Читать книгу Vergeltung - Horst Erny - Страница 16
Kapitel 14
Оглавление
Samstag 12.3. Boot
Ab einer Tiefe von sechzig Fuß ist keine Wellenbewegung mehr zu spüren und dort, wo die Florida auf Grund liegt herrscht Totenstille.
Seit dem Zeitpunkt wo sie sich ihres unausweichlichen Todes bewusst wurden, versuchten sie Gefühle zu überwinden, um Gedanken ordnen zu können.
Täglich mehrmals überprüften sie die Sauerstoff-und Stickstoff Sättigung. Der Reaktor war intakt und er hielt die lebensnotwendigen Systeme aufrecht.
Die unbeschädigte Verpflegungskammer war zugänglich und so mangelte es nicht an Essen und Trinken.
Über Funk forderten sie die Einstellung der ständigen Sonar- Peilung, so dass sie störungslos schlafen konnten wenn die Müdigkeit sie überfiel. Oft erzählten sie aus Kindheitstagen, lachten auch gequält über gemeinsam lustige Ereignisse und vermieden es, über die Art ihres bevorstehenden Todes zu sprechen. Sie wussten beide von den Medikamenten an Bord von denen einige durch hochdosierte Einnahme ein schnelles Ende herbeiführen konnten.
Nun waren sie an dem Punkt angelangt, wo die Wut auf die Verursacher ihrer Situation übermächtig wurde. Im dämmrigen Licht lagen sie mit farblos eingefallenem Gesicht nebeneinander und starrten auf die Rohre und Leitungen über ihnen. Jeff begann das Gespräch.
>Bobby, was meintest Du gestern mit Rache üben?< Fest entschlossen dies nun zu diskutieren antwortete, sein Freund >Ich habe mir die vergangenen zwei Tage überlegt, welche Möglichkeiten uns hier unten zur Verfügung stehen< >Willst Du etwa die Tridents abfeuern? Alleine schon eine vorsichtige Drohung wird zur Folge haben, dass sie uns ins Visier nehmen. Und zwar ohne Rücksprache mit der anderen Seite, doch sprich weiter< Und Bob fuhr ruhig und konzentriert fort.
>Ich möchte Vergeltung üben an denen, – auch wenn es posthum ist - die das Leben von Millionen Soldaten, Zivilisten und Hinterbliebenen zerstört haben. An denen die sich einen Dreck darum scheren, ob die Krüppel in ihren Rollstühlen die nächste kalte Winternacht unter ihrer Plastikfolie überleben<.>Wenn nicht gerade ein Logenplatz über dem Abluftgitter eines U-Bahn Schach-tes frei ist.< Fügte jeff hinzu.
>Ich habe aber noch einen Schritt weiter gedacht< fuhr er fort.
>Erzähle!< >Tatsächlich sind die Waffen dort hinten unsere einzige Möglichkeit zu drohen.< >Drohen?< widerholte Jeff fragend. >Ja drohen, wir wollen uns jedoch nicht auf deren Stufe begeben, denn Menschen-leben dürfen wir nicht gefährden. Suchen wir uns ein Ziel von großer Bedeutung aus. Denk nach!<
>Große Bedeutung?< >was meinst Du damit?< >Okay Jeff, lasse Dir meine Gedanken erklären.
Wir erpressen sie dazu, eine Liste von Forderungen zu erfüllen, und der wichtigste Punkt wird sein, dass sie ihre bisherigen Absichtserklärungen, alle Nuklearwaffen abzu-rüsten, endlich in die Tat umsetzen.
Entsprechend den NPT und SALT Verträgen.
Du kennst sie! Seit nunmehr vierzig Jahren bedrohen sich die Großmächte gegenseitig mit dem Einsatz dieser Waffen in brisanten Situationen und vermutlich verhinderten sie damit einen weiteren, viel schreckliche-ren Weltkrieg.
Die gegenseitige Angst hat stets gesiegt im Wissen, dass ein atomarer Krieg keine Sieger zurück lässt.
Nie jedoch scheuten sie den Einsatz kommerzieller Waffen, wenn es darum ging, Ideologien oder wirtschaftliche Erfolge zu verteidigen.
Jeff, nur einen Steinwurf vom Weißen Haus entfernt, liegen - wie repräsentativ - nur ein kleiner Teil der zwei Millionen getöteten Soldaten.
