Читать книгу Der Magier und die Halsbandaffäre - Helmut Höfling - Страница 6

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In London bezog das Paar eine bescheidene Wohnung bei einem Drechsler. Balsamo, der sich als Maler ausgab, war so abgebrannt, dass er Trost im Suff suchte und dabei häufig seine Frau schlug, weil sie ihm nicht über Nacht die erhofften Einnahmen verschaffte. Doch diese Eingewöhnungszeit, in der sie nichts zu nagen und zu beißen hatten, ging bald vorüber. Nachdem sie nämlich Fuß gefasst hatten, blühte Balsamos Kuppelei erst richtig auf, denn im puritanischen England fanden die südlichen Reize der schönen Römerin reiche Käufer.

Mehr aber, so bekam er bald spitz, war aus dem Gewerbe herauszuschlagen, wenn er sich die britischen Gesetze zunutze machte. Danach konnte ein Ehemann, der seine bessere Hälfte beim Ehebruch überraschte, den Ehebrecher entweder vor Gericht bringen, wo er eine äußerst strenge Strafe zu erwarten hatte, oder sich von ihm für die erlittene Schmach mit einer gehörigen Geldsumme abfinden lassen. Voraussetzung war jedoch, dass noch ein weiterer Augenzeuge die Missetat bestätigte.

Mit Eifer machten sich Balsamo und sein Lockvögelchen nun daran, Bekanntschaften mit verschiedenen Quäkern zu schließen und sich mit einem Sizilianer, der sich Marchese Vivona nennen ließ, enger zu befreunden. Als einer der Quäker beim Anblick von Lorenza Feuer fing und ihr, all seine guten Sitten über Bord werfend, sogar sündhafte Anträge machte, ohne jedoch vorerst erhört zu werden, vertraute sich die Umworbene ihrem Giuseppe an. Zufrieden rieb er sich die Hände, der Fisch hatte also angebissen, aber den Köder noch nicht geschluckt. Sollte er ruhig eine Weile an der Leine zappeln, das würde seinen Appetit steigern. Umso leichter könnten sie ihn dann an Land ziehen und tüchtig ausnehmen. Er ließ Vivona holen, um mit ihm alles genau zu besprechen.

Nach dem Plan, den sie gemeinsam ausheckten, sollte Lorenza dem liebestollen Quäker die Gunst gewähren, sie heimlich besuchen zu dürfen. Ein Wort von ihr genügte, um ihn schon im siebten Himmel schweben zu lassen. Pünktlich auf die Minute stand er vor ihrer Tür, rote Rosen und feinstes Teegebäck in der Hand, und strömte über vor Komplimenten und Kusshändchen, als sie ihn einließ und bat, Platz zu nehmen. Es seien ihre Lieblingsblumen, schwärmte sie ihm vor, als sie die Rosen in eine Vase stellte, und was für köstliches Gebäck! Nie und nimmer hätte sie gedacht, dass ein Quäker so galant sein könne.

Er fühlte sich geschmeichelt und sah sich schon mit ihr im Bett liegen, das er auf den ersten Blick durch einen Spalt im Vorhang erspäht hatte, und die Früchte seiner Galanterie ernten. Doch nichts überstürzen, sagte er sich, seine Ungeduld zähmend, gut Ding will Weile haben.

