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3.2 Defizit und Differenz – Feministische LinguistikFeministische Linguistik

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Die FrauenbewegungFrauenbewegung Ende der 60er Jahre führte zu Diskussionen zu sprachlichen Themen, so dass wir seit den Arbeiten von Mary Ritchie Key (1972, 1975), Robin Lakoff (1973, 1977), Barry Thorne und Nancy Henley (1975) von feministischer Linguistik sprechen.

Key und Lakoff verwendeten introspektive Daten, weswegen sie später wiederholt kritisiert wurden. Sie behandelten das Thema jedoch systematischer als zuvor und auf bestimmte Fragen hin ausgerichtet. Beide unterschieden zwischen der Sprache über und der von Frauen. Dabei galt zunächst vielfach noch vom männlichen System ausgehend das weibliche als das sekundäre und schlechtere. Allerdings stellten sie einen Bezug zwischen sprachlichen AsymmetrienAsymmetrie und sozialer Benachteiligung her. Mit diesem neuen Ansatz legten die Arbeiten den wesentlichen Grundstein für den Kern der Feministischen Linguistik, die im weiteren Verlauf zunächst die empirischen Belege zu typischen Verhaltensweisen von Frauen nachzuliefern hatte, etwa höflichere Ausdrücke, Euphemismen, Abschwächungen, Entschuldigungen, Frageintonation, Übertreibungen, hedgesHeckenausdrücke, <i>hedges</i> bzw. Weichmacher (glaube ich, irgendwie, oder so), tag-questions (isn’t it/nicht wahr?) bzw. den unsicheren Stil, aber insgesamt „korrekteres“ Sprachverhalten. Außerdem spezialisieren sich Frauen auf unterschiedliche Wortfelder, deswegen bezeichnen sie zum Beispiel Farben differenzierter. Auf Seiten der Männer sind mehr UnterbrechungenUnterbrechung, mehr Witze und gröbere Sprache und klare Ansagen typisch, auf Ebene des Sprachsystems männliche Formen auch für Frauen.

Im deutschen Sprachraum griffen Senta Trömel-Plötz und Luise Pusch als Erste die diskriminierende Wirkung der Sprache an und machten auch Verbesserungsvorschläge. Auf Luise Pusch geht der Begriff Feministische LinguistikFeministische Linguistik zurück (Samel 2000: 10). Sie wandte sich gegen das generische Maskulinum und andere AsymmetrienAsymmetrie wie Fräulein oder Herr Meier und Frau und kritisierte die dominierenden Gesprächsstrategien der Männer.

Als Marlis Hellinger 1990 ihren Überblick über die Kontrastive Feministische LinguistikFeministische Linguistik aus deutscher Sicht veröffentlichte, war die Forschung keine zwanzig Jahre alt. Sie sah als ein wesentliches Kennzeichen feministischer Linguistik die kritische Haltung in Verbindung mit dem politischen Ziel, Gleichberechtigung herzustellen und Benachteiligung abzuschaffen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Feministische Linguistik wesentlich von den anderen sprachwissenschaftlichen Disziplinen und ähnelt mit ihren Forderungen denen der FrauenbewegungFrauenbewegung. Kontrastiv betrachtet ergeben sich aus Hellingers Analysen drei Tendenzen, und zwar, dass das Männliche als Norm gesehen wird, dass es positiv belegt wird und dass es daher dominiert (Hellinger 1990: 58). „Die neue Perspektive der geschlechtsbezogenen Sprachforschung bestand in der These, dass Geschlecht in Sprache und Sprachgebrauch Reflex patriarchaler Machtverhältnisse und dieses in Forschung und Theoriebildung aufzuklären ist“ (Klann-Delius 2005: 9).

Wenn das Männliche die Regel ist, weichen Frauen davon ab, ihr Sprechen ist „schlechter“, also defizitär – Grundlage der DefizithypotheseDefizithypothese.

Vertreterinnen der DefizithypotheseDefizithypothese als dem ersten Ansatz im Rahmen der Feministischen Linguistik, u.a. Pusch und Trömel-Plötz, bewerten und hierarchisieren die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Defizithypothese schließt an die frühen Beobachtungen von Wissenschaftlerinnen wie Key oder Lakoff an. Sie interpretierten den höflichen Sprachstil der Frauen als notwendiges Sicherheitsdenken, um nicht zu bestimmt aufzutreten, keinen Dissens hervorzurufen und dadurch Sicherheitsabstand zu gewinnen. Frauen versuchten sich dadurch vor möglichen verbalen Angriffen durch Männer zu schützen. Dieses Verhalten werde ihnen als Unsicherheit, Machtlosigkeit und Nichtwissen ausgelegt und schwäche ihre Position im Gespräch, während sich die Männer dadurch gleichzeitig besser durchsetzen können. Der weibliche Stil ist also nachteiliger als der männliche, weil er dazu führt, dass sich die Frau weniger gut behauptet. Wenn sie sich aber durchsetzen will, muss sie auf die typisch männlichen Verhaltensweisen zurückgreifen, was sie dann unweiblich und aggressiv wirken lässt.

