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ОглавлениеFreitag, 30. Mai 2014 Kapitel 5
Ist die Moral mal abgeschmiert, lebt sichs ziemlich ungeniert
Salomon hatte an diesem Tag an einem Ärztekongress in Hamburg teilgenommen, an dem er ein Referat gehalten hatte. Es ging bei Vorträgen dieser Art weniger darum das eigene Ego zu streicheln, als die Produkte der Firma in Fachkreisen bekannter zu machen. Eigentlich war es pure Promotion, die für die Firma nicht unwichtig war.
Einmal mehr war Salomon aufgefallen, dass ihm das Fehlen von Salomé wesentlich mehr ausmachte, als er bislang bereit war sich dieses selbst einzugestehen. Denn in der Vergangenheit war seine Gattin stets dabei, wenn Kongresse besucht wurden. Auch umgekehrt, wenn Salomé auf Vortragsreise war, befand sich Salomon stets in ihrem Gefolge. Als anerkannte Wissenschafterin war sie weit bekannter als er, hatte weit mehr öffentliche Auftritte als er, auch im Fernsehen und in der Presse als Expertin. Es gab eine Zeit, da oblag Salomé eine Professur an der Universität in Zürich, die sie später aus Zeitmangel wieder abgegeben hatte. Dennoch wurde sie nach wie vor nicht selten als Frau Professor angesprochen.
Soweit sich Salomon jetzt zurückerinnerte, hatten sie stets eine gute Zeit miteinander, er und Salomé, wenn sie zusammen auf Reisen waren. Sie assen gerne in Restaurants mit gutem Namen, gönnten sich exklusive Weine.
Es befiel ihn Wehmut.
Nach Kongressende fuhr Salomon mit dem Mietwagen zum Flughafen. Auf einer schwach belebten Seitenstrasse lief eine Person unvermittelt vom Gehsteig in sein Auto. Die Frau wurde wuchtig in die Büsche am Strassenrand geschleudert. Für Salomon stand sofort fest, dass dies ein Selbstmordversuch dieser Person war. Er stieg aus seinem Wagen, beugte sich über die ältere Frau, die keine Lebenszeichen mehr von sich gab. Salomon führte ein Selbstgespräch, wie er dies oft tat: „Offensichtlich wolltest du den Tod. Also sollst du haben was du wolltest! Der Friede sei mit dir. - Ungünstig nur, dass du ausgerechnet mich dazu auserwählt hast, näher zur Himmelspforte zu gelangen!“
Salomon S. Salomon lief um den Mietwagen herum und stellte fest, dass sein Fahrzeug erstaunlicherweise weder eine Beule noch einen Kratzer abbekommen hatte. Er erkannte, dass sich aktuell kein Mensch in dieser Gegend befand und er beschloss die Frau dem Schicksal zu überlassen. Er entschied sich einfach weiterzufahren. Salomon fühlte sich keiner Schuld bewusst. Er war nicht alkoholisiert und die Person hatte, wie es schien, die Kollision mit dem Fahrzeug aktiv gesucht.
Salomon scheute vor allem die möglichen Kalamitäten mit der Polizei, das zu erwartende Gerichtsverfahren, die Umstände, vielleicht auch etwas, das künftig an ihm hängen bleiben konnte, seinen Ruf beschädigen würde. Vor allem aber hatte er ausserdem Angst eventuell den Führerausweis zu verlieren. Als Mensch in kritischem Alter hat man doppelt aufzupassen! Man weiss, wie es ist, wenn einem älteren Autolenker ein Unfall passiert! Schnell zeigen Finger auf ihn: Muss es sein in diesem Alter noch ein Auto zu lenken?! Wie gut sind seine Augen, seine Reaktion noch?!
Selbst ein Auto zu lenken, war Salomon wichtig. Er liebte Autofahren, er liebte es seit seiner Jugend.
Und Salomon wollte den Flug zurück nach Zürich nicht verpassen.
Salomon entnahm seiner Aktentasche mehrere Feuchttüchlein und reinigte die Flanke des Autos an jener Stelle, wo die Kollision mit der Frau vermutlich stattgefunden hatte. Die Tüchlein entsorgte er später in der Toilette des Flughafens.
Die Rückgabe des Fahrzeugs am Flughafen erfolgte problemlos, war eine Formsache. Der Angestellte hatte das Auto inspiziert, vier Fotos geschossen und anstandslos als okay befunden. Der Mann hatte ausserdem ein entsprechendes Protokoll verfasst, welches von beiden Seiten unterschrieben wurde. Salomon hatte darauf bestanden, dass ein solches Papier zu erstellen sei. «Ungewöhnlich» hatte der Mann von Hertz befunden. «Ein Protokoll wird üblicherweise nur erstellt, wenn es etwas zu beanstanden gibt! Und dies ist hier nicht der Fall!»
Schon auf dem Rückflug im Flugzeug hatte Salomon den Unfall schnell vergessen und in seinem Bewusstsein als erledigt abgehakt. Das gegerbte Gewissen des Mannes liess es ihm zu über Geschehnisse solcher Art easy hinweg zu kommen. Salomon war der festen Überzeugung, dass ein Geschäftsmann der heutigen Zeit diese Mentalität besitzen müsse, um sich erfolgreich durchsetzen zu können.
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