Sie schenkte Tee ein, den sie selber gebrüht habe, wie sie versicherte, und während sie Schlückchen für Schlückchen tranken und Stückchen für Stückchen von dem Gebäck knabberten, plauderten sie bald über dieses, bald über jenes und schließlich nur über das eine, das sie in dieses einladende Zimmer zusammengeführt hatte. Dem frömmelnden Freier wurde dabei so warm ums Herz, dass sein Blut in Wallung geriet und er das Gefühl hatte, vor lauter Hitze überzukochen. Schweißgebadet warf er Hut, Perücke und Weste von sich und nestelte aufs Höchste erregt schon an seiner Hose herum, um sich im nächsten Augenblick dem Genuss voll hinzugeben, als Lorenza einen schrillen Schrei ausstieß und „Nicht doch, Sir!“ rief, das verabredete Zeichen, auf das hin Balsamo und Vivona aus dem Zimmer nebenan hineinstürzten und den Verführer aus allen Wolken fallen ließen. Leugnen war zwecklos, wie der verhinderte Ehebrecher trotz all seiner Verwirrung erkannte, und wie ein begossener Pudel dastehend, ließ er kübelweise Schimpf und Schande über sich ergehen, womit ihn die Spitzbuben überschütteten. Ja, er bedankte sich sogar, als ihm das Gaunertrio durch die Zahlung von hundert Pfund Sterling eine Gerichtsstrafe ersparte, und schätzte sich glücklich, durch Gottes Hand noch einmal vor einer schweren Sünde bewahrt worden zu sein.

Bei Geld hört alle Freundschaft auf, eine Lebensweisheit, die bald auch Balsamo erfahren musste. Aus Lissabon hatte er eine Handvoll Topase mitgebracht, die er nun in London verscherbeln wollte. Auf seine Bitte hin war Vivona gern bereit, den Verkauf zu übernehmen. Doch kaum klimperten die Edelsteine in seiner Tasche, als der gute Freund auch schon mit der Beute das Weite suchte. Jetzt war nicht nur Schmalhans Küchenmeister, Balsamo blieb seinem Hauswirt auch die Miete schuldig. Ohne auf Bitten und hohle Versprechungen einzugehen, ließ der Gläubiger ihn ins Schuldgefängnis werfen. Da saß nun der betrogene Betrüger, dem die Einnahmen ebenso schnell zerrannen, wie er und seine Frau sie leicht gewonnen hatten. Sein Hang zur Eitelkeit und Verschwendung beherrschte ihn schon damals so stark, dass er alle Gedanken von sich wies, durch einen bescheideneren Lebenswandel besser über die Runden zu kommen. Er vertraute auf sein Glück, das ihn immer wieder aus dem Sumpf gezogen hatte, so oft und so tief er auch hineingefallen war.

Diesmal war es die Großmut eines Engländers, die ihm die Freiheit brachte. Eingefädelt hatte das Ganze die schöne Lorenza, die öfters die katholische Kapelle des bayerischen Gesandten besucht und dabei Gelegenheit gefunden hatte, einen rechtschaffenen Gentleman kennenzulernen. Sie schilderte ihm die Lage ihres Mannes und erhielt von ihm einen ausreichenden Geldbetrag, um die Schuld zu tilgen. Doch nicht genug damit, der großherzige Engländer nahm das Paar auch zu sich ins Haus und glaubte, nachdem man miteinander vertraut geworden war, in Balsamo einen jungen Maler gefunden zu haben, der ihm einige Zimmer seines Landhauses verschönern könne.

Gemeinsam zog man von der Stadt aufs Land hinaus, darunter auch die Töchter des Hausherrn. Mit einem dieser Mädchen, das alle Aussichten hatte, zeitlebens Jungfrau zu bleiben, fing er an zu turteln und zu tändeln, als er merkte, wie sie ihm mit Kuhaugen bei der Arbeit zuschaute. Ihr Interesse galt dabei weniger seiner Kleckserei, die sie, verblendet wie sie war, für Kunst hielt, als vielmehr dem jungen Maler, der den Pinsel so schwungvoll über die Wände gleiten ließ. Er war zwar nicht schön, eher abstoßend, dazu klein und dicklich, ja er schien ihr sogar ein wenig zu schielen, und auch sein Kauderwelsch klang ihr nicht gerade wie Musik in den Ohren, aber er war ein Mann, und noch nie hatte sie Gelegenheit gehabt, Tag für Tag einem Mann so nahe sein zu dürfen, unbeaufsichtigt von ihrer strengen Mutter, jede Bewegung seines Körpers zu verfolgen, wie er sich reckte und streckte und sich beugte und ihr dabei sein pralles Hinterteil zuwandte. Balsamo witterte, was sie so erregt umtrieb, und mit sicherem Instinkt wusste er die Leidenschaft dieses zu kurz gekommenen Geschöpfs bis zur Raserei zu schüren und sich die Stillung ihres Verlangens versilbern zu lassen.

