Читать книгу Der Magier und die Halsbandaffäre - Helmut Höfling - Страница 12

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Von Cagliostros Aufenthalt in Mitau erhofften sich alle, die mit ihm in Berührung kamen, eine vielversprechende Abwechslung. Verschlagen und durchtrieben wie er war, verstand er es mit seiner Frau, die Herren zu umgarnen und den Damen so zu schmeicheln, dass kaum jemand seine Verstellungskunst und Scheinheiligkeit durchschaute. Da ihm das Unverdorbene ihrer Sitten auffiel, vermied er möglichst jeden Anstrich von Leichtsinn, denn er befürchtete, sonst allen Einfluss zu verlieren. Deshalb gab er sich als strenger Sittenprediger, wodurch er verstärkt ihr Vertrauen gewann. Wenngleich ihm der feine Anstand der großen Welt fehlte, so war er doch sehr auf der Hut, dass ihm kein unanständiger Scherz, keine Schlüpfrigkeit über die Lippen kam, wenn er sich mit Damen unterhielt. Zwar bemerkten seine Verehrer in Mitau das Ungeschliffene in seinen Manieren, zum Beispiel, dass er oft jeden von ihnen ohne die geringste Ursache ungestüm anfuhr, doch schoben sie es auf seinen langen Aufenthalt in Ägypten und Medina zurück, von denen er ihnen berichtet hatte. Da er vorgab, jeder, der Gemeinschaft mit Geistern haben wolle, müsse alles Materielle bekämpfen, tat er auch so, als sei er im Essen und Trinken mäßig, obwohl er es eigentlich gar nicht war: ein Widerspruch, den seine Anhänger jedoch kaum wahrnahmen, da alle zu sehr von ihm eingenommen waren. Vor allem seinen weiblichen Verehrern gab er das Gefühl, bedeutender zu sein, als es ihre gesellschaftliche Stellung und das Vorurteil der Väter und Ehemänner glauben machen wollten. So schraubte er ihre Erwartungen hoch und gewann sie als glühende Anhängerinnen, die sich bald allzu leichtgläubig vor seinen Karren spannen ließen.

Bei Elisas jüngerer Schwester, der erst achtzehnjährigen Dorothea, einer der schönsten Frauen ihrer Zeit, machte er dagegen keinen Stich. Schon von Anfang an hatte sie sich so ungläubig und spöttisch gezeigt, dass Elisa empört war. Sein schauderhaftes Französisch, seine Tischmanieren und nicht zuletzt seine Frau störten sie. Mochten die Männer sich auch die Augen nach ihr ausgucken, ihr kam sie vor wie ein sehr hübsches Dienstmädchen, ein apartes Kammerkätzchen, das seine Rolle als Gräfin auf höchst bedenkliche Weise spielte.

Keine vermochte die andere zu überzeugen, jede blieb bei ihrer Meinung, ja, Elisa ließ sich in der Folge noch weiter von dem großen Magier blenden.

Eines Tages hielt Cagliostro die Zeit für gekommen, in kleinem Kreis seinen Zuhörerinnen zu offenbaren, seine Oberen hätten ihn unter anderem auch mit einem Auftrag nach Mitau gesandt, der sie allein betreffe. Es waren nur drei Damen, die sich zu einem Gespräch mit ihm im Haus des Marschalls von Medem zusammengefunden hatten: Elisa von der Recke sowie ihre Tante und Kusine. Sie hatten es sich im Salon bei einem Tässhen Kaffee gemütlich gemacht und schon eine Weile miteinander geplaudert, als Cagliostro sie mit seiner Ankündigung überraschte, er habe von seinen Oberen die Vollmacht, als Grand Maître eine Loge d´Adoption zu gründen, das heißt eine Freimaurerloge für Damen, ganz so wie neulich in Den Haag, zusammen mit seiner Frau als Vorsitzende.

Serafina, die er zu dieser Runde mitgebracht hatte, gab sich besonders aufgeräumt. Wie bewegt die Damen bei der Einweihungsfeier gewesen seien, schwärmte sie und plapperte drauflos, dass die Zuhörerinnen glänzende Augen bekamen.

