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Wenige Tage danach kündigte Cagliostro seine baldige Abreise von Mitau an, seine Oberen hätten ihm den Befehl erteilt, unverzüglich nach Sankt Petersburg zu fahren. Verwirrt bestürmten ihn seine Anhänger mit Fragen. Zwar hatten sie gewusst, dass sein Aufenthalt in Kurland nur als Unterbrechung auf dem Weg nach Russland geplant war, aber nach den vielen Wochen sich schon so sehr an seine Gesellschaft gewöhnt, dass die Mitteilung sie um so mehr überraschte.

Was sollte denn jetzt aus dem Schatz in Wilzen werden, wer ihn heben und wann? sorgte sich der Landmarschall, worauf Cagliostro sich in Ausflüchte rettete, dafür sei es zu früh, den genauen Zeitpunkt könne er leider noch nicht bestimmen. Wahrscheinlich werde er von Sankt Petersburg aus einen würdigen Vertreter senden, um den Schatz zu bergen, möglicherweise aber auch er selbst auf der Rückreise diese für ihrer aller Wohl so bedeutsame Arbeit erledigen. Doch zunächst einmal sei er froh, dem Gesandten des bösen Prinzipiums zuvorgekommen zu sein und die magischen Schätze so befestigt zu haben, dass sie nun nie in die Hände der Nekromantisten fallen könnten. Wie dem auch sei, der Herr Landmarschall solle nie vom einmal eingeschlagenen Weg abweichen, ihm und seiner Lehre treu bleiben und weiterhin unermüdlich nach höheren Kräften streben.

Im Laufe der Unterhaltung, bei der es unter anderem auch um die Kunst des Goldmachens und der Perlenschmelze ging, erwähnte jemand die ungewöhnlich großen Perlen der verwitweten Herzogin, wahre Prachtexemplare! Wenn man nicht wüsste, dass die Herzogin nur echten Schmuck trägt, könnte man sie für künstliche halten.

Es seien echte Perlen, versicherte Cagliostro, er habe sie einige Male an ihren Händen bewundern können. Sie seien nicht nur echt - wenn auch echt in anderem Sinn -, er kenne sie sogar sehr genau oder besser gesagt: Er habe sie wiedererkannt. Denn früher hätten sie jemand anders gehört, einem bankrotten Freund in Holland. Um ihm wieder auf die Beine zu helfen, habe er aus den Barockperlen seiner Frau, lauter kleine, schrumpelige Dinger, diese großen Perlen zusammengeschmolzen. Er habe sich dazu entschlossen, weil er ihm ausgerechnet damals weder mit genügend Geld noch Wechseln aus der Verlegenheit helfen konnte.

Auch Elisa von der Recke befand sich gerade jetzt in einer ähnlichen Lage: Für einen guten Zweck brauchte sie einen größeren Geldbetrag, den sie aus ihrem eigenen Vermögen nicht so leicht und schnell genug flüssigmachen konnte. Weil sie dies nicht an die große Glocke hängen wollte, suchte sie Cagliostro noch am gleichen Nachmittag auf, als er allein war, und brachte ihm ihre Perlen. Das Gespräch vorhin über die Perlen der Herzogin und seine Rolle dabei habe sie jetzt zu diesem Schritt veranlasst. Sie wäre ihm sehr verbunden, wenn er auch für sie das gleiche täte wie damals für seinen Freund in Holland, denn im Augenblick sei sie nicht in der Lage, die Summe bar zu bezahlen. Den Mehrerlös aus dem Verkauf der umgewandelten großen Perlen wolle sie übrigens nicht für sich behalten. Vielmehr könne der Herr Graf den Überschuss für andere Wohltätigkeitszwecke verwenden.

Bekümmert schüttelte er den Kopf. Selbstverständlich hätte er ihr gern geholfen, wenn sie früher zu ihm gekommen wäre. Aber jetzt? Unmöglich! Denn ganze sechs Wochen dauere dieser Umwandlungsprozess, und so lange sei er nicht mehr in Mitau. Seine Oberen hätten seine Abreise für übermorgen angesetzt, und seinen Oberen schulde er bedingungslosen Gehorsam.

Ob er dann nicht die Perlen nach Petersburg mitnehmen und dort umschmelzen wolle? Auch diese Bitte musste er ihr leider abschlagen. Wenn er aber erst mal in Petersburg sei, dann werde er imstande sein, ihrer ganzen Gesellschaft in Mitau und besonders ihr selbst tatkräftige Beweise seiner Fürsorge zu geben, was sie jedoch für ihre Person dankend zurückwies: Er möge sie mit materiellen, überhaupt mit allen weltlichen Gaben verschonen und ihr nur die Gemeinschaft mit höheren Geistern ermöglichen.