In den ersten Tagen wunderte sich der Hausherr noch über die Arbeit des Malers, hoffte aber, es werde sich vielleicht zum Besseren wenden, vergebens, er schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er schließlich sah, wie der junge Mann die Zimmer verschandelt statt verschönert hatte. Nachdem er dazu noch erfahren musste, Balsamo habe zum Dank für alle Wohltaten auch noch die Tochter verführt, warf er ihn mitsamt Ehefrau aus dem Haus. Die beiden durften froh sein, überhaupt noch so glimpflich davongekommen zu sein.

London schien ihm kein gutes Pflaster zu sein, und so beschloss Balsamo im September 1772 England zu verlassen und in Frankreich sein Glück zu versuchen. Noch in der Hafenstadt Dover lernte er einen gewissen Monsieur Duplessis kennen, einen Advokaten, der beim Marquis de Prie als Verwalter tätig war. Da sie alle drei mit Paris das gleiche Reiseziel hatten, kamen sie leicht ins Gespräch, mehr jedoch wohl deswegen, weil Monsieur mit feinem Gespür die Gelegenheit für ein amouröses Abenteuer witterte. Während der langen Überfahrt ließ er deshalb kein Auge von Lorenza und erwies ihr und ihrem Mann alle möglichen Aufmerksamkeiten. Als Balsamo ihm einige seiner Federzeichnungen zeigte, schien Duplessis äußerst erstaunt zu sein. Mit seinem Talent werde er sein Glück in Paris machen, ging er dem jungen Mann um den Bart. Er sei nämlich Advokat im Parlament und kenne viele reiche Herren, mehr noch, er werde ihn auch dem König vorstellen. Nur keine Sorge, künftig brauche er dann nicht mehr in der Welt herumzureisen, prophezeite er und setzte noch eins drauf mit der Behauptung, an die er selbst nicht im Geringsten glaubte: In der Pariser Gesellschaft werde der aufstrebende junge Künstler mehr Kunden finden, als er bedienen könne.

Da er bemerkte, welche Wirkung seine frohe Botschaft auf den hoffnungsfrohen Künstler ausübte, der sich schon seinen Teil dachte und eine sprießende Einnahmequelle witterte, nutzte er die Gunst der Stunde, ihn noch mit einer Schmeichelei zu umgarnen, die den jungen Ehemann mit Stolz erfüllen und den Kavalier selbst einen Schritt weiter zu seinem Ziel bringen sollte: Was übrigens seine Frau betreffe, so sei er zu beneiden. Selten habe er ein so allerliebstes Geschöpf gesehen, so herzensgut, so reizend, bezaubernd und verlockend, so überirdisch, ja engelgleich sozusagen. Er werde sein Möglichstes tun, um ihm in Paris eine gesicherte Stellung zu verschaffen.

Der Engel, gegen den sich Herr Duplessis immer zuvorkommender zeigte, handelte ganz wie ein irdisches Wesen, das auf seinen Vorteil aus ist. Lorenza wusste, was die Stunde geschlagen hatte, und erschreckte, als sie in Calais gelandet waren, ihren Verehrer mit dem überraschenden Entschluss, in der Hafenstadt zu bleiben, da sie kein Geld mehr habe, um weiterzureisen. Nein, nein, wandte er verzweifelt ein, in einer solchen Notlage könne er sie nie und nimmer in dieser fremden Stadt zurücklassen! Auf ewig würde er sich Vorwürfe machen, sie dem Elend preisgegeben zu haben - und den Gefahren, die in jedem Hafen auf junge, betörende Frauen lauerten. Er redete und redete, eine Artigkeit folgte der anderen, alles nur in dem einzigen Bestreben, die so sicher geglaubte und nun plötzlich doch noch dahinschwindende Beute wieder an sich zu reißen. Sie möge doch bitte sein Gewissen beruhigen, von ihrem Vorhaben ablassen und ihn nach Paris begleiten, in seinem Wagen. Ihr Mann könne noch einige Zeit in Calais bleiben und später nachkommen.

