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I. Einleitung Forschungsperspektiven 1. Die ältere masonische Geschichtsschreibung

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Es ist eine der vordringlichsten Aufgaben der freimaurerischen Forschung, sich über Tendenzen und Richtungen der profanen Wissenschaft mit ihren Methoden zu informieren und diese in ihre Forschungspraxis zu integrieren. Aus den neueren Untersuchungen über Freimaurerei, die auch von Nichtfreimaurern verfasst wurden, geht hervor, dass diese bei der Verbreitung der Aufklärung und im geistig-kulturellen und im politischen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozess schon seit der Frühen Neuzeit und dann besonders im 18. und 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle gespielt hat. Auch die sich neben der Freimaurerei entfaltenden Geheimgesellschaften, die auf vielschichtigen hermetisch-esoterischen Geistestraditionen aufbauen, sind durch neue Forschungen in vielen Details verständlicher geworden.1 Zwar wurde von der älteren Historiographie freimaurerische Geschichtsforschung oft unkritisch und dilettantisch betrieben, doch dürfen dabei die wirklich fundierten Arbeiten im 19., 20. und 21. Jahrhundert nicht übersehen werden.

Wichtig war neben verschiedenen Privatinitiativen im ausgehenden 19. Jahrhundert der Zusammenschluss freimaurerischer Historiker zur Forschungsloge „Quatuor Coronati“ in London (1884), die seit 1886 die Zeitschrift „Ars Quatuor Coronatorum“ herausbringt und bisher kein gleichwertiges Pendant gefunden hat. Thematisch ist dieses Periodikum nicht allein auf die britischen Inseln beschränkt, sondern bezieht auch die Geschichte der Freimaurerei im übrigen Europa und in Übersee mit ein.

In Deutschland und Österreich, wo gleichfalls Forschungslogen gegründet wurden (in Wien erst 1974), musste die freimaurerische Geschichtsschreibung 1945 von Neuem beginnen, während sie in Frankreich nach 1933 eine besondere Blüte erlangte. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte sie an Bedeutung zugenommen und lief dann der deutschsprachigen Forschung den Rang ab. Aber auch die nach dem Zweiten Weltkrieg in England, Deutschland und Österreich erschienenen Bücher, Studien und Aufsätze weisen auf eine respektable Leistung hin und bilden wertvolle Grundlagen für weitere masonische Forschungen. Darüber hinaus hat sich die Freimauerforschung auch in anderen europäischen Ländern in den letzten Jahrzehnten positiv entwickelt, wie z.B. in Belgien, Holland, Spanien, Italien, Ungarn, Polen und Russland, sodass man heute bereits von einer überregionalen, europäischen und weltweiten Freimaurerforschung sprechen kann.

Dass gerade die französische Forschung nach 1933 so stark an Bedeutung zunahm, liegt neben der Tatsache, dass auch Nichtfreimaurer sich mit der kontroversen Problematik „Freimaurerei und Revolution“ auseinandersetzten, im Umstand, dass dort ideale Bedingungen zur Ausschöpfung der Quellen herrschen, zumal die Archive des Grand Orient und der Grand Lodge, der Bibliothéque Nationale in Paris und darüber hinaus zahlreiche Logenarchive in Frankreich der Forschung ohne weitgehende Einschränkungen zugänglich sind. Die neuere französische Historiographie befasst sich heute vor allem mit dem Thema „Freimaurerei und Geheimgesellschaften“ aus der Sicht der Religionswissenschaft, der Mentalitäts- und Kulturgeschichte, der Geistes- und Ideengeschichte, der Sozialwissenschaften und Sozialgeschichte und zieht auch deren Fragestellungen und Methoden stärker heran.

In England besteht dagegen immer noch eine gewisse Distanz zwischen Fachhistorie und freimaurerischer Geschichtsforschung, die jedoch sehr aktiv ist und trotzt starker Autarkie nach 1945 eine Reihe von grundlegenden Arbeiten herausbrachte, wobei in letzter Zeit vor allem Untersuchungen über Symbolik, Ritualistik und enzyklopädische Bemühungen im Vordergrund stehen. In der schon erwähnten Zeitschrift „Ars Quatuor Coronatorum“ wurden jüngst neben regionalen und nationalen Logenarbeiten auch allgemeine historische Fragen, Quellenprobleme und Fragen der Historiographie und Methoden stärker berücksichtigt. Die deutsche und österreichische Freimaurerforschung erfuhr starke Impulse und Anregungen von älteren maurerischen Standardwerken, die zum Teil unverändert nachgedruckt wurden.2

Verbot, Verfolgung und Neubeginn

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