Ob Vietnamesen, Amerikaner, Koreaner, Laoten oder Kambodschaner. Alle hätten sie noch gerne gelebt, jeder hat trauernde Angehörige hinterlassen, die gerne zusammen mit ihnen leben, reden, lachen, einen Burger oder eine Schale Reis teilen würden. Man stelle sich vor, nur zwei vom Volk bestimmte Mächtige, die glaubten über jeden Zweifel erhaben zu sein, besiegeln das Schicksal von Millionen.< Aus Bob sprudelte es nur so heraus und seine Worte betonte er immer intensiver.
>Ist Dir bei deinen Grabbesuchen in Arlington schon mal aufgefallen, dass je nach militärischer Hierarchie die Grabstätten immer höher auf die Hügel gelegt worden sind? Stell Dir mal vor, Nixons künftiger Grabstein - unweit dem Kennedy- Memorial - Du stehst dahinter und liest den eingravierten Spruch seines Amtsantrittes:
the greatst honor history can bestow is the title of peacemaker - und lässt dann deinen Blick auf das Meer der weißen Gedenksteine dort unten schweifen.
Zum Kotzen! Würde sich Mister Präsident in einer ruhigen Nacht vor das geöffnete Fenster des Westflügels stellen, könnte er nicht nur das Rauschen des Potomac oder die Arlington Glocke hören, sondern auch mit etwas Phantasie die Apokalypse-now Geräusche von My Lai und Huè< Bobs Worte hallten durch die stählerne Kammer und überschlugen sich wie gegenseitig antwortende Echos.
>Jeff, die Schmerzlatte, einen Atomkrieg zu entfachen liegt hoch und diese Tatsache werden wir nutzen, um mit Vergeltung zu drohen. Vergeltung üben für meinen Bruder und dessen Vater, den er nie kannte, sowie den fünfzigtausend Kameraden, die nur noch in Särgen aus Vietnam zurückkamen.<
Jeff hörte aufmerksam zu und fragte: >Und wohin willst Du die Raketen schicken, wenn sie sich nicht erpressen lassen?<
Bob erwartete diese Frage und antwortete sofort.
>Auf die Befehlszentren in Ost und West. Dahin, von wo alle Befehle ausgingen, Bürger in Uniformen zu stecken um sie in den Tod zu schicken. In die Befehlszentren der Nato und des Warschauer Paktes. Nach Washington und Moskau. <
>Bobby, ein Wahnsinns- Gedanke, den Du da hegst.<
>Ja Jeff, unsere Drohung soll zur Folge haben, dass der Einsatz dieser Waffe ein für alle Male ausgeschlossen wird. Wie lange soll die Aufrüstung und die Angst vor dem großem Pilz noch anhalten?
Eines ist sicher, die Toten des nächsten Krieges finden kein Grab, vielmehr werden sich die meisten innerhalb Sekunden in Staub verwandelt haben<.
>Asche zu Asche – Staub zu Staub<.
Sie blickten sich entschlossen in die geröteten Augen und legten sich gegenseitig ihre Arme auf die Schultern.
>Nochmal Jeff : Wie sind die Tridend's bestückt?<
>Aber wir sind uns darüber einig<...... >natürlich, dass wir keine Menschenleben gefährden< setzte Bob den Satz fort.
Jeff antwortete nach kurzer Überlegung. >Also Nummer eins ohne Sprengkopf, der war für die Übung gedacht. Nummer zwei hat vier Köpfe mit je 470 Kilo-Tonnen, Nummer drei, eine Taktische mit zwei Pershing Köpfen und jeweils einer Tonne, Nummer vier, die fürchterlich-
ste von allen, mit je sieben mal 800, die fünf hat vier Köpfe mit je 330, Nummer sechs - sieben und acht je sechs Köpfe mit 120.< Der Rest ist leer und geflutet.
>Mein Gott, wir sind hier eine Atommacht und könnten einen ganzen Kontinent auslöschen< fuhr er fast erschrocken über seine Feststellung fort.
>Jeff lass uns über die drei nachdenken, die Sprengkraft ist so gering, dass nur innerhalb eines Kreises von etwa 2000 Fuß alles zerstört wird. Weiter weg bleiben massiv gebaute Gebäude heil, bis auf die Scheiben und außen liegenden Kunststoffe.<
Jeff dachte laut >Verstrahlungsintensität ist gering - genau dies war der Zweck ihrer Entwicklung. Eine strategische Waffe, die punktgenau massive Zerstörung verursacht, jedoch weitgehend die Bevölkerung schont < >Gott wie human < meinte Bob spöttisch.
