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8. Geschichtswissenschaft, ihre Theorien und Methoden

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Die Logik des historischen Denkens, die Struktur von Verwissenschaftlichung als Rationalisierung bestimmt den Aufbau der Geschichte als Fachwissenschaft. Hier können mehrere Bedeutungsfelder zur Erklärung angeführt werden:

1. Bezüglich der Orientierungsbedürfnisse der menschlichen Lebenspraxis, die das historische Denken entscheidend beeinflussen, kann man von einem Prozess der Rationalisierung sprechen, weil Orientierungsbedürfnisse zu Erkenntnisinteressen rationalisiert werden.

2. Hinsichtlich der leitenden Einsichten auf die Erfahrung der Vergangenheit kann man von einem „Prozess der Theoretisierung“ sprechen. Ideen sind leitende Hinsichten auf die Erfahrung der Vergangenheit und werden zu expliziten Bezugsrahmen der historischen Interpretation.

3. Bezüglich der Regeln, nach denen sich das historische Denken ausrichtet, wenn es Erfahrungen der Vergangenheit berücksichtigt, kann man von einem Prozess der Methodisierung sprechen. Dabei werden die Geltungssicherungen von Geschichte zum Regelsystem der empirischen Forschung methodisiert, und zwar als besonderes Regelsystem, das für die Ermittlung und Interpretation des Tatsachengehalts von Geschichten unbedingte Voraussetzung ist.

4. Hinsichtlich der Darstellung kann man feststellen, dass diese neuen Formen wissenschaftsspezifischer Diskursivität gewinnt, gleichzeitig aber mit ihnen die literarischen Ausdrucksmöglichkeiten verliert, die mit der wissenschaftlichen Geltungssicherung historischer Aussagen unvereinbar sind. Dabei muss die Geschichtsschreibung ihren narrativen Charakter nicht unbedingt verlieren.

5. Bezüglich der Funktionen der Daseinsorientierung kann man auch von einer ideologiekritischen Humanisierung sprechen. Starre Fixierungen von Zeitorientierung und Identitätsbildung durch historische Erinnerungen können ideologiekritisch ausgelöst und historische Identität am humanitären Kriterium wechselseitiger Anerkennung orientiert werden.71

Es steht heute außer Zweifel, dass die Geschichte als Wissenschaft von der historischen Forschung und diese wiederum von ihren Methoden in entscheidender Weise abhängt.72 Daher können Theorien in der Geschichtswissenschaft nur dann eine Rolle spielen, wenn sie sich auf die Forschungspraxis beziehen. Ihre Bedeutung hängt letztlich von der methodischen Regelung der empirischen Forschung ab. Der Methodenfaktor ist ein wesentlicher Prüfstein für den Bereich der Theorie. Ob und inwieweit in der historischen Forschung Theorien verwendet werden können, hängt von den Methoden ab. Wie die neuere Theoriediskussion gezeigt hat, sind theorieförmige Elemente des historischen Denkens für die Geisteswissenschaften von großer Bedeutung. Besonders deutlich wird dies in der Abhängigkeit der Methodenentwicklung von verschiedenen Deutungsmustern der historischen Erfahrung. Erklärungen sind für die wissenschaftliche Rationalität maßgeblich, wobei nur ein Erklären mit Hilfe von Gesetzen rational oder wissenschaftlich sein kann, und auf die Geschichtswissenschaft übertragen würde dies bedeuten, dass ihre Wissenschaftlichkeit davon abhängt, ob und inwieweit sie rationale Erklärungen zu geben vermag und mit Gesetzeserkenntnissen arbeiten kann. Die Geschichtswissenschaft entspricht durchaus diesen Rationalitätskriterien, doch ist der Monopolanspruch des nomologischen Erklärungsverfahrens auf wissenschaftsspezifische Rationalität bezüglich der Geschichtswissenschaft zu einseitig. Vielmehr gibt es heute mehrere Erklärungsmodelle in der Geschichtswissenschaft, nämlich das nomologische Erklären und das Problem der historischen Gesetze, das intentionale Erklären und das Problem hermeneutischer Sinnzusammenhänge und das narrative Erklären sowie das Problem theoretischer Erzählkonstrukte.73

Unter historischen Theorien versteht man heute in der Geschichtswissenschaft Konstruktionen von Zeitverläufen, die gleichsam als Leitfäden von Geschichte bezeichnet werden können. Historische Theorien sind aber auch Fragerahmen oder Hypothesenkonstruktionen, die empirische Sachverhalte besser erschließen können. Sie sind letztlich auch „explizite und konsistente Begriffs- und Kategoriensysteme, die der Erschließung und Erklärung von bestimmten historischen Phänomenen und Quellen dienen, aber nicht hinreichend aus den Quellen abgeleitet werden können.“74

Abschließend müssen hier auch noch didaktische Aspekte erwähnt werden. Im Wechselspiel zwischen Theorie und Empirie kann genau festgestellt werden, wo Quellenbefunde zur Stützung und inhaltlichen Füllung theoretischer Hinsichten fehlen und wo Quellen Informationen enthalten, die theoretisch nicht hinreichend erklärt werden können. Auch historische Begriffe als sprachliche Mittel historischer Aussagen fallen in den Bereich historischer Theorien. Hier geht es vor allem darum, begrifflich genau zu bezeichnen, was man das historisch Wesentliche an einem Sachverhalt nennen könnte.

Zur didaktischen Funktion und Praxis der Geschichtswissenschaft gehört auch die Methodik, worunter wir in der Geschichtswissenschaft die Regeln der historischen Forschung verstehen. Die Gesamtheit der Regeln des historischen Denkens, das Handwerkzeug des Historikers, bestimmt die Verfahren, nach denen die menschliche Vergangenheit als Geschichte vergegenwärtigt wird. Die historischen Methoden garantieren die Objektivität historischer Aussagen, sofern es diese überhaupt gibt. Unter Methodik bezeichnet man in der Geschichtswissenschaft zunächst das Ensemble aller Verfahrensregeln, denen das historische Denken folgt. Im engeren Sinne sind hier aber die spezifischen Erkenntnisoperationen gemeint, die als historische Forschung bezeichnet werden. Der zweite, engere Begriff, ist praxisnäher, der erste ist stärker erkennntnis- und wissenschaftstheoretisch orientiert. Für die Forschung als Phase des historischen Erkenntnisprozesses ist das methodische Prinzip des Erfahrungsbezuges entscheidend, welches das historische Wissen in die Bewegung des Erkenntnisfortschritts bringt. Das Regelsystem der historischen Methode hängt wesentlich von der Frage ab, wie diese Bewegung des Erkenntnisfortschritts in Gang gebracht wird. Hier werden heute in der Methodendiskussion drei Schritte unterschieden:

1. Die Heuristik,

2. die Kritik und

3. die Interpretation.

Die historische Methode regelt den Forschungsprozess operativ im systematischen Zusammenhang dieser drei Schritte. Alle historischen Forschungstechniken sind in diesen methodischen Zusammenhang integriert und erfahren in ihm ihre je spezifische Funktion. Diese Einheit besitzt jedoch operativ- prozessualen Charakter und definiert Forschung als Verfahrensablauf. Der operativ-substantielle Aspekt betrifft den inhaltlichen Zugriff der Forschung auf die Erfahrung.75

Verbot, Verfolgung und Neubeginn

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