Eine solche Damenloge wollte jetzt auch der hohe Emissär bei ihnen stiften, aus Freundschaft zu ihnen, wie er beteuerte, denn er glaube, sie könnten würdige Mitglieder der geheimen Gesellschaft werden, die sie alle zu höherer Glückseligkeit führe, sofern sie mit reinem Herzen nach Wahrheit strebten und voll Liebe zum Allgemeinwohl ihre Kenntnisse zu erweitern suchten.

Die Idee gefiel ihnen. Wie verlockend wäre es, unter seiner Leitung Stifterinnen dieser Gesellschaft in Kurland zu werden. Jedoch sollte nicht jede Frau Mitglied werden können, sondern nur die Freimaurerinnen, die sie vorschlügen.

Dagegen hatte Cagliostro nichts einzuwenden. Ihm genügte es, mit der geplanten Loge d´Adoption die adligen Damen näher an sich zu binden und so leichter beeinflussen zu können. Ausgelöst hatte das Ganze nicht der Auftrag seiner Oberen, wie er ihnen weismachte, sondern seine Frau, die gleich in den ersten Tagen ihres Aufenthalts in Mitau eine Ordensschürze und ein Paar gestempelte Handschuhe in irgendeinem Winkel des Hauses entdeckt und den Damen entlockt hatte, was für eine Bewandtnis es damit auf sich habe. Unter der Führung eines Edelmanns waren sie einmal Mitglieder des von ihm selbst erfundenen Ordens Zu den sieben Sternen gewesen, von dem sich vor allem Elisa von der Recke erhofft hatte, wichtige Geheimnisse zu erfahren, die noch in der Zukunft lagen. Als sie und einige andere Freundinnen jedoch ihre Erwartungen getäuscht sahen, hatten sie dem Siebengestirn missvergnügt den Rücken gekehrt. All das hatte Serafina ihrem Mann umgehend berichtet, der nichts Eiligeres zu tun hatte, als sich selbst mit der Vollmacht seiner Oberen auszustatten und eine Freimaurerloge für Damen ins Leben zu rufen.

Die Aussicht auf die Stiftung beflügelte die Stimmung der Gastgeberinnen, die Cagliostro dazu drängten, sie tiefer in die heiligsten Geheimnisse der Zunft einzuweihen, vor allem in seinen ägyptischen Ritus, über den er bereits in der Herrenrunde gesprochen hatte, sowie sie in seine magische Philosophie einzuführen.

Dazu ließ sich Cagliostro nicht zweimal bitten und begann in seinem oft schwerverständlichen Kauderwelsch über seine sogenannte magische Philosophie zu schwadronieren: Die Freimaurerei sei die Schule, in der alle erzogen würden, die zur heiligen Mystik bestimmt seien. Dennoch ahnten die unteren Klassen der Freimaurer nichts davon, ihre Aufmerksamkeit werde nämlich in verschiedene Richtungen gelenkt, damit ihre Geheimen Oberen sie besser beobachten und die Würdigsten unter ihnen für höhere Zwecke verwenden könnten. Der engere Ausschuss dieser Mitglieder werde von den drei Vorstehern unseres Erdballs gewählt. Diese Untergeordneten von Moses, Elias und Christus seien die Geheimen Oberen der Freimaurer. Moses, Elias und Christus seien nicht nur die drei Hauptvorsteher unseres Erdballs, sondern auch die vollkommensten Freimaurer, die noch bis vor kurzem hier gelebt hätten. Obwohl sie sich nach Vollendung ihrer ruhmreichen Ziele vom Irdischen in höhere Sphären hinaufgeschwungen hätten und dort ihre Kraft und Weisheit aufböten, um Geschöpfe höherer Art zu beglücken, und obgleich sie nun schon selbst das unermeßliche Heer der Schöpfungen durch neue Welten vermehrten, die sie zum Preis des Urhebers aller Dinge hervorbrächten, so dauerten ihr Einfluss auf diesem Erdball und ihre Vorsorge für uns dennoch immer fort, und jeder von ihnen habe hier eine eigene unsichtbare Gemeinde, die aber insgesamt auf einem Hauptpunkt zusammenträfen und durch verschiedene Kanäle dem bösen Prinzipium entgegenarbeiteten.