Das führte zu weiteren Untersuchungen des Gesprächsverhaltens. Der Blick richtete sich jedoch zunächst noch wenig auf Kontexteffekte, so dass der einzige Faktor für Unterschiede das Geschlecht zu sein schien. Entsprechend war der Stand, immer noch in Fortsetzung der früheren Thesen, dass Frauen häufiger unterbrochen werden. Männer reden mehr und länger, unterbrechen mehr, vor allem Frauen. Sie verwenden wenige tag-questions oder andere Unterstützungen und überhaupt weniger Fragen, aber mehr Behauptungen und ImperativeDirektive, Befehle, Imperativ. Frauen stützen das Gespräch und halten es am Laufen, sie sind höflicher, aber auch unsicherer, werden dominiert, während sie gleichzeitig kooperativer sind. In den späteren Untersuchungen werden diese Unterschiede aber nurmehr konstatiert, nicht mehr bewertet: Sie folgen der DifferenzhypotheseDifferenzhypothese.

Die DifferenzhypotheseDifferenzhypothese zeigt die Unterschiede auf und billigt beiden Geschlechtern gleiche Fähigkeiten zu. Weibliches Sprechen ist nicht schlechter, sondern anders.

Maltz/Borker (1982/2008) übertrugen einen Ansatz, der für Probleme bei der KommunikationKommunikation zwischen EthnienEthnie entwickelt wurde, auf die Kommunikation zwischen den Geschlechtern. Nicht Macht- oder psychologische Unterschiede, sondern hauptsächlich kulturelle Differenzen und deren Regeln und Interpretation führen in gemischtgeschlechtlicher Kommunikation zu Missverständnissen. Diese Idee wurde durch anthropologische Arbeiten aus dem Mittleren Osten und Südeuropa inspiriert. So lautet der Grundgedanke, dass (in den USA) Männer und Frauen aus verschiedenen soziolinguistischenSoziolinguistik, -isch Subkulturen kommen.

Die Theorie der zwei Kulturenzwei Kulturen geht ebenfalls von zwei gleichwertigen Systemen aus, betont aber die Unterschiede sehr stark, die auf zwei getrennten Sozialisierungswegen entstehen sollen.

Das führt vor allem im Sinne von Tannen (u.a. 1990) auch zu eher homogenen Gruppierungen. Kinder spielen von Anfang an in gleichgeschlechtlichen Gruppen und entwickeln eigene Interaktionsstile, die nicht genügend geschlechtsübergreifende Gemeinsamkeiten aufweisen, so dass es ständig zu Missverständnissen und Auseinandersetzungen kommt. Während Mädchen früh üben, Konflikte verbal zu lösen und zu kritisieren und damit einen kooperativen Gesprächsstil einüben, positionieren sich Jungen von Anfang an auch sprachlich deutlich, was zu Dominanzverhalten führt. Die klare Einteilung nach zwei Geschlechtergruppen ist mittlerweile überholt, denn es gibt Übergänge und biologisch und sozial bedingt auch mehr Gruppen. Mädchen und Jungen agieren außerdem auch immer wieder miteinander. Der Ansatz vereinheitlicht und vereinfacht zu sehr und vernachlässigt Gemeinsamkeiten sowie andere Erklärungsmöglichkeiten für Missverständnisse.

Die Feministische LinguistikFeministische Linguistik beschäftigte sich mit Macht, Benachteiligung und Gewalt durch Sprache und damit, wie sprachliche Unterdrückungsmechanismen funktionieren, wie Gleichbehandlung herzustellen und auf politischer Ebene durchzusetzen ist. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf das Sprachsystem, Gespräche und Gesprächsstile.

Die Arbeiten dieser Phase wurden vielfach wegen ihres eher intuitiven, methodisch noch nicht ausgereiften Vorgehens kritisiert. Frauen galten global als die einzig Leidtragenden. Die Datengrundlage war noch dünn, die Verallgemeinerungen vernachlässigten andere Aspekte wie Situation, soziale Schicht und StatusStatus. Auch populäre Begriffe wie FrauenspracheFrauensprache, <i>women’s language</i>/Männersprache oder GenderlektGenderlekt erwiesen sich als für unsere Kulturkreise nicht angebracht, da sie von zu großen Unterschieden im System oder Verhalten ausgehen. Sie suggerieren Stabilität und Homogenität der Varietät sowie Kontextlosigkeit. Die situative Abhängigkeit aber ist ein entscheidender Faktor des Doing gender-Ansatzes. Während die Feministische LinguistikFeministische Linguistik die Unterschiede und vor allem AsymmetrienAsymmetrie und dadurch die Diskriminierung in der Sprache und im Sprachgebrauch zu beschreiben suchte und für mehr sprachliche Gleichberechtigung eintrat, verschob sich hier der Schwerpunkt der Genderstudien auf die Konstruktion von Geschlecht und darauf, wie sich die verschiedenen Geschlechter inszenieren. Dabei beschäftigt sich die Genderlinguistik gezielt mit der sprachlichen Konstruktion von Geschlecht.

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