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Auch für Balsamo war es jetzt höchste Zeit, Cádiz zu verlassen, noch ehe der betrogene Alchimist dahinterkam, wie man ihn aufs Kreuz gelegt hatte. Erneut zog es ihn nach London, wo er im Juli 1776 auftauchte, diesmal unter dem Namen Alessandro di Cagliostro nebst seiner jungen Gemahlin Serafina, einer höchst eleganten und gewandten Person. Durch ein Patent belegt, trat er als italienischer Oberst in preußischen Diensten auf, stets modisch gekleidet und hübsch frisiert, mit dem Degen an der Seite. Um zu zeigen, dass man zu den höheren Kreisen gehöre, mietete sich das Paar eine geräumige Wohnung in der Whitcomb Street Number 4 und richtete sich dort mit seiner Dienerschaft ein. Serafina stellte eine gebürtige Portugiesin, die unter demselben Dach in bescheidenen Verhältnissen wohnte, als Gesellschaftsdame ein, und Cagliostro einen gewissen Vitellini als Sekretär, einen italienischen Seminaristen, der sich wegen der Aufhebung des Jesuitenordens drei Jahre zuvor der Gesellschaft Jesu nicht hatte anschließen können. Der junge Mann, der außer seiner Muttersprache noch fließend englisch und französisch sprach, wurde in der großen Wohnung einquartiert.

Wegen ihrer ausgewählten Garderobe, ihrer vielen Juwelen, der teueren Möbel, mit denen sie ihre Unterkunft ausstatteten, sowie wegen ihres Dienstpersonals und der Tafel, die sie hielten, galten die Cagliostros als reich. Ihr ganzes Vermögen schienen sie aus Spanien mitgebracht zu haben, andernfalls ließ es sich nicht erklären, warum sie weder Bankwechsel noch Empfehlungsschreiben an Londoner Persönlichkeiten besaßen, wie es bei hochgestellten Fremden sonst üblich war.

Die erste Sorge des neuen Mieters galt der Einrichtung eines Laboratoriums mit Alchimistenausrüstung, einer Kiste mit kabbalistischen Werken und verschiedenen Zauberbüchern, die zur Ausübung der königlichen Kunst unerlässlich waren. Cagliostro verhehlte keineswegs, ein Alchimist zu sein, im Gegenteil, er ließ durchblicken, zahlreiche Geheimnisse zu kennen und sich seiner Berufung als spagirischer Forscher widmen zu wollen. Stundenlang machte er sich am Athanor, dem Alchimistenofen, und an den Schmelztiegeln zu schaffen, mischte die Pulver, beobachtete Retorten und Destillierkolben, verfolgte den Stand des Mondes, trieb den Hitzegrad seines Feuers hinauf, warf eine Handvoll Salz nach der anderen hinein, dass es zischte und schwarzer Rauch aus dem Schornstein aufstieg. Auch befasste er sich mit chiffrierten Tabellen, mit Zahlen, kabbalistischen Zeichen, Figuren, Gestirnen und Zauberbüchern sowie mit der Rechenpyramide des Cornelius Agrippa und pseudowissenschaftlichen Schriften: alles mit dem Ziel, Gold, Diamanten und das Lebenselixier herzustellen.

Für eine Miss Fry und ihren Geliebten, einen Mister Scott, war ein solcher Gelehrter, der sich bemühte, bis in die Tiefen aller Geheimnisse einzudringen, ein Mann, der ihre höchste Aufmerksamkeit erregte, zumal als er ihnen zu verstehen gab, er besitze streng gehütete Kenntnisse vom Lotto, einer Leidenschaft, der beide verfallen waren. Er behauptete nicht nur, mit Hilfe seiner kabbalistischen Wissenschaft und astrologischer Deutungen, die Zahlen im Voraus berechnen zu können, die bei der Lotterie gezogen wurden, sondern überspannte die Einbildungskraft der Leichtgläubigen auch noch mit der Beteuerung, er wisse Gold zu machen.