Cagliostro schloss die Augen, als müsse er den Wonneschauer voll auskosten, der ihn bei ihren Worten durchrieselte. Nach einer Weile schlug er sie wieder auf und verkündigte ihr weihevoll: Ehe Christus das Amt eines Propheten oder, wie sie sagten, eines Seligmachers übernahm, führte der Versucher ihn erst auf die Zinne des Tempels und lockte ihn durch die Schätze dieser Welt. Weil aber diese keinen Einfluss auf seine reine Seele hatten, da erst erlangte er die nötige Reife, durch Wunder die Welt zu beglücken. Deshalb müsse auch sie sich erst durch die Schätze dieser Welt prüfen lassen, bevor ihr wichtigere Aufgaben anvertraut würden. Widerstehe sie all diesen Verführungen, dann möge sie der große Baumeister der Welt auf dem Pfad der Mystik einsegnen und auf ihrem weiteren Weg leiten, auf dem sie groß werden könne zum Heil und Wohl vieler Tausender.

Elisa von der Recke hatte keinen Einwand mehr, sie war verblendet genug, diesem Gefasel Glauben zu schenken. Was für eine Zukunft tat sich vor ihr auf!

Hatte Cagliostro sie mit Zuckerbrot gelockt, so drosch er auf seinen Diener mit der Peitsche ein. Denn kurz vor seiner Abfahrt von Mitau brach der Herr Graf mir nichts, dir nichts einen Streit vom Zaun und jagte den Lakaien mit Schlägen aus dem Haus. Noch die halbe Straße lang verfolgte er ihn mit dem Stock in der Hand, schreiend und fluchend.

Die Nachricht machte rasch die Runde, und jedermann war darüber unangenehm berührt. Ob es wirklich wahr sei, dass er seinen Diener entlassen habe? fragten ihn alle, die ihm begegneten, worauf er entrüstet versicherte, der Bursche habe es nicht anders verdient, und es jedem verbot, sich dieses nichtswürdigen Menschen anzunehmen, ganz gleich auf welche Art.

Mit dieser schäbigen Behandlung seines Untergebenen setzte sich Cagliostro selbst im Urteil seiner Anhänger tief herab. Elisa fürchtete gar, sein tadelhaftes Verhalten sei schon das erste Anzeichen dafür, dass die bösen Geister anfingen, Gewalt über ihn zu gewinnen, was sie noch mehr in ihrem Entschluss bestärkte, mit ihm und seiner Frau nicht nach Sankt Petersburg zu reisen.

Hofrat Schwander argwöhnte, der Diener habe zu viel über die Schwindeleien seines Herrn und Meisters gewusst, weshalb Cagliostro ihn bei seinen weiteren Abenteuern nicht länger als vielleicht verräterischen Zeugen oder gar Erpresser um sich haben wollte. Doch ob seine Verschlagenheit wirklich so weit ging, glaubte Professor Ferber nicht. Er hielt diese Handlung vielmehr für einen neuen Ausbruch seines Jähzorns, was sie ja schon öfters genießen durften: ein Beweis mehr für die Unbesonnenheit dieses irrenden Ritters.

Der Tag der Abreise war gekommen, als Cagliostro seine Mitauer Gastgeber mit dem Eingeständnis überraschte, weder Spanier noch Graf Cagliostro zu sein. Auf Geheiß seiner Oberen musste er diesen Namen und Titel annehmen. Er habe dem Großen Kophta eine Zeitlang unter dem Namen Federico Gualdo gedient, doch wie er wirklich heiße, dürfe er ihnen ebenso wenig bekanntgeben wie seinen eigentlichen Stand. Vielleicht werde er sich schon in Petersburg in seiner ganzen Größe präsentieren und den jetzigen Stand und Namen ablegen. Möglich sei aber auch, dass sich diese Enthüllung noch weiter hinauszögere.