Auf Elisas Frage, wo er denn in dieser Hierarchie stehe, sah Cagliostro die Damen mit selbstgefälliger Miene an und antwortete dann mit himmelwärts gerichtetem Blick, er sei einer der Untergeordneten des Elias und schon zur dritten Klasse aufgestiegen. Die Schüler des Elias stürben nie, wenn sie nicht der schwarzen Magie verfielen; vielmehr führen sie, sobald ihre irdische Laufbahn makellos vollendet sei, gleich ihrem erhabenen Lehrer lebendig in den Himmel auf. Doch würden sie, ehe sie zur Zahl Zwölf kämen, einige Male durch einen Scheintod geläutert, lebten aber sozusagen aus ihrer eigenen Asche immer wieder auf. Deshalb sei der Phönix das allegorische Bild dieser wohltätigen Magier.Aus der Pflanzschule der Freimaurer werde die erste geheime Klasse der Anhänger des Elias gewählt, insgesamt zweiundsiebzig. Diese Jünger besäßen eine Arznei, die verjüngt und alle Kräfte der Natur im Gleichgewicht halte, so dass diese oft alt würden wie Methusalem. Doch dürften sie ohne Erlaubnis ihrer Oberen niemandem etwas über diese Arznei mitteilen.

Die Damen waren ganz Ohr. Wenn das stimmte, was Cagliostro behauptete, dann war er als Untergeordneter des Elias unsterblich, und wer rechnete es sich nicht als besondere Auszeichnung an, einem Unsterblichen lauschen zu dürfen!

Der zweite Grad, fuhr Cagliostro fort, werde nach und nach aus den zweiundsiebzig Jüngern des Elias gewählt und bestehe aus neunundvierzig Mitgliedern. Sie besäßen das Geheimnis des roten Pulvers, anders ausgedrückt, sie hätten das Mittel, alle Metalle in Gold zu verwandeln. Ferner verfügten sie über die Fähigkeit, ihren Vorgesetzten auf mehr als hundert Meilen augenblicklich das wissen zu lassen, was sie für nötig hielten. Aus diesen neunundvierzig würden dann die fünfunddreißig auserwählt, und so weit hinauf sei er schon gerückt, wie er selbstgefällig erklärte, und aus diesen wiederum die vierundzwanzig berufen. Diese beiden Grade seien die gefährlichsten, weil alle bösen Geister sich an diese Mitglieder der Magie heranmachten, um sie vom guten Prinzipium abzulenken. Wer aber zum fünften und letzten Grad gelange, der nehme in alle Ewigkeit an Vollkommenheit zu. In diesem letzten irdischen Grad gäbe es nur zwölf Mitglieder, und gerade jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, dass einer dieser Zwölf so wie Elias in höhere Regionen aufgenommen werde, um in anderen Welten zu wirken. Aus den vier Klassen rückten dann die würdigsten Erwählten nach.

Cagliostro schwamm in seinem Element. Sollten die Damen nach einiger Zeit hören, dass er gestorben sei, und darauf wieder, dass er lebe, dann bedeute das, er habe den Versuchungen aller bösen Geister widerstanden und sei zum vierten Grad hinaufgerückt.

Obgleich sie manches nicht verstanden und noch weniger von seiner wirren Lehre behalten hatten, zeigten sich die Damen dennoch beeindruckt. Was sie alle drei bewegte, sprach Elisa von der Recke als erste aus: Wenn also jemand von einem Grad in den nächsthöheren aufsteige, dann müsse doch irgendwer nachrücken, weil sozusagen ein Stuhl frei werde, und wer dürfe sich darauf niederlassen? Auch jemand von ihnen?

Cagliostro nickte ihr wohlwollend zu. Wer von ihnen in Mitau am treuesten und rechtschaffensten, wessen Seele der Magie nur zum guten Zweck ergeben sei, der könne, ob Mann oder Frau, darauf hoffen, bei der ersten Vakanz zu den zweiundsiebzig Anhängern des Elias berufen zu werden, und gerade die verehrte Freifrau von der Recke schiene ihm gute Aussichten zu haben, zu diesem Glück bestimmt zu sein.