Sein Vorschlag sollte harmlos klingen, aber Lorenza, die in solchen Dingen Bescheid wusste, erfasste gleich, was dahintersteckte, und wies entrüstet sein merkwürdiges Ansinnen zurück. Schließlich einigte man dahin, dass sie mit Herrn Duplessis, dem Freund und Helfer, in dem gemieteten Kutschwagen Platz nehmen werde, während ihr Gatte zu Pferd folgen solle. Körperliche Bewegung und frische Luft würden seiner Gesundheit sicher zuträglich sein, befand Monsieur und nährte dabei im Stillen die Hoffnung, der junge Ehemann werde die ganze Zeit über in schicklichem Abstand hinterher reiten, um das Paar beim Austausch von Zärtlichkeiten nicht durch seine Nähe zu hemmen.

Was für eine herrliche Reise war das! Giuseppe Balsamo hatte vollauf Muße, die Natur in ihrem Herbstschmuck zu bewundern: das buntgefärbte Laub der Bäume und Sträucher, den milchigen Schleier des aufsteigenden Nebels, und da und dort einen Hasen, der über die kahlen Felder hoppelte oder ein Reh, das, durch das Rattern der Räder aufgescheucht, in den schützenden Wald flüchtete. Stolz und wohlgemut trabte der Reitersmann auf seinem Renner dahin, doch nicht immer in dem erhofften schicklichen Abstand, sondern bald neben dem Wagen, bald voraus, um sich dann wieder zurückfallen zu lassen. Sehen konnte er so gut wie nichts, was sich in der Kutsche abspielte, denn da die rauhe Herbstluft der empfindlichen Kehle der jungen Dame abträglich gewesen wäre, hatte der Kutscher auf Monsieurs Anweisung das Verdeck geschlossen und Monsieur selbst die Vorhänge vor die Fenster gezogen, für den Fall, dass die Sonne doch noch durch den Dunst hervorbrechen werde und Lorenzas zarter Haut schaden könne. Wo dagegen der abgehängte Ehemann gerade zu finden war, das verriet stets seine tiefe, klangvolle Stimme, mit der er sizilianische Lieder in die Gegend schmetterte, was auf Dauer selbst seinem Roß auf die Nerven ging.

Ganz im Gegensatz zur Lautstärke des Sängers stand das Säuseln des Herrn Duplessis, der Seite an Seite seiner angebeteten Donna saß und nach und nach so dicht an sie heranrückte, dass kein Blatt mehr dazwischen gepasst hätte. Sie habe sein Herz gefangen, gestand er ihr mit zitternder Stimme, er liebe sie so sehr, wie er noch nie eine Frau geliebt habe. Sie sei so jung und so schön, ihrer Haut, so weich und zart, entströme ein Wohlgeruch, der ihn zum Wahnsinn treibe. In ihrem zierlichen Händchen liege sein Glück, sein Ein und Alles. Sie solle über ihn verfügen, er sei ihr Sklave und wolle für sie sorgen und sie nie verlassen. Sobald sie in Paris seien, verschaffe er ihrem Mann eine Stellung. Ihrer beider Glück solle auch sein Glück sein. Ihr Mann würde es sicher zu schätzen wissen, wenn er ihm hundert Louis gebe, damit er eine Reise nach Rom machen könne.

