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22. Leidenspsalm (von David)

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Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen ?

Schau herab, wie mir die Tränen strömen, aber du bist fern.

Soll mein gemartertes Herz einsam in Pein verblassen ?

Warum hast du mich verstoßen, meine Seele nicht mehr gern?

Mein Gott, den ganzen Tag ruf ich zu dir aus letzter Kraft

doch deine Himmel schweigen, denn du antwortest nicht.

Was soll ich rufen, das meinen Klagen Eintritt verschafft ?

Die Dämmerung trägt mich nun fort mit dem Tageslicht !

Die Heftigkeit der Schmerzen lässt mich nachts nicht ruhen

mein Gott, der du wohnst unter dem Lobe Israels.

Ich preise und rufe dich ! Sag mir: Was soll ich tun ?!

Denn du bist heilig und groß und schaust in die Herzen.

Bis weit zurück hofften die Väter auf dich nicht vergebens

und weil sie auf dich hofften, kamst du und halfst ihnen aus.

Jetzt steht es schlecht um mich, bedrängt bin ich des Lebens

mächtige Feinde belagern die Stadt und brechen ins Haus.

Damals, als die Väter zu dir schrien, hast du sie erhört

zu ihrer Hilfe fuhr deine Rechte streitend durch die Landen.

Binnen kurzem waren die Feinde geschlagen, allesamt zerstört

und die Väter priesen dich, dass sie nicht kamen zu schanden.

Erbärmlich steh ich nun an dieser Stelle wie ein siechender Wurm

denn tief haben sie die Wunden geschlagen, haben sie mich gequält.

Bitter spotten sie, sprühen das Gift der Gemeinheit und entfachen den Sturm

verzehrt sind meine Kräfte, die Tage meines Lebens sind gezählt.

Mein Gott, schau herunter und sieh, was sie aus mir machen!

Galligen Speichel spucken sie ins blutende Gesicht

kränken mit bösen Worten, reißen die Mäuler auf und lachen

binden mich an den Pfahl und schlagen mit schwerem Gewicht.

Übel verleumden sie, dabei quillt ihnen der Spott aus den Augen:

Klag es deinem Gott, du kriechender Wurm. Er ist doch groß.

Hörbar klage es ihm. Er wird dich erlösen bis zum Morgen.

Aber finden wir dich wieder, keiner rettet dich aus deinem Los.

Herr, du hast mich aus dem Leibe meiner armen Mutter gezogen

und von Anfang an warst du mein Hort und meine Zuversicht.

Was, wenn du diesen Weg des Leidens siehst, hat dich bewogen

mir deine Hilfe zu versagen, wegzusehen mit deinem Gesicht ?

In den frühesten Jahren, da ich an den Mutterbrüsten lag

schon damals waren streng geschieden die Guten von den Bösen.

Mit Leid und Verzehrung, den Schmerzen und der großen Not trug

sie, die Mutter, das schwere Schicksal, was sie nicht konnte lösen.

Auf dich bin ich geworfen im Auf und Ab vom Mutterleibe an

deinen Weg hab ich gehalten, dir Lob und Opfer zuerkannt.

Denn du bist mein Gott, lange bevor ich eigene Gedanken sann

nun sieh herab in meine Not, mein Atem ist fast ausgebrannt.

Soll ich jämmerlich vergehen ? Noch klopft das Herz in Todesangst.

Mein Gott, du gerechter Gott ! Warum hast du mich verlassen ?

Gehorsam tat ich alles als dein treuer Knecht, wie du verlangtest.

Warum schweigst du jetzt ?, während sie mich quälen und hassen.

Seit Tagen bin ich von hohen Pfählen und Farren gepfercht

von kräftigen Stieren und schweren Ketten bin ich umringt.

Es ist ganz offensichtlich: Sie trachten nach meinem Leben.

Dabei starrt die Gewissheit aus ihren Augen, dass mich der Tod bezwingt.

