Читать книгу Luftgitarrengott - Herbert Hirschler - Страница 21
Rata tara, ratatatata
ОглавлениеDas Buffet, das ein leicht wankender, dafür umso lustigerer Wirt gemeinsam mit seiner etwas giftig dreinschauenden Frau aufbaute, ließ keine Wünsche offen. Da war alles dabei, was man in einem Dorf wie Singing zu den Grundnahrungsmitteln zählte. Vor allem Fleisch! In allen Ausführungen! Papa hätte sich jetzt bestimmt sofort auf den Schweinsbraten gestürzt, man ließ ihn jedoch ausnahmsweise schlafen. Das hatte er sich verdient durch seinen selbstlosen Einsatz bei den Verhandlungen in Sachen Fenstervorhang.
Immer wieder sah Bastian kurz mal rüber zu Susi und bemerkte, dass auch ihre blauen Augen, die im Sonnenlicht so strahlten, wie … des Öfteren zu ihm herblickten. Er vergaß völlig, dass Lisa eigentlich schon lange zurück sein sollte. Doch so wichtig ihm ihr Besuch bei dem Plattenlabel heute Morgen noch war, kam er ihm jetzt nicht einmal dunkel in den Sinn. Dass sie beide als Rockstars die Welt erobern würden, war sowieso klar. Viel interessanter war aber im Augenblick Susi. Blöd nur, dass Georg nicht nur im Fleisch auf seinem Teller rumstocherte, sondern auch immer wieder versuchte, an diesem wunderschönen Engel rumzufummeln. Susi schien das etwas peinlich zu sein. Irgendwann stand sie einfach auf und setzte sich zu Bastian.
Jetzt war sein Sprachzentrum wieder auf Null-Stellung. Ihm fiel absolut nichts Passendes ein, in seiner Großhirnrinde läuteten tausend Kirchenglocken und Susi sah ihn erwartungsvoll an. Ein Lied! Ja, vielleicht half ein Lied! Wenn nichts mehr geht, gibt es immer noch die Musik. Aber welches Lied? Da fiel Bastian Im Wagen vor mir von den Toten Hosen ein, eine punkige Coverversion eines Uraltschlagers. Yes, das würde genau passen. Er schaute Susi tief in die Augen und fing an zu singen. Die Worte fielen ihm so einfach in den Mund:
Was will der blöde Kerl denn von dir nur?
Er ist jetzt schon seit Stunden völlig dicht!
Der trinkt doch jetzt schon mindestens die sechste Flasche Bier
und hat längst rote Flecken im Gesicht.
Nach einer anfänglichen Schockstarre sang jetzt plötzlich die gesamte Börthday-Mannschaft begeistert »Rata Tara, Ratatatata«, und es war so richtig was los, im biederen Ballsaal vom Kirchenwirten.
Auch Susi war mittendrin im Kirchenwirten-Börthday-Chor, nur Georg war etwas verschnupft. Das »blöde Kerl« nahm er persönlich. Komisch, in seinem Zustand hätte keiner mehr gedacht, dass er überhaupt noch etwas mitbekam. Aus seinen Augen quoll schon mehr als nur ein kleiner Schwips. Mühsam quälte er sich aus seinem Sessel und versuchte, zu Bastian rüber zu wanken. Auf halber Strecke setzte die Schwerkraft alles daran, ihn auf den harten Wirtshausboden zu schleudern, Georg aber ließ sich das von der Schwerkraft nicht bieten und suchte Halt an den Fenstervorhängen. Er erwischte dabei genau den, der das Feuerattentat unbeschadet überstanden hatte. Da Georg zwar sportlich, aber nicht federleicht war, riss der Stoff mit einem lauten Ratsch in der Mitte entzwei und Bastians zukünftiger Ex-Freund landete doch noch mit voller Wucht auf dem Boden.
Schwerkraft gegen Georg – 1:0. Und weil laut Murphy alles zusammenkommt, wenn es gerade nicht passt, löste sich auch noch die gusseiserne Vorhangstange aus ihrer verrosteten Verankerung und krachte Georg auf den Kopf. Schluss – aus – finster! Er musste Bastians Geburtstagsparty im weißen Ambulanzwagen verlassen, leider fuhr Susi mit ihm. Zuvor aber sagte sie noch lachend zu Bastian:
»Ich werde jetzt mal Georg ins Bett bringen!«
»Der wird schon wieder! Er ist ein harter Knochen!«
Susi umarmte Bastian, drückte ihm links und rechts einen Kuss auf die Wangen, und sagte: »Vielen Dank für den tollen Tag! Und für das Lied, das du für mich gesungen hast.«
»Ja, ich weiß auch nicht, was da mit mir los war. Wenn du mal Zeit hast, könnte ich dir einige Songs im Studio vorspielen. Natürlich nur, wenn du magst.«
»Gerne, ich melde mich. Okay?«
»Ja, mach das!« Innerlich jubilierte Bastian, und wieder hörte er die Kirchenglocken läuten, diesmal doppelt so laut wie zuvor.
Susi marschierte zum Krankenwagen, drehte sich aber noch einmal um und rief Bastian zu: »Es war einfach ein Hammer heute. Danke! Und nochmals alles Gute!«
»Bis bald! Und vielen Dank für die Schokolade.«
Papa döste noch immer. Kurz hatte man daran gedacht, auch ihn in den Ambulanzwagen zu stecken. Einige Schnaufer später kam die gesamte Gästeschar zur Ansicht, dass für sein Leben keine Gefahr bestand. Eher für seine Leber.
Lisa war immer noch nicht da. Tante Finni wurde müde. Obwohl Bastian jetzt doch endlich mal wissen wollte, wie die Besprechung ausgegangen war, freute er sich, dass heute die beschissenen Weißen Rosen ausfallen würden. Denn lange würde es Tante Finni bestimmt nicht mehr machen.