Ein schlauer Patron! dachte Ferber. Mit dieser Erklärung will er wohl für den Fall vorbauen, dass der spanische Gesandte in Petersburg ihn nicht als Spanier gelten lassen könnte, was wir bei unseren guten Verbindungen dorthin postwendend erfahren würden. Und was er da treibt, erfahren wir bestimmt! Übrigens, neu ist es nicht, was er da ausgebrütet hat, dafür gibt es unter den herumreisenden Magiern Vorbilder genug: Immer, wenn man etwas Ungereimtes an ihnen bemerkt, haben sie die Ausrede parat, sie hätten auf Befehl ihrer Oberen gehandelt. Deshalb bläuen sie ihren Schülern auch ständig ein, die Befehle der Oberen seien geradezu heilig und bedingungslos zu befolgen.

Der große Magier verstand es ausgezeichnet, den Trennungsschmerz von seinen so liebgewonnenen Schülern zu heucheln, und verhieß jedem, ihn in einen Wirkungskreis zu bringen, durch den seine Fähigkeiten zum Wohl der Menschheit und der Welt ausgebildet werden sollten. Auch Schätze dieser Erde, Gesundheit und ein langes Leben versprach er einigen von ihnen. Sie alle aber forderte er in einer weitschweifigen Rede erneut auf, den Schöpfer aller Dinge in andächtigen Gebeten anzuflehen, ihn sein angefangenes Werk gut vollenden und zu immer höherer Vollkommenheit aufsteigen zu lassen.

Er wirkte wie abgehoben, als er an der Seite seiner Serafina das Haus verließ und in die bereitstehende Kutsche stieg, und so mancher verklärte Blick verfolgte ihn, wie er davonfuhr.

Da zieht er hin, der edle Ritter, und nimmer kehrt er wieder, hoffentlich! dachten Hinz und die anderen Widersacher spöttisch, es könnte ihm sonst vielleicht von neuem glücken, die guten Seelen für sich einzunehmen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Wer weiß, wer noch alles empfänglich geworden wäre für höhere Weihen à la Cagliostro, hätte unser teurer Meister nicht soeben das Weite gesucht. Mit mehr Verstand, mehr Wissenschaft und feinerer Weltkenntnis hätte er sich bei uns in Kurland vielleicht noch eine Zeitlang halten können. Doch alle seine Geisterbeschwörungen, seine chemischen Experimente sind immer und überall dieselben. Wer ihn nur ein einziges Mal gehört und hantieren gesehen hat, musste stets das gleiche hören und sehen, er hat es nicht einmal verstanden, seinen Gaukeleien den Reiz der Neuheit zu geben oder einiges daran zu ändern, geschweige denn etwas zu erfinden, was er nicht vorher schon hundertmal gesagt und getan hat - bis auf die Namen, die er für sich und seine männermordende Messalina ersonnen hat. Federico Gualdo hat er sich ja auch hier mal genannt, ohne zu wissen, was wir wissen, dass dies nämlich der Verfasser des Buches ist, aus dem er genommen hat, was ihm in den Kram passt. Aber dass er sich auch noch, wenn er gerade in höchsten Himmelssphären schwebte, mal für Elias, mal für den Conte de Saint-Germain, ja sogar für den König Salomon ausgegeben hat und Madame Serafina, die angeblich hochwohlgeborene Principessa di Santa Croce, für die Königin von Saba - das sichert ihm für alle Zeiten den Lorbeerkranz des großen Dichters und Erfinders. Wenn erst einmal Gras über das Intermezzo in Mitau gewachsen ist, dann dürften sich wohl alle in ihrem Urteil über Cagliostro einig sein: Er war in der Tat ein Mensch, der leicht und bald zu durchschauen war, hätte man ihm nicht selbst immer wieder bis zum Schluss die Stange gehalten: sei es aus einem Vorurteil heraus oder einem Hang zur Mystik, sei es aus Furcht vor seinen abstoßenden Grobheiten und dem Widerwillen seiner treuen Anhänger - und nicht zuletzt auch aus Scham, wie es ja bei den meisten der Fall war.

Eine rühmliche Ausnahme in dieser Beziehung bildete der Herzog von Kurland, der sich nicht gescheut hatte, über Cagliostros Zeichenkünste die Dinge beim Namen zu nennen, als der Magier ihm vorgab, mit Hilfe der Geister in wenigen Minuten eine Tuschzeichnung anfertigen zu können, für die selbst der geschickteste Maler mehrere Tage brauchen würde. In Wirklichkeit aber benutzte er dazu eine Walze in der Art einer englischen Kopiermaschine, die er, vor neugierigen Blicken geschützt, in seinem Koffer verschlossen hielt. Damit konnte er einen fertigen Kupferstich, nachdem er ihn ebenso befeuchtet hatte wie das Papier, worauf er ihn abnehmen wollte, in kurzer Zeit abdrucken. Um den Kunstgriff zu verbergen, überpinselte er nachher den Abdruck mit schwarzer Tusche und brachte noch etwas stärkere Schwärze in den Schatten des Risses ein, als sei es die sogenannte lavierte Zeichnung. Der Schwindel flog jedoch auf, als er dem Herzog von Kurland den Abdruck einer englischen Landschaft schenkte, wovon dieser den Originalkupferstich selbst besaß und sogleich in Cagliostros „Werk von eigener Hand“ wiedererkannte. Als der Herzog beide Blätter verglich, fand er in der Kopie alles seitenverkehrt dargestellt.