Von Freude überwältigt, demnächst ihre kühnsten Träume erfüllt zu sehen, sog sie die schmeichelhafte Prophezeiung begierig ein, bald mit höheren Fähigkeiten ausgestattet zu sein. Die Vernunft der gebildeten jungen Frau blieb dabei auf der Strecke.

Ob überhaupt je eine Frau die höchste Stufe der Magie erreicht habe, wollte Frau von Medem wissen. Cagliostro nickte. Die Königin von Saba, deren Geschichte im Alten Testament ganz in magische Bilder gehüllt sei, und nur zum Teil dargestellt, habe die höchste Stufe der Magie erreicht, zu der je eine weibliche Seele gelangt sei. Am Ende aber sei sie zu schwach geworden, weshalb ihre nur den wahren Magiern verständliche Geschichte in der Geschichte der Kalypso geschildert sei - was wiederum Elisas Kusine nicht begriff, denn wieso hatte Kalypso, die Nymphe in der Odyssee, etwas mit der Königin von Saba zu schaffen? Doch statt den Meister um nähere Aufklärung zu bitten, fragte sie ihn, ob es auch heilige Bücher der Magie gebe, worauf Cagliostro gleich sowohl die griechische Götterlehre als auch das Zendavesta nannte, das heilige Buch der Parsen mit den religiösen Lehren des Zarathustra, sowie die Edda und die Bibel: alles heilige Bücher der Magie.

Ob es auch noch anderes gebe, was der Magie heilig sei? fragte Frau von Medem. Als Beispiel führte Cagliostro heilige magische Figuren wie Zirkel und Dreieck an, aber auch heilige Zahlen wie drei und neun, zwei und sieben. Wer die Kraft dieser Zahlen verstehe, sei der Quelle des Guten nahe. Ferner, fuhr er in seiner verwirrenden Zahlenzauberei fort, fasse das Wort Jehova zweimal drei in sich und habe eine unermeßliche Kraft. Aber das sei noch nicht alles. Denn neben den heiligen Zahlen gebe es auch heilige Buchstaben. Wer die Buchstaben J.H.S. anblicke, nenne oder an sie denke, dürfe dies nie ohne tiefste Ehrfurcht tun, denn sie schlössen alle Weisheit und die Quelle aller Glückseligkeit in sich. Wer die wahre Würde dieser Buchstaben verstehe, sei der ewigen Quelle alles Guten nahe.

Cagliostro griff zur Kaffeetasse und trank einen Schluck: eine Unterbrechung seines Vortrags, die Freifrau von der Recke zu der Bemerkung nutzte, sie wundere sich sehr, dass auch die Bibel zu den heiligen Büchern der Magie gehöre, wie er vorhin gesagt habe. Immer wieder habe sie darin gelesen, aber nichts Magisches gefunden. Die Bibel sei Gottes Wort und die Quelle ihrer Religion.

Cagliostro stimmte ihr darin zu, bestritt aber, dass sie die ganze Bibel kenne, denn drei Kapitel daraus würden fehlen und befänden sich ausschließlich in den Händen der Magier. Wer nur eines dieser Kapitel besitze, dem ständen schon übernatürliche Kräfte zu Gebot. Doch dieser Erwerb sei nicht jedem möglich. Denn wer J.H.S., die Sonne, Zirkel und Dreieck, zwei und sieben, drei und neun sowie das Wort Jehova nicht in Ehren halte und nicht zur wahren Kenntnis dieser Buchstaben, Zahlen und Wörter gelangt sei, der werde auch nie in den Besitz dieser fehlenden Kapitel aus der Bibel kommen. Sie enthielten die höchste Weisheit, durch die unsere Welt beherrscht werde.

Je dunkler und schwerfälliger sich Cagliostro ausgedrückt hatte, desto leichtgläubiger waren seine Zuhörerinnen geworden. Unverständliches galt ihnen als Zeichen mystischer Tiefe, und wenn auch so manche Einzelheit verworren klang, so überglänzte doch die Pracht dessen, was er ihnen in Aussicht gestellt hatte, alle zweiflerischen Bedenken.

