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Tante Finni rockt nicht

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»›Singing‹ ist kein Scheiß-Name!«

»Das habe ich auch nicht gesagt! Ich würde nie ›Scheiße‹ in den Mund nehmen!«

»Aber gemeint hast du es so! Außerdem – ›Singing‹ passt doch zu uns, es klingt irgendwie nach Musik!«

»Es müssen ja nicht auch die Ortsnamen in Englisch sein!«

»›Singing‹ heißt schon seit dreihundert Jahren so, damals haben die Bauern hier auf dem Land noch nicht mal gewusst, was Englisch überhaupt ist!«

»Egal! Ich mag den Namen nicht! Und basta!«

Tante Finni, die mit ihren grauen, in alle Richtungen stehenden Haarborsten aussah wie Mama Bergers Staubwedel, kam aus dem Nachbarort St. Josef. Obwohl es nur fünf Kilometer Luftlinie waren, lag doch eine Grenze dazwischen, und weil ab und zu sehr genau kontrolliert wurde, konnte ihr Anfahrtsweg manchmal mehr als eine Stunde dauern. Dann brauchte Tante Finni einen Schnaps, um sich von den Strapazen zu erholen und kam ins Philosophieren. Sie mochte es nicht, wenn alles »verenglischt« wurde und dass die Jugend kein »ordentliches« Deutsch mehr sprechen konnte. Papa Berger, der ewige Rocker, hasste es, wenn Tante Finni von der guten alten Zeit schwärmte, in der alles angeblich so viel besser gewesen war. Dann bekam er wieder seine roten Flecken im Gesicht, so wie immer, wenn er sich aufregte.

Und wenn Tante Finni dann noch mit »Wir hatten zwar nicht viel, aber wir waren glücklich!« nachlegte, war Papa Bergers seelisches Wohlbefinden endgültig im Keller.

»Tante Finni, hör doch auf damit! Wir sind im Jahr 1990! Früher wärst du jetzt schon lange tot. Damals sind die Menschen mit sechzig in die Grube gefahren, heute wirst du locker neunzig!«

»Wie du immer sprichst. Das hätte es früher nicht gegeben!«

Ehe die Flecken von Papas Gesicht auf seinen ganzen Körper übersprangen, flüchtete er meist in seine Garage und schraubte am Kadett herum. Dort hörte er seine coole Rockmusik aus Amerika und England, die, wie man sich vielleicht vorstellen kann, wiederum bei Tante Finni rote Flecken verursachte. Papa Berger war der einzige Mensch in ganz Singing mit einem Plattenspieler in der Garage. Zwischen den Autoreifen und dem Rasenmäher hatte gerade noch ein selbst gezimmerter Holzkasten Platz, in dem hinter einer Glastür ein ur­alter AEG Telefunken-Plattenspieler versteckt war. Den hatte ihm Opa vererbt, und darauf spielte Papa Berger so oft es ging Deep Purple, Led Zeppelin, Jimi Hendrix und die Rolling Stones. Bei offenem Garagentor und mit einer Lautstärke, dass die Megaboxen an der Garagendecke zu glühen begannen. Ganz Singing hatte was davon, aber das war Papa Berger egal.

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