Stundenlang raspelte er so Süßholz, doch nicht nur das, er bedrängte seine Herzensdame dazu noch so ungestüm, natürlich gegen ihren Willen, dass sie mehrmals versuchte, die Fahrt zu unterbrechen und ihren stürmischen Ritter im Stich zu lassen, nur um sich seinem Werben und vor allem den Handgreiflichkeiten, bald hier, bald da, dann überall gleichzeitig, zu entziehen, mit denen er ihr im Wagen seine Liebe zu beweisen versuchte. Ihr Widerstand spornte seinen Eifer nur noch mehr an, er hatte die Frauen studiert und wusste, dass dies ein vielversprechendes Zeichen war; und Lorenza, die sich selbst gut genug kannte und spürte, wie die Festungsmauern schon zu wanken begannen, beruhigte ihr Gewissen mit der Scheu vor dem jähzornigen Charakter ihres Mannes, dem sie nicht zu gestehen wagte, was da in der Kutsche wie am Fließband vor sich ging, und das hätte sie ihm ja beichten müssen, wenn sie sich geweigert hätte, die Fahrt an der Seite ihres Verehrers fortzusetzen, denn dann wäre der so dringend erwünschte Geldsegen ausgeblieben.

So also nahm die Reise auch weiterhin ihren Lauf bis Paris, wo das Trio am Vormittag eintraf. Noch am gleichen Tag brachte Duplessis seine Reisegefährten im Haus der Marquise de Prie unter und führte am Abend Lorenza ins Theater, natürlich mit Einwilligung Balsamos, der, abgeschlafft von dem ungewohnten Auf und Ab im Sattel, wie ein Mehlsack ins Bett plumpste.

Dieser Theaterbesuch war nur der Auftakt für ein vergnügliches Leben in Paris. Lorenza und ihr neuer Verehrer waren so sehr ein Herz und eine Seele, dass er in seiner Hingebung sogar so weit ging, sie als Madame Duplessis zu behandeln. Nicht nur wurde sie von ihm in den folgenden drei Monaten großzügig ausgehalten, sie wohnte bald auch in seinem Pariser Haus, wo allerdings der echte Ehemann ebenfalls Unterschlupf gefunden hatte. Der Großmut des Hausherrn, die Liebe, die er ihr entgegenbrachte, seine Zärtlichkeiten und Versprechungen hatten in ihr eine Neigung geweckt, die Balsamo so eifersüchtig machte, dass er ihr manchmal durch seine heftigen Auftritte Kummer bereitete. Einerseits brachte sie Geld in die Kasse, andererseits fürchtete er, sie zu verlieren, und wenn er sie verlöre, wäre auch die Quelle versiegt. Also versöhnte er sich wieder mit ihr und versicherte, er habe volles Vertrauen zu ihr.

Das bewies er ihr auch, als Duplessis sein junges Gästepaar wieder einmal, wie schon öfters, zum Essen einlud. An diesem gewissen Sonntagabend, nach dem Dessert, bedauerte Balsamo nicht länger bleiben zu können, da er mit seinem Freund, einem Apotheker, verabredet sei, und ließ seine Frau mit ihrem Gastgeber allein. Nach fröhlich durchzechten Stunden, bei denen beide einem köstlichen Samos tüchtig zugesprochen hatten, kehrte er spät nach Mitternacht zurück, bei bester Laune.

Auf Dauer aber ging das mit der Dreierbeziehung nicht gut, zum einen, weil jetzt der Galan eifersüchtig auf den Ehemann war, der, im Gegensatz zu ihm, Lorenza genießen konnte, wann immer er wollte; zum anderen weil Balsamos Unersättlichkeit, immer neue Forderungen für die Überlassung seines Bettschatzes zu stellen, selbst diesem Liebhaber zu sehr auf die Nerven ging und ans Portemonnaie, denn mit Gold war er auch nicht gerade behangen.