Das erste Ziel war die Errichtung der Loge d’Adoption, eine Aufgabe, der sich die Damen mit Eifer widmeten. Die beiden Brüder von Medem sowie Herr von der Howen und Major von Korff, die ohnehin von Cagliostro eingenommen waren, stimmten dem Vorhaben zu und versuchten auf Elisas Vorschlag auch Hofrat Schwander dafür zu gewinnen, einen Mann, der zeitlebens das Orakel nicht nur seiner Freunde, sondern beinahe ganz Kurlands war. Damit waren sie aber an den Falschen geraten. Schon von Anfang an hatte er vor einer Verbindung mit dem angeblichen Emissär gewarnt. Der Kerl, so primitiv er auch sein mochte, sei gefährlich für alle, die für seine Schwindeleien empfänglich seien. Ob sie nicht merkten, wie er seine Netze immer enger um sie zöge, bis er sie am Ende ganz in der Hand habe? Wenn sie schon den Narren für ihn spielen wollten, dann sollten sie wenigstens ihn aus dem Spiel lassen.

Hofrat Schwander war der Universitätsfreund der Brüder von Medem gewesen und hatte es sich angelegen sein lassen, durch seinen Umgang die Erziehung ihrer Kinder zu fördern. Besonders um Elisa zeigte er sich rührend besorgt und versuchte immer wieder, wenn auch vergebens, sie von ihrer übertriebenen Schwärmerei zu heilen, eine so gebildete junge Frau, die mit so viel Verstand gesegnet war!

Sosehr sich Elisa seinen Regeln zur Glückseligkeit, die sich auf die Reinheit der Seele und tätige uneigennützige Menschenliebe gründeten, auch anschloss, sowenig stimmte sie mit ihrem weisen Freund in den Grundsätzen der Religion überein. Denn Schwander glaubte nichts, was mit seiner Vernunft in Widerspruch stand, während sie an die immerwährende Wunderkraft des Gebets frommer Christen glaubte und sich daher wünschte, einen so verehrungswürdigen Mann allmählich zu diesem Glauben zu bekehren. Durch Cagliostro hoffte sie ihrem Ziel näherzukommen, und als dieser die Errichtung einer Loge d´Adoption anregte, schlug Elisa den Hofrat als Mitglied vor.

Gegenüber seinen vier Besuchern sparte Schwander nicht mit Warnungen vor einer Verbindung mit Cagliostro und brachte seine Freunde schließlich so weit, dass sie seinen Einwänden Gehör schenkten und von ihrem Plan abließen. Cagliostro aber bestand auf seinem Vorhaben. Die Loge müsse ein voller Erfolg werden, ein Fanal für die Freimaurerei in der ganzen Welt. Wer jetzt noch sein Gegner sei, werde bald schon sein eifrigster Anhänger sein.

Seine Entschlossenheit brachte die Front gegen ihn ins Wanken, aber zu einer Gesinnungsänderung reichte es noch nicht. Deshalb versuchte anderentags Elisa von der Recke selbst, Hofrat Schwander umzustimmen, vergebens. Mit väterlicher Geduld redete er auf sie ein und warnte sie, nicht in die Falle zu gehen, die Cagliostro ihnen stelle, dieser Scharlatan und Betrüger, von dem sich alle blenden ließen.

Elisa widersprach ihm heftig. Für sie war Cagliostro ein Mann Gottes, dem höhere Geister dienstbar seien, und. nichts könne sie davon abbringen, durch ihn in Beziehung zu überirdischen Wesen zu treten.

Der Hofrat seufzte ergeben, er kannte sie nur zu gut, aber auf ihre Seite ziehen ließ er sich nicht. Dafür gelang es Cagliostro, den Widerstand von Elisas Vater und Onkel sowie des Kammerherrn von der Howen zu brechen, indem er vor ihren Augen Quecksilber in Silber verwandelte, wie er vorgab, und das erste magische Experiment machte. Die Zuschauer waren so hingerissen von seinen Fähigkeiten, dass sie einwilligten, die Loge d´Adoption zu stiften.