Der Krug geht so lange zum Wasser, bis er bricht, dachte so mancher Spötter. Vielleicht aber brach er noch lange nicht. Wer wusste schon, wie die Russen sich von seinem Hokuspokus blenden ließen.

Das Verbot des Magiers, niemand dürfe sich seines davongejagten Dieners, „dieses nichtswürdigen Menschen“, annehmen, hatte keinen Bestand; denn natürlich hielt sich niemand an diese Weisung, und sobald Cagliostro ihnen und ihrer Stadt den Rücken gekehrt hatte, trat der Bursche in die Dienste eines kurländischen Gutsherren. Ferber, der bald darauf mit dem Diener ins Gespräch kam, vertraute er ausführlich an, wie Cagliostro die ganze Gesellschaft zum Narren gehalten hatte. Sie seien nicht die ersten und würden auch nicht die letzten sein. Er war schon in seinen Diensten, als der gerissene Gauner in Venedig, damals unter anderem Namen, einen Bankier um mehr als zweitausend Zechinen betrogen hatte, und zwar allein dadurch, dass er in ihm die Hoffnung geweckt hatte, Quecksilber in Silber verwandeln zu wollen, worauf der geprellte Bankier wohl bis zum Nimmerleinstag vergebens warten werde. Denn mit diesem hübschen Sümmchen im Sack hatte sich der Halunke dann still und heimlich auf die Socken gemacht, wie das so seine Art war.

Über die schändliche Behandlung jüngst in Mitau war der Diener noch immer so aufgebracht, dass er seinem Feind am liebsten nach Petersburg nachgereist wäre, um die Russen vor den gleichen Schwindeleien zu bewahren. Doch gelang es Ferber, ihn von diesem Rachefeldzug abzuhalten, weniger aus Rücksicht um Cagliostro als vielmehr aus Sorge um die Ehre der Mitauer Gesellschaft, die dem Betrüger so leichtgläubig auf den Leim gegangen war und ihn deshalb auch aus Scham um Verschwiegenheit bat.

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Auch Hofrat Schwander atmete auf, als Cagliostro endlich Kurland verlassen hatte und Elisa in Mitau geblieben war. Sie könne wirklich von Glück reden, dass sie jetzt nicht auf dem Weg nach Sankt Petersburg sei, zusammen mit diesem Scharlatan, sagte er ihr, als sie ihn besuchte. Es kam wie immer, wenn es um Magie und Cagliostro ging: Beredt und klug widersprach Schwander der Wirklichkeit der Magie und verdammte alle Wundertaten als Taschenspielereien eines Jahrmarktgauklers, worauf sie ihm aus ihrem „zusammengeknüpften Spinnengewebe magischer Systeme“, wie er es spöttisch nannte, so viele Gegengründe vorbrachte, dass er schließlich seufzte, sie zu bekehren, sei ein noch härteres Stück Arbeit als die Bekehrung Rechas durch Nathan den Weisen. Trotzdem versuchte er ihr wenigstens klarzumachen, dass sie über ihr Streben nach höheren Kräften die Pflichten gegen ihre Mitmenschen vernachlässige, worauf sie ihm wieder aus ihrem magischen System heraus zu beweisen glaubte, dass man überhaupt nicht auf dem rechten Weg der Magie sei, solange man nicht seinen persönlichen Einsatz für diese Welt mit dem Streben nach höheren Kräften verbinde.

Nun ging Schwander dazu über, ihren Hang zur Mystik ins Lächerliche zu ziehen: Nach Cagliostros Lehren komme ihm die ganze Schöpfung wie eine Zauberlaterne vor, und der Schöpfer solch einer Welt stehe weit unter dem Gott, wie er ihn sich vorstelle. Am Ende sei er gar selbst noch ehrwürdiger als der Gott, der so weit unter dem Ideal stehe, das er sich vom Weltschöpfer gemacht habe. Wahre Fratzenwesen seien auch die Geister, die Cagliostro unterständen. Sobald er mit ihnen Verbindung aufnehme, mache er sie rebellisch. Sie sollten sich besser nicht mehr unter die Fußsohlen ihres Herrn und Meisters schmiegen und sich vor seinem magischen Schwert fürchten.

