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Obschon man aber durch den prophetischen Geist, welcher Geschehenes für das, was erst geschehen soll, anführt, weil Gott wegen der gewissen Voraussetzung dessen, was geschehen wird, das Zukünftige wie Vergangenes anzugeben pflegt, deutlich einsehen kann, daß dieses alles von der Person des eingebornen Sohnes Gottes, unsers Herrn Jesu Christi, gesagt sey; und obschon es der größte Unglaube wäre, hiezu eine in Ungewißheit über die Ansicht schwankende Gesinnung mitzubringen: so muß dennoch auch durch die Lehren der Evangelien und Apostel dargethan werden, daß der Prophet nichts von dem, was geschehen und verkündiget werden sollte, in seiner Weissagung übergangen habe; zumal da für Unwissende und minder Verständige kein geringer Irrthum daraus entstehen kann, daß gesagt ist:70 „Heute habe ich dich gezeuget.“ Denn da der eingeborne Sohn Gottes vor den Zeiten ist; so kann man es weder für entsprechend, noch für übereinstimmend ansehen, daß er an einem Tage gezeugt worden sey, weil jeder Tag in der Zeit ist. Denn die Zeiten sind, nach dem uns von Moses vorgezeichneten Begriffe, nach diesem ihrem Gange und Laufe seit dem Anbeginne und der Schöpfung der Welt abgemessen, indem sie durch Augenblicke, Stunden, Monate und das Jahr bei einer in sich zurückkehrenden Aufeinanderfolge eingetheilt sind, und eine Zeit aus der andern hervorgeht, weil eine gegenseitige Zeitenfolge alle Zeiten erzeugt und begrenzt. Und demnach ist der Tag in der Zeit, durch welchen alle Zeit bei ihrem Anfange endet, und bei ihrem Ende anfängt. Der eingeborne Sohn Gottes aber war, wie er Gottes Wort ist, so auch Gott das Wort; er ist nicht mit den Zeiten, sondern vor den Zeiten; er ist nicht in Etwas, sondern vor allen Dingen. Denn er war, als die Zeiten gemacht wurden, weil er sie nämlich gemacht hat. Er war also allzeit. Denn er ist nicht in der Zeit begrenzt, nicht einer Zahl unterworfen; sondern er, durch den alle Dinge, welche sind, und von welchen man sagen kann, daß sie sind, ihren Ursprung haben, er ist zufolge der unendlichen Ewigkeit seines Ursprunges, als von dem Ewigen gezeugt, immer. Damit nun der Sinn des prophetischen Ausspruches, in welchem es heißt: „Heute habe ich dich gezeuget,“ verstanden werden kann, müssen wir die Lehre des Evangeliums, des Apostels, und des Propheten anwenden; auf daß wir entweder den Propheten aus dem Apostel, oder den Apostel aus dem Propheten verstehen. Es muß aber bei den Stellen des Evangeliums derselbe Gang, wie bei den Psalmen fest gehalten werden.

Abhandlungen über die Psalmen, Band 1

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