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Erfolgreiche Fremde

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Politisch und rechtlich waren die dauerhaft in Athen lebenden Fremden den Bürgern nicht gleichgestellt. Trotzdem machten einige von ihnen Karriere, indem sie die von ihnen erwarteten wirtschaftlichen Aktivitäten besonders erfolgreich gestalteten. Allerdings handelte es sich dabei in der Regel um Fremde griechischer Herkunft – vergleichbare Erfolgsgeschichten von »barbarischen« Fremden sind nicht bekannt. Einer, der es besonders weit brachte, war Kephalos, der aus Syrakus auf Sizilien stammte und über den Plutarch Erstaunliches zu berichten weiß (Moralia 835c):

»Kephalos war von Geburt an ein Syrakusaner, ging aber nach Athen, weil er in dieser Stadt leben wollte und auch, weil Perikles ihn dazu überredet hatte, da er ein persönlicher Freund des Perikles war und beide durch gegenseitige Gastfreundschaft verbunden waren, und er war ein sehr wohlhabender Mann.«

Nicht jeder Fremde war Freund eines prominenten Politikers, und die Quelle lässt deutlich durchblicken, dass bei der Migration und der Integration des Kephalos sein alter Freund Perikles die Hände im Spiel hatte. Möglicherweise gab es deswegen Ärger. Perikles war zwar beim Volk populär, hatte aber, auch und gerade deswegen, viele innenpolitische Gegner. Um diese zu beruhigen, wurde eine andere Begründung für die Übersiedlung des Kephalos lanciert:

»Einige sagen, dass er nach Athen ging, weil er aus Syrakus verbannt worden war unter der Tyrannenherrschaft des Gelon.«

Das hörte sich natürlich überzeugender an: Kephalos war vor einem Tyrannen geflohen. Wie auch immer: Athen durfte sich auf einen reichen Unternehmer und Investor freuen, Kephalos auf eine neue Heimat, die ihm beste Rahmenbedingungen für seine Aktivitäten bot. Sein Geld machte er mit einer florierenden Fabrik, die sich auf die Herstellung von Waffenschilden spezialisiert hatte – eine dauerhaft einträgliche Quelle, wurde doch immer irgendwo in Griechenland Krieg geführt. In die athenische Gesellschaft war er allem Anschein nach gut integriert. Platon wählte Kephalos als Gastgeber des Auftakt-Dialogs in seiner berühmten Politeia, ohne dass dort in irgendeiner Weise auf seinen Status als Fremder Bezug genommen wird.

Sein Sohn Lysias, der vom Vater das Unternehmen erbte, machte es sogar noch besser als der Vater. Er war, wie es in einer Quelle (Papyrus Oxyrrhynchus XIII 1606) heißt, »der Reichste der Metoikoi«. Zur Belohnung für seinen Eifer kam er in den Genuss eines Privilegs, das der athenische Staat erfolgreichen Metoikoi gewährte. So durfte sich Lysias über die isoteleia freuen, die Befreiung von Steuern und anderen Abgaben, die Fremde sonst zu zahlen hatten. Im Nebenberuf betätigte sich der umtriebige Wirtschaftsmann als Logograf. So nannten die Athener die Verfasser von Gerichtsreden. Jeder Bürger musste in Athen seine Sache vor Gericht persönlich vertreten. Viele ließen sich von kundigen Schreibern Reden anfertigen, die sie auswendig lernten und während des Prozesses vortrugen. Eine interessante Konstellation: Der Fremde Lysias schrieb für athenische Bürger Reden, während die Fremden sonst vor Gericht einen einheimischen Anwalt präsentieren mussten, der ihren Fall vortrug. Später geriet er in den Strudel innenpolitischer Auseinandersetzungen, als nach dem Peloponnesischen Krieg die Demokratie ausgehebelt und ein oligarchisches System installiert wurde. Lysias, der als Freund der Demokratie galt, musste Athen verlassen, sein Bruder wurde ermordet. Aus dem Exil in Megara unterstützte er die Demokraten. Als wenig später die demokratische Ordnung wiederhergestellt wurde, wollte man ihn für sein beherztes Eintreten mit dem Bürgerrecht belohnen, was aber am Widerstand einflussreicher Kreise in Athen scheiterte.