>Bobby, es sollen sowieso keine Menschen dort sein, wenn sie einschlägt, doch müssen wir ihnen genügend Zeit zur Evakuierung geben.<
Betonte Jeff nochmals. >Natürlich wir wollen keine Amokläufer sein und sicher kein zweites Hiroshima verursachen. >Die Reichweite ungefähr 7000 Meilen, Treffer Genauigkeit maximal 300 Fuß CEP<>Der Reaktor ist intakt und Auspress-Druck genügend da< fuhr Jeff sachlich fort.
>Ich hoffe nur, dass wir nicht zu tief liegen.< >Lass mich das noch berechnen<.
Nun entstand ein Dialog zwischen beiden geprägt von geordneten und produktiven Gedanken. Sie unterhielten sich wie zwei Generäle, die den Befehl erhielten, einen nicht zu verlierenden Krieg zu planen.
Doch sie werden dabei sterben. Nicht den üblichen Soldatentod werden sie finden, sondern verdursten, verhungern oder was wahrscheinlicher ist, den Erstick-ungstod durch ihren eigenen Atem.
>Jeff wie lange brauchen wir zur Neuprogrammierung?<
>Unsere Koordinaten siehst Du hier< Am grünem Display erschien ein Gewirr von sich kreuzenden Linien und Ländergrenzen.
Auf Jeffs Knopfdruck erschien ein roter blinkender Punkt der ihre Lage anzeigte mit den dazu gehörigen Koordinaten. Nahe der Küste, verboten viel zu Nahe dieser Küste!
>Ich denke wir brauchen sechs Stunden zur Neuprogrammierung.< >Die Aktivierungscodes und dazugehörigen Schlüssel sind in diesem Safe<. Jeff deutete auf die im unteren Teil des Kommandanten Tisches angeschweißte gelbe Box.
>Das Startprocedere ist so festgelegt, dass nie eine Person alleine die Raketen starten könnte.
Die Zündschlösser sind zehn Fuß voneinander entfernt und müssen gleichzeitig innerhalb von zwei Sekunden bedient werden.< >Worauf sind sie jetzt programmiert?<
Fragte Bob. >Gib mir etwas Zeit ich muss diese erst entschlüsseln um es zu erfahren.
Stell Dir vor, nicht einmal der Kapitän kannte sie, doch ich gehe davon aus, dass zwei wohl am Roten Platz und ganz hier in der Nähe ihr Ziel gefunden hätte, denn dies hat für den Gegner immer eine hohe psychologische Wirkung -mein Gott die treffen genau ins Herz wenn sie wollen-. >Ja, und das Ziel von Nummer drei soll dort sein. Wir müssen beide Seiten unter Druck setzten, denn nur so kann es erfolgreich sein.<
Bobby öffnete eine Dose Corned Beef, die sie sich teilten. Es kam nicht mehr auf Geschmack, sondern nur noch auf den Sättigungsgrad an. Sie tranken viel und nahmen Vitamine in Tablettenform zu sich. Beide glichen sie mittlerweile eher Pennern, als NASA- Spezialisten.
Mit ihren Ressourcen gingen sie sparsam um. Nicht um Zeit für eine Rettungsaktion zu gewinnen, vielmehr um
ihr Vorhaben durchdacht abschließen zu können.
Die Gedanken um das Ob wichen denen - um das Wie. Doch waren sie sich auch im Klaren darüber, dass sie nach ihrer Offenbarung, mit unberechenbaren Reaktionen der Bedrohten rechnen müssen.
Alle denkbaren Szenarien diskutierten sie und begannen mit den möglichen Optionen seitens der Russen. Immerhin waren sie in deren Hoheitsgebiet mit einem kampfbereiten Schiff eingedrungen um eine Spionage Aktion durchzufüh-ren.
Wäre das U-Boot aufgebracht worden, hätten sie alles Recht auf ihrer Seite gehabt, es zu versenken, denn eine atomare Bedrohung nur sechs Meilen vor ihrer Küste und drei Minuten Flugzeit nach Moskau, wäre Grund genug gewesen.
Bereits im Mai 1960 machten sie von diesem Recht Gebrauch. Selbstsicher schickten die USA regelmäßig
ihre U2- ein eigens für Spionagezwecke gebautes hochfliegendes Flugzeug- über sowjetisches Territorium um deren militärische Aufrüstungsaktivitäten zu fotogra-fieren.
In über sechszigtausend Fuß Höhe ging keine Gefahr mehr von den russischen SAM- Boden – Luft Raketen mehr aus.
Glaubten sie bis zum 6. