden der Realität zurückgekehrt sei. Doch das Wort Träumerei wollte sie nicht gelten lassen. Ihr Argwohn richte sich nur gegen Cagliostro, nicht aber gegen die göttliche Kraft der Magie.
Betreten sahen sich die beiden Besucher an und schwiegen. Hat Frau von der Recke sich erst einmal vom Magier abgewendet, so folgerten sie, wird sie sich bald auch von ihrer Verstrickung in die Magie befreien.