Mit diesem grobschlächtigen Kerl komme sie nie auf einen grünen Zweig, redete Monsieur eines Tages auf Lorenza ein, nachdem er sich wieder einmal über Balsamos Unverschämtheit geärgert hatte. Seine Gier sei ihr Ruin. Wenn sie weiter so leben wolle, wie sie es ihrer Schönheit wegen verdiene, dann solle sie diesem Raffke den Laufpass geben und nur noch auf eigene Rechnung arbeiten. Er nehme sie doch nur aus. Ihren Einwand, sie seien ehelich verbunden, bis dass der Tod sie scheide, ließ er nicht gelten: Anders als in Italien sei bei ihnen in Frankreich den Frauen diese Freiheit gestattet, und als sie unschlüssig blieb, wie sie sich entscheiden solle, riet er ihr, wenigstens nach Rom zurückzukehren, zu ihren Eltern, damit sie vor ihm sicher sei.

Das war ein Ausweg, ein Ratschlag, den sie gern befolgte, und so verließ sie bei Nacht und Nebel die Wohnung, ohne sich von ihrem Ehemann zu verabschieden. Doch nicht Rom war ihr Ziel, sondern ein Zimmer bei Frau Théron in der Rue Saint-Honoré, wo sie sich auf Empfehlung von Monsieur Duplessis einmietete, der sie nun, von Verlangen getrieben, jederzeit ungestört besuchen konnte.

Aber Balsamo kam ihr dort bald auf die Fährte. Eifersüchtig über die drohende Trennung und entrüstet darüber, dass sie ihren außerehelichen Pflichten jetzt nachkam, ohne ihn am Ertrag teilhaben zu lassen, zeigte er Lorenza wegen Untreue an. Von der Polizei verhaftet, musste sie die nächsten Monate hinter den Gefängnismauern von Sainte-Pélagie verbringen, wo sie gemeinsam mit vielen anderen Frauen lernen konnte, wie es um die Freiheit der französischen Damen bestellt war, die ihren Ehemännern den Laufpass geben wollten.

Unterdessen fand Balsamo Unterschlupf bei einer alternden Witwe, deren Wohlwollen er zu gewinnen verstand, indem er ihr vorgaukelte, ein Schönheitswässerchen zu besitzen, das die welke Haut älterer Damen wieder neu erblühen lasse. Mehr Geld aber lockte er ihr aus der Tasche durch Liebesbeteuerungen, mit denen er die törichte Alte einwickelte.

Die Freigebigkeit auch anderer bejahrter Frauen, die gern wieder jung und begehrenswert sein wollten, wusste er durch Liebe und Schönheitstinkturen anzuzapfen. Darüber hinaus fing er in Paris auch ernsthaft an, weitere Felder seiner späteren Praxis zu erproben. Er wusste, was die Menschen sich vom Leben erträumten und großzügig zu honorieren bereit waren. Die ersten Kenntnisse dazu in Chemie und Medizin hatte er sich vor Jahren als Novize in der Klosterapotheke der Barmherzigen Brüder in Cartagirone erworben.

Um sich mehr Ansehen zu verschaffen, mietete er sich ein Haus an der Rennbahn, wo er zwei angesehenen Männern, deren Bekanntschaft er vorher gemacht hatte, die Köpfe zu verwirren verstand. Er brüstete sich mit geheimen Kenntnissen in der Chemie, einer Wissenschaft, für die beide überschwänglich schwärmten. Völlig umstrickt hatte er sie, als er vorgab, Gold machen zu können, und ihnen versicherte, eine Geheimformel zu besitzen, mit der man das menschliche Leben verlängern könne, was besonders einer der Herren brennend gern erfahren wollte, da seine Tage sich bereits dem Abend zuneigten. Um sie in ihrer Verblendung zu bestärken, beschwatzte er sie, einige spanische Dublonen für das große Experiment springen zu lassen, mit dem er sie von seiner Kunst des Goldmachens überzeugen werde. Zuschauen ließ er sie dabei nicht, sie durften nur das Ergebnis bestaunen - und das verschlug ihnen die Sprache! Denn vor ihnen lag eine Goldmasse, die größer war als der Goldgehalt der Dublonen. Was sie jedoch nicht wussten, war der Schwindel, mit denen Balsamo sie täuschte: Er hatte nämlich die Goldmünzen mit anderen Metallen im Tiegel verschmolzen und so einen stattlichen Klumpen gewonnen, angeblich reines Gold.