Hofrat Schwander erkannte die Gefahren, die damit auf alle, besonders aber auf Elisa von der Recke, zukamen und bot seine ganze Überzeugungskunst auf, sie zurückzuhalten. Doch all seine Beredsamkeit nützte nichts, alle Gründe der Vernunft prallten von ihr ab. Auch wenn er nicht in diese Gesellschaft eintreten wolle, werde sie trotzdem Mitglied darin.

Mit besorgtem Blick sah er sie an. Ihr Glaube an Wunder mache sie zu einem willkommenen Opfer für jeden Betrüger, der es darauf anlege, durch Scheintugend zu glänzen. Wenn er sie schon nicht vor dem gefährlichen Irrweg zurückhalten könne, dann wolle er sie wenigstens als Beschützer begleiten, wohin Aberglauben und Schwärmerei sie auch führen mögen, sich von Ihrem Geisterseher einweihen und dem Anschein nach zum Narren machen lassen. Denn man müsse schon ein tumber Tor sein, mit Blindheit geschlagen, wenn man das glaube, was ihr Wundermann da lehre.

Freudig hoffte sie, damit habe er den ersten Schritt zu seiner religiösen Bekehrung gemacht. Er schien ihre Gedanken erraten zu haben, denn er schüttelte den Kopf. Sie solle seinen Entschluss nicht falsch deuten. Wenn er einmal tot sein werde und sie, wodurch auch immer, von ihrer Schwärmerei geheilt sein sollte, dann erst könne sie das Opfer voll ermessen, das er ihr jetzt bringe.

Hofrat Schwander bewog noch ein paar Freunde, in gleicher Absicht wie er der Loge beizutreten. Seinem Beispiel folgten aber sogleich auch andere Personen von Rang und Namen, darunter Herr von Medem auf Tittelmünde, der älteste Sohn von Elisas Onkel, ferner die Herren Hinz und Doktor Lieb sowie der Königlich-Preußische Oberbergrat Johann Jakob Ferber, der Mitglied mehrerer Akademien der Wissenschaften und Professor der Naturgeschichte und Physik war. Einige von ihnen hielten Cagliostro genauso wenig für einen Wundermann wie Schwander, sondern vielmehr für einen Betrüger.

Cagliostro sei einer der dümmsten, gröbsten und ungeschliffensten Menschen, die er kenne, urteilte Ferber schon nach seinen ersten Begegnungen im Kreis von Gleichgesinnten. Manchmal wisse er nicht, ob er sich über den einfältigen, dummdreisten Firlefanz und die Niederträchtigkeit mehr ärgern oder über die gutherzige Leichtgläubigkeit der meisten seiner sonst vernünftigen Schüler wundern solle. Noch plumper als er könne man überhaupt nicht mehr betrügen. Alles, was er sage, sei eine auswendig gelernte, ewig wiederholte Lektion, bei der er im Grunde genommen nichts ändere, sozusagen Gaukeleien am laufenden Band.

Wenn er und die anderen, die genauso dachten, trotz dieser Einsicht mitmachten, geschah das teils aus Neugier, um als Augenzeugen mitzuerleben, wie weit Cagliostro es noch treiben würde, teils aber auch aus freundschaftlicher Fürsorge um Elisa von der Recke sowie ihrer Tante, Kusine und aller anderen Geistergläubigen, um sie, falls nötig, davor zu bewahren, sich in Erwartung von Wundern noch heilloser in ihrer Schwärmerei zu verlieren.

Der Zulauf solcher angesehenen Männer hob nicht nur den Ruf Cagliostros, sondern erregte wegen des Geheimnisvollen, das seinen Auftritt umgab, auch in Mitau viel Aufsehen, denn in der Öffentlichkeit blieb es verborgen, dass sie nicht mit dem Herzen, sondern nur zum Schein seine Anhänger waren. Er selbst sah darin für seine Person eine Aufwertung, die ihm demnächst die Türen in Sankt Petersburg weit aufstoßen würden.

Cagliostro führte nun in Elisas Elternhaus einige chemische Versuche durch, bei denen ihr Vater und der Kammerherr von der Howen anwesend waren. Verblüfft über die ungewöhnlichen Experimente, wollten sie gern erfahren, wie er das gemacht habe. Das sei sein Geheimnis, lächelte Cagliostro schlau, erst in der neuen Loge werde er ihnen einige dieser Geheimnisse anvertrauen und ihnen zuliebe auch noch beweisen, dass höhere Kräfte in seiner Gewalt seien. Mit dem jüngsten Sohn des Bruders von Elisas Vater, er habe übrigens schon mit beiden gesprochen, werde er ein magisches Experiment machen. Der Knabe, nicht ganz sechs Jahre alt, sei noch ein unschuldiges Kind und scheine ihm dafür bestens geeignet zu sein.

Am nächsten Tag begaben sich die Brüder von Medem mit dem Kleinen ins Haus des Kammerherrn von der Howen, wo das Experiment stattfinden sollte und Cagliostro sie bereits erwartete. Er wechselte ein paar Worte mit ihnen, bat sie dann im Empfangszimmer Platz zu nehmen und mahnte sie zur äußersten Ruhe, um das schwierige Experiment nicht zu gefährden.

Die Beschwörungen begannen. Cagliostro ließ den Knaben niederknien und goss ihm das Öl der Weisheit, wie er es nannte, in die linke Hand sowie aufs Haupt, um ihn so, einen Psalm betend, zum künftigen Seher zu weihen. Bei dieser feierlichen Handlung geriet der Kleine so sehr in Hitze, dass er am ganzen Körper stark zu schwitzen begann. Auf die Schweißperlen im Gesicht deutend, wandte sich Cagliostro an den Vater, er könne unbesorgt sein, dies sei das Zeichen, dass die Geister Wohlgefallen an dem Sohn hätten. Er trat zu ihm heran und flüsterte ihm zu, ohne dass der Knabe es hören konnte: „Welche Personen soll ich für Ihren Sohn erscheinen lassen?“

„Seine Mutter“, bat der Vater ebenso leise, „und seine Schwester, die noch zu Hause ist, damit er nicht erschrickt, wenn er die Erscheinung sieht.“

Nun schrieb er in die Hand und auf den Kopf des Kindes verschiedene Zeichen, geheimnisvoll und unverständlich für die Anwesenden.

„Schaue unaufhörlich in die gesalbte Hand“, gebot er dem schweißgebadeten Knaben.

Ungefähr zehn Minuten nach der Beschwörung rief das Kind plötzlich aus: „Meine Mutter...! Ich sehe meine Mutter und Schwester!“

„Was macht Ihre Schwester?“, erkundigte sich Cagliostro.

„Sie greift sich ans Herz, als wenn ihr da etwas wehtäte.“

Eine lähmende Stille lastete im Raum. Alle fragten sich besorgt, was das zu bedeuten habe, als der Kleine nach einer Weile verkündete:

„Jetzt küsst meine Schwester meinen Bruder, der gerade zu Hause angekommen ist.“

Erregt sprang der Landmarschall auf. „Unmöglich“, stieß er hervor, „ganz und gar unmöglich! Als ich vorhin von zu Hause weggefahren bin, zusammen mit meinem Bruder, um hierher zu kommen, war mein ältester Sohn noch nicht in der Stadt, sondern über sieben Meilen entfernt. Wir haben ihn auch heute noch gar nicht zurückerwartet.“

„Und trotzdem ist es so, wie der Knabe es dank meiner höheren Kräfte gesehen hat“, bekräftigte Cagliostro selbstbewusst. „Bitte überzeugen Sie sich selbst, wenn Sie es nicht glauben.“

„Ja“, fahren wir los, meine Herren“, schlug der Kammerherr vor, „von meinem Haus bis zu Ihrem, Herr von Medem, sind es ja nur wenige Straßen.“

Groß war ihre Verwunderung, als sie alles bestätigt fanden. In derselben Stunde, in der die Beschwörung stattfand, war der ältere Bruder des Knaben überraschend zurückgekehrt, und seine Schwester hatte kurz vorher so starkes Herzklopfen gehabt, dass ihr übel geworden war.

An den ungewöhnlichen Fähigkeiten des begnadeten Magiers gab es für sie jetzt keinen Zweifel mehr, und deshalb betrieben sie nun selbst die Stiftung der Loge d´Adoption, zu der sie noch weitere Brüder von Stand auswählten.

Der Magier und die Halsbandaffäre

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