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Samstag, 14. November 2015 Kapitel 12

Wer nicht bereit ist zu hören, dem bleibt das Fühlen nicht erspart

Frühmorgens dieses Samstags summte Cintias mobiles Telefon. Es war ein Anruf, den sie vorerst als absurd einstufte. Eine weibliche Stimme fragte in Französisch, ob sie – Cintia – in einem verwandtschaftlichen Verhältnis stehe mit einem Monsieur namens Salomon Joseph Salomon.

Cintia antwortete, dass dies ihr Vater sei.

Darauf fragte die Person, ob es sein könne, dass Monsieur Salomon Joseph Salomon sich aktuell in Paris aufhalte.

Antwort von Cintia: „Davon ist mir nichts bekannt!“

Neuerliche Frage der Dame am anderen Ende: „Ist ihr Vater Musikliebhaber?“

Cintia fühlte sich höchst verunsichert ob all dieser sonderbaren Fragen. Sie wurde unwirsch: „Er ist das Gegenteil davon – er hasst Musik! – Doch sagen sie mir bitte, was soll diese Fragerei?“

Die Person am anderen Ende der Leitung antwortete: „Mein Name ist Madame Aubert. Ich bin von der französischen Staatsanwaltschaft. Hier in Paris sind Terroranschläge geschehen. Der Zweck des Anrufs ist die Identifikationen von Opfern. Es scheint wahrscheinlich, dass eines der Opfer im Bataclan ihr Vater ist. Ich darf sie beruhigen, er lebt. Aber er ist verletzt!“

Cintia konnte beim besten Willen nicht glauben, dass ihr Vater ein Konzertbesucher des Bataclan war. Selbstverständlich hatte sie schon am Vorabend aus den News erfahren, was am Freitag in Paris passiert war. Dass ihr Vater ein solches Konzert besuchen würde, das war für sie aber weitgehend ausgeschlossen. Es schien sich hier um ein dramatisches Missverständnis zu handeln.

Cintia fragte: „Wo ist mein Vater? Kann ich mit ihm sprechen?“

Antwort: „Er ist im Hôpital Armand-Trousseau AP-HP auf der Intensivstation. Er wurde operiert, weil er von zwei Projektilen getroffen wurde. Es ist nicht lebensgefährlich!“

Nachdem Cintia das Gespräch mit der Anruferin beendet hatte, suchte sie die Telefonnummer des erwähnten Krankenhauses im Internet und startete einen Anruf, der im Nirvana versandete. Cintia war nicht mal sicher, ob ihr Anruf bei der Zentrale des Spitals gelandet war. Sie läutete erneut an mit dem identischen Resultat. Beim dritten Anruf war sie erfolgreich. „Ja“, wurde ihr beschieden, „bei uns ist ein Monsieur Salomon Joseph Salomon als Patient in Behandlung. Aber er ist aktuell nicht ansprechbar. Er liegt nach einer Notoperation auf der Intensivstation! Bitte kommen sie nicht persönlich vorbei. Es wäre zwecklos. Ein Patient auf der Intensivstation darf grundsätzlich nicht besucht werden. Selbst wenn es der eigene Vater ist! Wir werden sie informieren, sobald sich die Situation ändert! Im Übrigen herrscht hier Chaos nach dem gestrigen aufwühlenden Tag! – Und überhaupt: Ich darf ihnen keine Auskunft geben, solange sie nicht nachgewiesen haben, wer sie sind!»

Cintia wählte die Telefonnummer von Xenia und von ihr erfuhr sie, dass Salomon tatsächlich verreist war. „Wohin? Keine Ahnung! Er hat nichts verlauten lassen. Er sagte: In zwei Tagen bin ich wieder zurück!“

Als Cintia fragte, ob der Vater allein verreist sei, lachte Xenia hämisch: „Da ist immer dieses schreckliche Mädchen dabei. Immer! Sie krallt ihn nicht nur mit ihren langen Fingernägeln, sondern im wahrsten Sinn des Wortes mit Haut und Haar! Mit allem was sie hat, versucht sie alles zu erhaschen was es bei Salomon zu erhaschen gibt!»

Cintia erzählte Xenia, dass Salomon offensichtlich beim Terroranschlag im Bataclan verletzt wurde. Man habe ihr das aus Paris mitgeteilt. Allerdings wisse sie noch keine Details.

Damit bekam die Information über den angeblichen Besuch des Vaters im Bataclan doch allmählich einen gewissen Hintergrund.

Cintia fand das Verhalten ihres Vaters immer noch absurder. Sie konnte nicht nachvollziehen, weshalb ein reifer, intelligenter Mann so tief sinken konnte, wieso er sich derart zum Affen machen lassen musste.

Cintia informierte ihre Schwester Sarah detailliert. Diese reagierte entschlossen: „Jetzt müssen wir handeln! Gehauen oder gestochen!»

Am Abend telefonierte diese Frau Aubert von der Pariser Staatsanwaltschaft erneut, fragte, ob Cintia eine Person Namens Lea Victor kenne. Cintia antwortete: «Ist mir unbekannt, wer soll das sein?»

Frau Aubert: «Gemäss Videoaufzeichnungen besuchte ihr Vater das Konzert im Bataclan in Gesellschaft dieser Frau. Sie ist 34 Jahre alt, dunkelhäutig!»

«Ach Gott, die heisst so! Ist sie tatsächlich 34-jährig?

Stimmt dieses Alter, ist sie nicht jünger?»

«Diese Angaben gehen jedenfalls aus ihren Papieren hervor!»

«Sie nennt sich Kitty! – Was ist mit ihr?»

«Die Frau war leider eines der Todesopfer! Wir suchen nach Verwandten. - Sind sie vielleicht verwandt mit ihr?»

Cintia antwortete schnell: «Nein! Und ich kenne auch keine Verwandten. Ich kann ihnen nicht helfen!» Dabei stieg in ihr ein Gedanke auf, der höchst verwerflich war, aber sich nicht vertreiben liess. Er lautete: Hatte sich hiermit immerhin ein seriöses Problem erledigt? Cintia fühlte, dass dieser Gedanke schändlich war angesichts des Todes, der Ermordung eines unschuldigen Menschen. Dennoch bekämpfte sie diesen Gedanken nicht. Im Gegenteil, sie begann ihn zu mögen.

Cintia telefonierte erneut Sarah und teilte ihr den Tod dieser Kitty mit, worauf auf der Gegenseite ein tiefer Seufzer zu hören war.

Cintia telefonierte auch Xenia, um ihr die Nachricht von Kittys Tod mitzuteilen. Xenia murmelte: «Der Herr schenke ihr Frieden!» Xenia sagte kein Wort mehr.

Cintia spürte deutlich, dass sich auch bei Xenia Gedanken umtrieben, die unethisch, die schändlich waren.

Cintia fragte: «Was denkst du gerade, Xenia? Sei ehrlich!»

«Das sag ich dir nicht! – Ich hoffe aber sehr, dass Salomon gesundheitlich wieder hergestellt werden kann! Ich bete darum!»

«Auch ich bete darum!»

*

Die Zofe des Herrn Salomon

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