Mister Scott dankte dem Himmel, ihm so unverhofft einen der wenigen Alchimisten geschickt zu haben, die diese hohe Kunst beherrschten, und wollte gar zu gern erfahren, wie man die gemeine Materie in Gold verwandelt. Merkur, also einfaches Quecksilber, sei die Grundsubstanz, unterwies der Meister den Lernbegierigen, und daraus mache man zunächst Silber. Durch mehrere chemische Prozesse, zu denen er ein rotes Pulver brauche, sein rotes Pulver, wie er betonte, vermehre er dann die Goldmasse.

Mister Scott war Feuer und Flamme und bereit, alles für diese fabelhafte Geheimformel zu geben. Und auch, wie man die richtigen Lottozahlen im Voraus berechne, fiel Miss Fry gierig ein. Es solle bestimmt nicht Signor Cagliostros Schaden sein.

Nachdem ihm die beiden so schon auf den Leim gekrochen waren, fiel es ihm leicht, sie für die Einweihung in seine Geheimnisse gehörig zu rupfen. Doch nicht nur Geld luchste er ihnen ab, er hatte es auch auf Miss Frys Halsband mit zweiundsechzig kleinen Brillanten und eine goldene Schatulle abgesehen. Um wievielmal mehr würde der herrliche Schmuck erst glänzen, wenn die Brillanten größer wären, mindestens doppelt so groß!

Doch wievielmal mehr würde die Kette dann auch kosten! Miss Fry schüttelte den Kopf. Nein, das könne sie sich nicht leisten, das übersteige ihre finanziellen Verhältnisse.

Was aber würde sie dazu sagen, wenn er ihr die Brillanten vergrößere, ohne dass es sie auch nur einen einzigen Penny koste? Wie er das mache, sei auch eines seiner Geheimnisse, aber ihr teile er es gern mit. Er werde die kleinen Brillanten vergraben und eine Zeitlang in der Erde liegen lassen, bis sie weich geworden seien und aufschwellten wie ein Samenkorn. Dann behandle er sie mit seinem roten Pulver, dessen Zusammensetzung er ihr allerdings nicht verraten könne, wie sie sicher verstehe. Dadurch behielten sie nicht nur ihren neuen Umfang, sie würden sogar noch größer und zugleich so hart, wie sie ursprünglich waren. Ihre Brillanten seien dann hundertmal mehr wert, wie Madam ihm glauben dürfe.

Miss Frys Augen funkelten vor Gier. Sie fühlte schon zweiundsechzig taubeneiergroße Brillanten um ihren Hals hängen. Ganz London würde vor Neid erblassen.

Auch den Wert ihrer Schatulle dort, fuhr Cagliostro fort, die Gunst der Stunde nutzend, reines Gold, könne er beträchtlich steigern, indem er mit seinem roten Pulver die Masse des Goldes vermehre. Wenn sie ihm also beides, die Brillanten und die Schatulle, zu dem Experiment anvertrauen wolle... Natürlich brauche alles seine Zeit, Reichtum komme nicht über Nacht.

Aber er kam auch nicht nach zwei Nächten, genauso wenig nach drei und vier und fünf und... Auch der versprochene Volltreffer in der Lotterie war voll danebengegangen. Miss Fry und Mister Scott wurde es zu bunt. Als ihnen endlich ein Licht aufging, verklagten sie den Betrüger. Cagliostro wurde festgenommen und eingesperrt, dann freigelassen und erneut verhaftet, mit Verdächtigungen und Anschuldigungen überschüttet, die er alle empört von sich wies. Ihre Behauptung, ihm beträchtliche Geldbeträge gegeben zu haben, konnten die Kläger vor Gericht nicht beweisen, weil die Übergabe nur unter vier Augen erfolgt war. Da also Zeugen fehlten, stritt Cagliostro alles dreist ab und scheute selbst nicht vor einem Meineid zurück. Zu seiner Rettung trug auch seine Frau bei, die gleichfalls schwor, weder von Miss Fry noch von Mister Scott Geld empfangen zu haben, so dass Cagliostro noch einmal mit einem blauen Auge davonkam.

Der Magier und die Halsbandaffäre

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