Solche Spötteleien festigten Elisas Glauben an Cagliostro noch mehr, und mit all ihrer Überzeugungskraft versuchte sie Schwander klarzumachen, dass er das magische System überhaupt nicht begriffen habe. Die Geister, die Cagliostro mit dem Degen und durch Stampfen mit den Füßen im Zaum halte, seien die mittleren bösen Geister, so behauptete sie und glaubte, damit etwas Rechtes bewiesen zu haben.

Schmunzelnd erzählte Schwander ihr nun die Geschichte von einem Athener, einem sehr klugen Mann - bis auf eine einzige Schrulle. Er bildete sich nämlich ein, alle in den Hafen einlaufenden Schiffe gehörten ihm. Erst einem tüchtigen Arzt gelang es mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen, ihm die Narretei aus dem Kopf zu treiben. Doch der Medikus kurierte seinen Patienten so gründlich, dass der Geheilte ihn hinterher verklagte, man solle ihn wieder so reich machen wie früher.

Amüsant, meinte sie, aber was das mit Cagliostro und der Magie zu tun habe?

Nun, er wäre ihr sehr verbunden für die Zusage, ihn nicht vor die Schranken des Gerichts zu fordern, wenn er sie eines Tages doch noch um ihre magischen Wunder bringen sollte, so wie der Arzt den Athener um seine Schiffe.

Der freundliche Spott, so wohlgemeint er auch war, tat ihr sehr weh, vermochte jedoch nicht, sie von der eingeschlagenen Richtung abweichen zu lassen. Schwander setzte daher den Hebel an anderer Stelle an. Sie sei ein Mensch, der viel auf Tugend halte. Doch weder bei Cagliostro noch bei Schrepfer oder sonst jemandem, der vorgab, in Verbindung mit höheren Geistern zu stehen, habe er auch nur einen Anstrich von vorbildlicher Tugendhaftigkeit gefunden. Im Gegenteil, Cagliostro habe sie alle mehr als einmal durch Stolz, Zorn und Rachsucht vor den Kopf gestoßen. Solange er aber nicht die Überzeugung gewonnen habe, dass jemand dadurch besser und edler wird als die gewöhnlich Sterblichen, weil er angeblich über Geister gebietet und mit höheren Wesen verkehrt, so lange wolle er lieber mit einfachen Menschen Umgang pflegen und gemeinsam nach den Tugenden leben, die uns hier auf Erden glücklicher machen und empfänglicher für die höchste Seligkeit.

Obwohl sie für diese Ansichten zugänglicher war, versuchte sie dennoch ihn zu widerlegen: Gott erziehe all seine Geschöpfe soweit wie möglich zur Tugend und Glückseligkeit. Jedem von uns biete er die Voraussetzungen, möglichst vollkommen zu werden, glücklich zu sein und auch andere glücklich zu machen. Unter anderen Verhältnissen wären Nero und Caligula sicherlich noch lasterhafter geworden und hätten noch mehr Unheil angerichtet. Angenommen, Cagliostro besäße diese Kräfte nicht, dann würde er vielleicht sich und andere durch Laster unglücklich machen. Jetzt dagegen wirke er doch manches Gute und nehme gewiss auch immer mehr an Vollkommenheit zu - wenn er nur nicht der schwarzen Magie verfalle: Sie war noch immer das Schreckgespenst, das ihr Gemüt beunruhigte, sobald sich ihr ein niederträchtiger Gedanke aufdrängen wollte.

Hofrat Schwander nickte nachdenklich. Nichts sei schwerer, als die Nebelhülle von Irrglauben und Aberglauben um uns zu zerreißen. Dadurch verleitet, umkleide man die abenteuerlichsten Lehren mit dem ehrwürdigen Gewand der Religion. Mögen wir auch mit aller Macht zur Tugend streben, so fänden wir dennoch keinen Ausweg mehr aus den Labyrinthen des finstersten Aberglaubens, sobald erst in uns die Stimme der Vernunft verstumme, weil man uns durch mystischen Hokuspokus vorgaukelt, höhere Kräfte und höchste Glückseligkeit erlangen zu können.

Der Magier und die Halsbandaffäre

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