Balsamo hatte die beiden Narren jetzt so fest in der Hand, dass sie ihm gutgläubig fünfhundert Louisdor auf den Tisch zählten für das Versprechen, von ihm in die Geheimnisse eingeweiht zu werden, wie man Gold macht und die Lebenszeit verlängert. Um die nötigen Vorbereitungen treffen und wesentliche Materialien beschaffen zu können, erbat er sich eine Frist, wofür seine Jünger volles Verständnis zeigten. Doch als die Zeit verstrich und der Meister immer noch keine Anstalten machte, sie seine hohe Kunst zu lehren, wurden sie misstrauisch und glaubten bald dieses, bald jenes zu erkennen, was ihren Verdacht noch schürte.

Auch Balsamo spürte die drohende Gefahr, die sich wie ein Gewitter über ihm zusammenbraute. Früher oder später würde sich herausstellen, dass er weder das eine Kunststück noch das andere beherrschte. Angst vor der Zukunft überfiel ihn in solchen trüben Stunden, wenn er sich vorstellte, den Lebensunterhalt mit jenen gewagten Betrügereien bestreiten zu müssen, die ihn früher oder später in den Kerker brächten. Was waren das doch für sorglose Zeiten gewesen, als seine Frau durch ihren leibhaftigen Einsatz bei spendablen Kavalieren das tägliche Brot verdiente! Deshalb war er froh, als Lorenza aus Sainte-Pélagie entlassen wurde und sich wieder mit ihm aussöhnte.

Da Balsamo befürchtete, die Geprellten würden nicht mehr lange stillhalten und ihn wegen Betrugs verhaften lassen, besorgte er sich einen Reisepass mit falschem Namen und floh mit Lorenza nach Brüssel, irrte eine Zeitlang durch Deutschland und Italien und tauchte plötzlich wieder in Palermo auf.

Erst wenige Tage war er in seiner Heimatstadt, als ihm Marano über den Weg lief, der Goldschmied, dem er früher einmal gegen ein gehöriges Handgeld einen Schatz versprochen, stattdessen aber von Teufeln hatte verprügeln lassen. Da half ihm auch nichts, dass er sich jetzt Marchese Pellegrini nannte, der Betrogene erkannte ihn sofort und ließ ihn verhaften. Zugleich wollte man dem Übeltäter auch wegen des vor Jahren gefälschten Testaments des Marchese Maurigi den Prozess machen. Es stand zu erwarten, dass man ihn auf die Galeere schicken würde.

Doch wie so oft schon entging er auch diesmal der gerechten Strafe. Der Sohn eines der ersten sizilianischen Prinzen und großen Gutsbesitzers, ein Kraftmensch und Hitzkopf, nahm sich des eingesperrten Marchese Pellegrini an, nachdem Lorenza sich seiner wärmstens angenommen hatte. Da verschiedene Befreiungsbemühungen nichts fruchteten, drohte er im Vorzimmer des Präsidenten, dem Anwalt der Gegenpartei einen Denkzettel zu verpassen, den dieser sein Lebtag nicht vergessen werde, wenn er sich nicht sofort für die Aufhebung der Haft einsetze. Als der Advokat sich jedoch weigerte, schlug er auf ihn ein, warf ihn zu Boden und misshandelte ihn mit Fußtritten, bis der Präsident auf den Lärm hin herbeieilte und Einhalt gebot. An eine Bestrafung des blaublütigen Berserkers wagte der Präsident, ein schwacher, abhängiger Mann, nicht einmal zu denken, und bei diesem Kleinmut schmolz auch der Widerstand des Anwalts dahin.

So wurde Balsamo-Pellegrini auf freien Fuß gesetzt, ohne dass in den Akten vermerkt wurde, wer die Haftaufhebung verfügt hatte, noch wie sie geschehen war. Er musste die Stadt sofort verlassen: Das war die einzige Auflage, die man ihm machte.

Der Magier und die Halsbandaffäre

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