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Rosinenpudding für 10 Mark

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Papa Berger hatte es nun auch endlich geschafft, sich von seinem Büro in der Molkerei zu verabschieden und parkte seinen C-Kadett in der Garage. Er wollte ja eigentlich Musiker werden, im Keller standen immer noch ein alter Kontrabass und seine Fender-E-Gitarre mit dem vorsintflutlichen Röhrenverstärker, die er alle heiligen Zeiten mal zur Hand nahm. Gelandet war Papa in der Molkerei und durfte dort den ganzen Tag Joghurts und Käse essen. Zumindest dachten sich die Kids das. So etwas nennt man heute »Produktmanagement«, früher war er einfach »Mädchen für alles«, hatte Papa mal erklärt. Bastian fragte sich damals, ob sein alter Herr vielleicht irgendwann auch keinen Schniedel gehabt hatte.

Jetzt war das Geburtstagskomitee endlich komplett und die Feier konnte beginnen. Lisa wollte ihrer Mama helfen, war aber wieder mal etwas zu schusselig. Daher hüpfte ihr beim Reintragen vor lauter Freude der Schokopudding aus der Schüssel und blieb genau auf dem Haufen aus Fliegen, Spinnen und Ungeziefer liegen, der am Morgen bei der großen Wohnzimmerreinigung aus den hintersten Winkeln hervorgekehrt worden war. Eigentlich hätte sie den Mist längst fortschaffen sollen, hatte es aber wieder einmal vergessen, und jetzt wurde die ganze Sauerei von einer klebrigen Masse zugedeckt. Keiner bemerkte es, nur Bastian sah aus den Augenwinkeln, wie Lisa den braunen Matsch mit ihren kleinen Händen vom staubigen Boden aufhob und wieder in den Napf hineinpresste. Schokopudding würde er heute sicher keinen essen.

Tante Finni rief begeistert: »Oh, Schokopudding! Her damit!«, und schon bekam sie diese ganz besondere ­Leckerei vor die Nase gestellt. Eigentlich war sie gar keine richtige Tante, sondern die Schwester von Oma, also auch nicht mehr die Jüngste. Alle sagten Tante Finni zu ihr, auch die Nachbarn. Obwohl sie auch nicht deren Tante war. Nach zwei Löffeln meinte sie, so etwas Tolles hätte sie schon lange nicht mehr gegessen. Ob da auch Rosinen drin wären? Mama wollte das gerade verneinen, aber Lisa kam ihr zuvor und erklärte, sie hätte den Pudding noch etwas verfeinert. Mama war zwar überrascht, aber weil Tante Finni den Schoko-Rosinen-Pudding so begeistert in sich reinschaufelte, verlor sie kein Wort mehr darüber, sondern war einfach nur stolz auf ihre Tochter, die mit ihren acht Jahren schon eine perfekte kleine Küchenfee abgab.

Jetzt wollte auch Oma Schokopudding. Lisa sah hilflos zu Bastian rüber, schweigend waren sich die beiden einig, dass Oma sich diese Mixtur nicht verdient hatte. Also musste Bastian alles wieder in Ordnung bringen, wie immer, wenn Lisa etwas verbockt hatte. Er nahm die Schüssel, rief Oma zu, »Gerne, ich bring dir welchen«, und im selben Moment stellte er sich selbst ein Bein, was gar nicht so einfach war. Er schaffte es und knallte mit der Schüssel samt Rosinenpudding auf den Wohnzimmertisch. In hohem Bogen flog das Ding aus seiner Hand durch die Luft und landete punktgenau im Aquarium, das seit zwei Wochen wieder in Betrieb war.

Entsetzte Blicke landeten auf Bastian. Papa versuchte, das Zeug aus dem Aquarium zu fischen, aber das glitschige Ding glitt ihm immer wieder aus den Händen. Mittlerweile hatte das ganze Wasser eine unangenehme Farbe angenommen. Durch bräunliche Schwaden sah man den Fischen ihre Verzweiflung an. Mama schrie, dass man sie sofort in Sicherheit bringen müsste, und da es im Berger-Haus ein eingespieltes Wasserrettungsteam gab, wurden die Tiere in ein Badewannen-Auffanglager umquartiert.

Das »Warum sind da so viele Fliegen und Spinnen im Becken?« von Tante Finni ignorierten die Einsatzkräfte geflissentlich. Man hatte jetzt Wichtigeres zu tun.

Nach dieser Aufregung kam erst mal Oma zu Bastian und steckte ihm einen Zehner zu, wahrscheinlich aus schlechtem Gewissen, weil sie dachte, dieses Fiasko sei nur ihretwegen ausgebrochen. Lisa war deshalb etwas eingeschnappt und zeigte das auch offen.

»Oma, Bastian hat unseren schönen, selbstgemachten Schokopudding im Aquarium versenkt. Warum bekommt er dafür zehn Mark?«

Na super! Vielen Dank, Lisa, dachte Bastian. Er sah sich schon den Zehner wieder zurückgeben, aber Oma meinte: »Ja, ja, warte nur, Lisa. Für dich habe ich auch einen.« Oma, die gute Seele, griff nun ein zweites Mal in ihr Portemonnaie, und schon bekam auch Lisa eine finanzielle Entschädigung für die ganze Aufregung.

Darüber wollte Bastian heute Abend bei ihrem gemeinsamen »Sternderlschaun« im Garten noch mal ­reden. Dabei wusste er jetzt schon, was die kleine ­Kröte sagen würde: »Das hatte doch gar nichts mit dir zu tun, natürlich hab ich dich nicht anschwärzen wollen, ich war doch froh, dass du mir geholfen hast.« Aber sie wisse ja, wie Oma ticke – und zehn Mark könne sie eben auch gut gebrauchen. Zumindest das Letzte stimmte: Oma würde niemals jemanden benachteiligen. »Das war nicht böse gemeint«, Bastian war sich sicher, dass Lisa ihm das am Abend genau so erklären würde. Wie sie es immer tat, wenn er von ihr enttäuscht war.

Weil seine Augen nass wurden, musste er schleunigst nach draußen in den Garten. Irgendwie konnte er seine Schwester nicht verstehen, zuerst musste er ihr aus der Patsche helfen, und dann fiel sie ihm in den Rücken. Das ging schon seit Jahren so.

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