Читать книгу Luftgitarrengott - Herbert Hirschler - Страница 17
Der Experte in den eigenen vier Wänden
Оглавление»Lass mal hören, was ihr da fabriziert habt.« Papa konnte es gar nicht mehr erwarten, dem Ergebnis der letzten Nacht zu lauschen.
Er war voll konzentriert, bei leisen Stellen wiegte sein ganzer Körper im Takt wie ein einzelner Getreidehalm im Hochsommer. Wenn es so richtig zur Sache ging, würgte er mit enthemmtem Gesichtsausdruck seine Luftgitarre und am Ende dirigierte er mit weit ausholenden Bewegungen und geschlossenen Augen ein imaginäres Orchester, bevor er sich erschöpft in den großen Sessel vor dem Mischpult fallen ließ und nur mehr ein leises »Scheiße« rausbrachte.
»Scheiße«, das wusste Bastian, konnte bei Papa alles bedeuten.
Der brauchte noch einige Zeit, aber als er sich wieder gefangen hatte, sprang er aus seinem Sessel, fiel Bastian um den Hals und sagte mit Tränen in den Augen: »Das ist ja der absolute Wahnsinn! Scheiße, ist das gut!« Na was jetzt, Scheiße oder Wahnsinn? Wahnsinnige Scheiße? »Bastian, das ist Wahnsinn!«
Ja, das wusste der schon. Was er nicht wusste, war, dass auch ein megacooler Alt-Rocker wie Papa Berger vor Rührung weinen konnte.
»Nie hätte ich für möglich gehalten, dass man so etwas in einem Kellerloch wie diesem produzieren kann. Du bist ein Genie, Bastian. Und Lisa mit ihrer Röhre, unglaublich.«
»Danke, Papa.« Damit er nicht das ganze Studio unter Wasser setzte, versuchte Bastian, die Stimmung etwas zu heben. »Das alles hab’ ich nur von dir.«
»Ja, genau!« In Sekundenschnelle mutierte Papa von einer Heulsuse zurück zum megacoolen Alt-Rocker. »Meine Gene sind ja doch nicht so schlecht! Ich hab’s ja immer gewusst! Du und Lisa werdet mal nicht in Hinterhammelstetten oder sonst irgendeinem Kaff versauern, das wird ganz groß.«
Er war immer noch völlig von den Socken. Papa war Profi. Zumindest fast! Für einen durchschnittlich begabten Musikamateur, der gerade unfallfrei sein Radio einschalten konnte, war es wahrscheinlich wirklich kaum zu glauben, dass fast alle Instrumente auf diesem klapprigen Keyboard eingespielt worden waren. Von den Drums über den Bass bis zu den Streichersätzen, mit Sounds, die jetzt gar nicht so übel klangen. Manche waren verdammt nahe an den echten Instrumenten. Die E-Gitarren hatte Bastian zur Sicherheit selbst dazu gepfriemelt, und dann kam noch eines der besten Naturinstrumente überhaupt ins Spiel: Lisas rauchige Stimme.
Niemand wusste, wie sie es zu dieser Rockröhre gebracht hatte. Wahrscheinlich hatte sie sich wieder einmal skrupellos in den Vordergrund gedrängt, als im Himmel die Stimmen vergeben wurden. Lisa sang, wie ein Hirsch röhrt. Ein weiblicher! Mit ganz viel Dreck in der Stimme, rauchig und abgefahren. Noch keine zwanzig, aber die kleine Berger Lisa klang, als ob ihr das Leben schon so manchen Schicksalsschlag in die Magengrube gedonnert hätte. Papa war rundum begeistert.
»Und ihr wollt wirklich auf Deutsch singen?«
»Ja, warum?«
»Ich mein nur, es gibt halt nicht so viele Weltstars, die deutsch singen«, meinte Papa.
»Dann sind wir eben die ersten! Außerdem, denk an Falco …«
»Okay, macht, was ihr wollt.«
»Lisa und ich sind uns einig, dass wir damit unsere Emotionen und Gefühle viel besser ausdrücken können als in irgendeiner anderen Sprache.«
»Egal«, sagte Papa, »ihr werdet es auch so schaffen! Ihr seid nicht aufzuhalten, in welcher Sprache auch immer.«
Papa hatten sie schon mal überzeugt, dann konnte es ja auch nicht so schwer sein, den Rest der großen Musikwelt mit ihren Songs zu begeistern.