Berufe, die Fremde in Athen ausübten (Liste von 400 v. Chr.)

Koch Gärtner Brotverkäufer
Zimmermann Eseltreiber Tuchwalker
Maultiertreiber Ölhändler Bildhauer
Architekt Nusshändler Lohnarbeiter

Zusammengestellt nach M. N. Tod, Greek Historical Inscriptions 2,100

Mehr Fremde!

Der Historiker und Publizist Xenophon unterbreitet in einer Schrift Vorschläge zur Verbesserung der Staatseinkünfte (5. Jh. v. Chr.):

»Einkünfte der Fremden scheinen mir zu den besten zu gehören, weil die Fremden, die sich selbst ernähren und den Städten großen Nutzen bringen, keine Besoldung annehmen, sondern sogar noch die Abgabe für Metoikoi entrichten. Mir scheint das aber als eine ausreichende Förderung, wenn wir einerseits die Regelungen aufheben, die, ohne der Stadt zu nützen, den Fremden Erniedrigungen zu bringen scheinen, und wenn wir andererseits abschaffen, dass Fremde als Schwerbewaffnete gemeinsam mit den Bürgern in den Krieg ziehen. Denn groß ist die Gefahr für die Schwerbewaffneten, schwerwiegend ist aber auch für sie, sich von ihren Geschäften und Häusern zu entfernen. Aber sicher dürfte auch die Stadt einen Nutzen davon haben, wenn die Bürger lieber miteinander ins Feld ziehen, statt dass sich mit ihnen zusammen Lyder, Phryger, Syrer und andere Nichtgriechen aus vielerlei Ländern in der Schlachtreihe aufstellen, wie es jetzt üblich ist. Denn viele Fremde entstammen diesen Völkern. Zusätzlich zu dem Vorteil, dass die Fremden davon befreit würden, gemeinsam in der Schlachtreihe aufgestellt zu werden, käme es auch dem Ansehen der Stadt zugute, wenn die Athener in dem Ruf stünden, dann, wenn es ums Kämpfen geht, mehr auf sich als auf Fremde zu bauen. Und wenn wir ferner die Fremden außer zu den anderen Dingen, an denen sie zu beteiligen ehrenvoll ist, zusätzlich auch zur Reiterei zuließen, dann dürften wir uns meiner Meinung nach ihr größeres Wohlwollen gewinnen und zugleich die Stadt größer und stärker machen.

Es gibt innerhalb der Stadt viele Grundstücke, die nicht mit Häusern bebaut und als Bauplätze geeignet sind. Wenn nun die Stadt den Bauwilligen, die darum nachsuchen und würdig erscheinen, das Recht auf Besitz einräumte, dann dürften meiner Meinung nach auch infolge dieser Maßnahmen bei weitem mehr und bessere Leute ihre Niederlassung in Athen anstreben. Und wenn wir das Amt von Fremdenbeauftragten einführten – nach dem Vorbild der Waisenbeauftragten – und unter ihnen diejenigen auszeichnen würden, die die meisten Fremden vorweisen könnten, dann dürfte auch dieser Schritt die Fremden gewogener machen, und aller Wahrscheinlichkeit nach dürften alle Heimatlosen den Status eines Metoiken in Athen anstreben – und unsere Einnahmen vergrößern.«

Neben den dauerhaft ansässigen Fremden gab es in den griechischen Stadtstaaten auch immer viele Menschen fremder Herkunft, die sich dort nur vorübergehend aufhielten. Auch in dieser Hinsicht nahm die politische, wirtschaftliche und kulturelle Metropole Athen eine Spitzenposition ein. In dankenswerter Weise hat der Philosoph und Wissenschaftler Platon eine systematische Zuordnung dieser auswärtigen Gäste vorgenommen (Nomoi 12,6). Dabei unterscheidet er vier Gruppen von Fremden.

Fremde und Fremdsein in der Antike

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