Читать книгу Der Magier und die Halsbandaffäre - Helmut Höfling - Страница 7
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ОглавлениеDie nächsten drei Monate verbrachte Balsamo mit seiner Frau auf Malta, wo er durch seine Zaubertinktur die Haut verblühter Damen wieder aufblühen ließ, jedenfalls versprach er ihnen das, eine Hoffnung, für die sie vorher berappen mussten. Seine Kupplergeschäfte, bei denen er die Haut seiner Frau und einiges mehr zu Markte trug, warfen jedoch nach wie vor mehr ab.
Wie stets von innerer Unruhe getrieben und von der Befürchtung, die noch genauso welken Damen könnten ihm Schwierigkeiten bereiten, segelte er von Malta nach Neapel, wo er nicht nur seine chemischen Kenntnisse erweiterte, sondern sich auch eifrig, der Zeitströmung folgend, kabbalistische Phrasen einprägte sowie das Nötigste aus dem Wortschatz gängiger okkultistischer Geheimlehren. Immer bestrebt, daraus Kapital zu schlagen, vervollkommnete er sich in der Kunst, all das zu versprechen, wonach sein jeweiliger Gesprächspartner sich am meisten sehnte.
Aus der Kabbala, der angeblich von Gott dem Moses auf dem Berg Sinai gegebenen tieferen Erkenntnis der Weltgeheimnisse, hatte sich im Laufe der Zeit eine mystisch-spekulative Religionsphilosophie entwickelt, die seit dem dreizehnten Jahrhundert als magische Geheimlehre galt. Kabbalisten nannte man daher, wenn auch zu Unrecht, alle, die sich mit Geisterbeschwörungen und ähnlichem befassten.
Balsamos chemische und kabbalistische Neigungen ließen ihn die Bekanntschaft eines Kaufmanns und eines Ordensgeistlichen machen, die beide nach diesen Lehren geradezu süchtig waren. Der Kaufmann hatte Vermögen - der Gottesmann das Wissen, in das er den anderen einzuweihen versuchte. Mit sicherem Instinkt witterte Balsamo, dass bei dem Handelsherrn etwas zu holen wäre, wenn es ihm gelänge, den geistlichen Nebenbuhler auszuschalten und selbst als alleiniger Lehrmeister den Geldsack unter die Fittiche zu nehmen. Er setzte sich durch, und unter dem Vorwand, dem Wissgierigen, wie er sich ausdrückte, seine erhabenen Kenntnisse beizubringen, zog er ihm ein nicht unbeträchtliches Sümmchen aus der Tasche.
Inzwischen wollte er sich seiner Frau, die ihn schon so oft mit ihrem Liebeslohn ausgehalten hatte, auch einmal gern erkenntlich zeigen, indem er ihr den Wunsch erfüllte, ihren Vater und einen jüngeren Bruder besuchsweise nach Neapel kommen zu lassen. Die nicht unbescheidene Lebensweise des jungen Paares bewog den Vater zu der Bitte, der Schwiegersohn möge sich Lorenzas Bruder annehmen und etwas aus ihm machen.
Warum nicht, dachte Balsamo und musterte wohlgefällig den stattlichen jungen Burschen, der sich auch noch zu benehmen wusste. Zunächst einmal müsse man ihn gut verheiraten, erklärte Balsamo mit einem breiten Grinsen, für einen Mann wie ihn komme nur eine Frau mit den gleichen herausstechenden Eigenschaften in Betracht. Er wolle ihn mit auf Reisen nehmen und etwas Passendes für ihn aussuchen.
Lorenzas Bruder strahlte, und auch sein Vater gab sich mit den verheißungsvollen Aussichten zufrieden. Was Balsamo wirklich im Schilde führte, ahnten beide nicht. Hatte er erst einmal den blendend aussehenden Schwager verheiratet, so wollte er dessen hübscher Ehefrau den gleichen Schliff geben wie seinerzeit Lorenza, um sie dann ebenfalls zahlungskräftigen Kavalieren in die Arme zu führen. Doppelter Einsatz bringt doppelten Umsatz, sagte er sich.
Monate hatten sie inzwischen in Neapel verbracht, höchste Zeit für Balsamo, den Schauplatz wieder zu wechseln. Zu dritt brachen sie nach Frankreich auf, wo sie sich schließlich für einige Zeit in Marseille niederließen. Balsamo, der wieder als preußischer Offizier auftrat, lernte dort eine reife Dame mit ansehnlichem Vermögen kennen und lieben, eine Gelegenheit, die er weidlich auszuschlachten gedachte. Wer dabei wen mehr verführte, wurde zwischen beiden nie erörtert, und ebensowenig verlor man ein Wort über Geld und andere wertvolle Geschenke, mit denen die Geliebte die Leistungen ihres sperlingsemsigen Liebhabers reichlich belohnte.