Riesig sperren sie die Rachen auf und schäumen vor Wut

brüllenden Löwen gleich, die im Sprung das Opfer reißen werden.

Hingeschüttet wie Wasser bin ich verloren vor der gleißenden Glut

die geschundenen Knochen werden zerspleißen auf blutigen Erden.

Wachsweich ist mein Herz geworden, dahingeschwunden mein Wille

zur bloßen Scherbe zersplittert ist der Widerstand vor dem Raub.

Borkig klebt die trockene Zunge am Gaumen in sandiger Stille

mit deinem Schweigen, o Herr, legst du mich in des Todes Staub.

Hunde haben mich umstellt, eine kläffende Meute hat mich umgeben

die sich ihrer Stärke wegen brüsten und sich lauthals laben.

Die Rotte Bösgesinnter, die gierig nach meinem Gebeine streben

fesselt mir Hände und Füße; sie wird mich grausam vergraben.

In diesem Elend betrachten sie mich und teilen meine Kleider auf

sie lachen und pokern mit dem Becher fürs Los um mein Gewand.

Haltlos wuchern die schlechten Sitten zu meiner Lebzeit Lauf

herzlos zerstören sie, was unsere Väter mühsam schafften im Land.

Herr, fahre deine Hand weit aus, sie soll um mein Leben fechten

mit hartem Donnern komm herbei und rette mich aus größter Not !

Nimm in Schutz die reine Seele vor dem Schwert der Ungerechten

schlag du es ihnen aus der Hand und komme zuvor meinem Tod !

Vor den kratzenden Hundetatzen nimm das verwundete Fleisch zurück

aus dem reißzähnigen Maul des Löwen zieh mich heraus !

Gib mir deine Antwort vor dem Bisonhorn, bevor es mich zerspießt

erhöre mich !, führe mich heim zu meinen Menschen ins geordnete Haus.

Von der Größe deines Namens will ich all meinen Brüdern erzählen

inmitten der Gemeinde will ich dich rühmen mit meinen Worten.

Deine Güte und Kraft, die währende Gerechtigkeit will ich wählen

unter den Menschen im Hause und ihren Söhnen an allen Orten.

Es ehre und lobe den Herrn, unseren Gott, aller Same Jakobs

denn nur er legt die ewige Gerechtigkeit in der Mütter Schoß!

Vor dir, Herr, fürchte und richte sich aus der Same Israels

denn nur dein Name ist herrlich, nur deine Werke sind groß.

So, wie er den Elenden beachtet, so steht er den Armen bei

ihnen leuchtet zum Trost und zur Hoffnung sein Antlitz entgegen.

Ich will seinen Namen preisen unter den Brüdern frank und frei

will seinen Stuhl heben über die Augen der anderen zum Segen.

Bezahlen will ich all meine Gelübde vor denen, die dich fürchten

denn die Hungernden sollen essen, die Dürstenden sollen trinken.

Die, die nach dir fragen, das sind die Treuen, die nicht rechten

gegen dich; ihre rufenden Stimmen werden nicht ungehört versinken.

Deiner gedenken werden mehr und mehr, sie werden deine Worte hören

selbst die Geschlechter der Heiden beten vor deiner großen Macht.

Von den Rändern der Erde kehren sie um und werden nicht stören

das Sprechen der Weisen zu den Söhnen in der Dämmerung zur Nacht.

Die Zeit wird kommen, dass auch die Mächtigen vor ihm sich beugen

so wie es die Elenden tun, die staubig liegen und kümmerlich leben.

Durch die Völker hindurch wird der Herr seinen Samen zeugen

vom Mutterschoße an wird er den Generationen die Gerechtigkeit geben.

Neue Geschlechter werden kommen, die seine Bewährung melden

künftigen Bewahrern wird die Geschichte vom Herrn erzählt.

Wer seine Seele in den Jahren nicht mit Lebensfreude konnte weiden

dem nachgeborenen Volke wird’s kund, die Tat, die es erzählt erhält.

Das Wort der Preisung

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