Doch damit allein begnügte sich Balsamo nicht. In ihrer Jugend war die Dame auf die gleiche Weise von einem anderen Verehrer ebenso beglückend bedient worden, der zwar noch immer von der Erinnerung an seine wilde Sturm- und Drangzeit geplagt wurde, wegen seines fortgeschrittenen Alters aber nicht mehr hinlänglich bei Kräften war. Trotzdem konnte er sich nicht damit abfinden, seinen Platz zu räumen, und verzehrte sich vor Eifersucht über den tatkräftigen Nebenbuhler. Als dieser sich über den Neider beschwerte, beschwichtigte die Dame ihren neuen Günstling, er solle es ihm nicht übelnehmen, wenn er manchmal so giftig zu ihm sei, in dieses Schicksal müssten sich alle Männer schicken und ihm falle es besonders schwer. Aber zum Teufel jagen, wenn er nichts mehr zustande bringe, wie Balsamo vorschlug, wollte sie ihn auch nicht. Das sei herzlos, und außerdem sei er reich, so reich wie ihr junger Galan stark. Keinen von beiden wolle sie verlieren. Er habe ihr doch neulich etwas über seine chemischen Kenntnisse, die Geheimnisse der Natur und übersinnlichen Kräfte erzählt. Ob er da nicht ein Mittel finden könne, in ihrem alten Freund wieder das Feuer der Jugend zu entfachen?
Doch, doch, schon möglich, erklärte er grübelnd, er werde darüber nachdenken, obwohl es da im Grunde genommen nichts zu überlegen gab. Es genügte ihm zu wissen, dass der Alte reich war und sich nichts sehnlicher wünschte, als seine versiegte Potenz wiederzuerlangen. Dem Manne kann geholfen werden, sagte sich Balsamo und erbat sich von dem Nebenbuhler ein offenes Gespräch unter vier Augen. Er liebe Madame noch immer, gestand Monsieur, seelisch, von ganzem Herzen, aber körperlich...! Qualen seien das, die er seinem schlimmsten Feind nicht auf den Hals wünsche.
Die Leiden des Alten dauerten den Jungen so sehr, dass er ihm anvertraute, er verfüge über strenggehütete Geheimnisse der chemischen Wissenschaft, die in diesem Fall zum Erfolg führen könnten, vorausgesetzt, Monsieur habe volles Vertrauen zu ihm. Die Liebesglut, die sich immer noch beim Anblick seiner alten Freundin rege, werde nach seiner Behandlung zu einem wahren Feuer der Leidenschaft auflodern und Monsieurs einstige Jugendkraft bald wieder seine Adern durchpulsen.
Allein schon diese Ankündigung zeigte Wirkung bei dem Schwerenöter, der die günstige Gelegenheit beim Schopf fasste und gleich seine ganze Altersschwachheit von Kopf bis Fuß kuriert haben wollte. Er wage es kaum zu hoffen, aber wenn sein Retter schon bis zu solchen Geheimnissen vorgedrungen sei, dann wisse er vielleicht auch, wie man den Stein der Weisen herstelle, die Sehnsucht all jener, die sich mit Magie befassen. Er würde ihn brennend gern kennenlernen, den Stein, der alle Stoffe in Gold verwandelt und, für ihn noch wichtiger, alle Krankheiten und Gebrechen heilt.
Monsieur habe Glück, ihm begegnet zu sein, rief Balsamo mit beschwörender Geste aus. Es sei zwar nicht einfach, den Stein der Weisen herzustellen, es erfordere viel Geschick und viel Zeit, denn man brauche zahlreiche und langwierige Operationen dazu, und billig sei es auch nicht, ohne gewisse Substanzen gehe nichts.
Nichts leuchtete dem Leidenden mehr ein als das, weshalb er seinen Wohltäter wissen ließ, am Geld solle es nicht liegen, nichts sei umsonst, was Balsamo aus Erfahrung nur bestätigen konnte: Wer viel gewinnen will, muß erst viel investieren. Dazu fand sich der abgeschlaffte Casanova auch gern bereit, wofür er verschiedenen Experimenten des großen Meisters im Schmelztiegel und Destillierkolben beiwohnen durfte. Durch das Versprechen, demnächst auch Gold zu machen, schraubte Balsamo die Erwartungen seines Geldgebers immer höher und hatte daher leichtes Spiel, ihm beträchtliche Summen aus der Kassette zu locken unter dem Vorwand, dafür die nötigen Substanzen zum chemischen Endprozess anzuschaffen.
Während die beiden Alten den Freuden der Liebe in naher Zukunft entgegenfieberten, genoss Balsamo die Freuden des Lebens in der Gegenwart, die ihm das Paar großzügig versilberte. Darüber ließ er jedoch nie die Pläne aus den Augen, die er mit seinem Schwager hegte. Er sei ein römischer Kavalier aus bester Gesellschaft, redete er seinen Gastgebern ein, dazu äußerst vermögend, aber das verstehe sich in diesen Kreisen ja von selbst. Die Herkunft des liebenswürdigen jungen Mannes war auch schon äußerlich erkennbar, denn Balsamo hatte ihn aufs vornehmste ausstaffieren lassen. Der Meister des Steins der Weisen, in der Uniform eines preußischen Offiziers, gab sich natürlich auch für etwas Großes aus, was niemand bezweifelte. Zielstrebig steuerte er auf die Heirat seines Schwagers mit einer der beiden Töchter der alternden Dame zu, einem Mädchen in der zarten Blüte der Jugend, gerade erst vierzehn Jahre, noch etwas jünger also als damals seine Lorenza. Er sah sie schon, nach gehöriger Schulung durch ihn, in den Armen lüsterner Mädchenjäger liegen, die ihm dafür gern seine Kasse auffüllten.
Ihrer Mutter aber sagte er davon natürlich kein Wort, als er bei ihr für seinen liebenswürdigen Schwager warb. Sie konnte sich nicht nur keinen besseren Mann für ihr Kind wünschen, sie war sogar entzückt darüber, durch eine solche Heirat mit ihrem lendenstarken Buhlen verwandt zu werden. Doch was er bei der Mutter so beredt eingefädelt hatte, stieß bei seinem Schwager sowie bei Lorenza auf heftigsten Widerstand: ob durch eine Aufwallung edler Gesinnung oder weil ihnen die Sache zu gefährlich war, sei dahingestellt, denn Balsamo tobte vor Wut und misshandelte sie wie ungehorsame Kinder, ein rasender Sizilianer, der seine Felle davonschwimmen sah.
Der Eheplan war also gescheitert, und zu allem Unglück nahte nun auch die Zeit heran, zu der Monsieur, dem Versprechen gemäß, seine Hoffnungen erfüllt sehen sollte. Doch keine Frühlingskräfte regten sich in dem von langen, aufreibenden Dienstjahren ausgelaugten Liebhaber, was ihn bewog, zaghaft bei Balsamo anzuklopfen, der sich für diesen Fall eine Ausrede zurechtgelegt hatte. Er erinnerte daran, dass jedes große Werk seine Zeit erfordere, erst recht, wenn es darum gehe, den Stein der Weisen herzustellen. Um den schwierigen Prozess zu vollenden, brauche er noch gewisse Kräuter, die es hier nicht gebe, sondern an einem geheimen Ort, weit weg. Spätestens übermorgen reise er dorthin, um sie zu holen. Kein Grund also für Monsieur, den Mut zu verlieren.
Für die Trennung von seiner Herzensdame hatte er sich noch einen weiteren Grund ausgedacht, einen Schicksalsschlag der besonderen Art, denn soeben habe er die Nachricht erhalten, dass sein Schwiegervater schwer erkrankt sei. Sein Zustand solle äußerst besorgniserregend sein, weshalb sie, seine Teuerste, wohl verstehen werde, dass er schleunigst nach Rom reisen müsse, natürlich zusammen mit seiner Frau und ihrem Bruder. Wenn er nicht zu spät komme, könne er ihm vielleicht noch helfen.
Das wünschte die Dame gleichfalls, doch mehr noch seine baldige Rückkehr, weshalb sie ihm einen schönen Reisewagen schenkte und dazu noch einen ordentlichen Batzen Geld, wozu auch der nach Verjüngung lechzende Kavalier sein Scherflein beisteuerte. Der Abschied von den vielfach Geprellten war herzlich, hofften sie doch auf ein Wiedersehen, für Balsamo ein törichter Gedanke, denn für ihn war es ein Lebewohl auf Nimmerwiedersehen. Statt ostwärts nach Italien fuhren sie wieder nach Spanien und kamen über Barcelona nach Valencia und Alicante, wo er mal als Offizier auftrat, häufiger aber sich als Doktor Tiscio aus Neapel mit der Heilkunde abgab.
Aus beiden Städten vertrieben, reiste er nach Cádiz, wo er einem leidenschaftlichen Anhänger der Chemie versprach, ihm hochwertige Kräuter und andere Substanzen zur Herstellung des Steins der Weisen zu beschaffen. Dafür stellte ihm der Spanier einen Wechsel über tausend Scudi aus und schenkte ihm außerdem noch eine goldene Repetieruhr, die Balsamo so gut gefiel, dass er ihm bei nächster Gelegenheit mit bewunderungswürdiger Fingerfertigkeit noch ein zweites ähnliches Prachtstück stahl. Das war seine Art, sich für die Großmut und üppige Bewirtung seines Gastgebers zu bedanken.
Lorenzas Bruder war ihm nach dem fehlgeschlagenen Eheplan mehr eine Last als von Nutzen. Unter der Beschuldigung, von ihm bestohlen worden zu sein, gab er ihm daher in Cádiz den Laufpass.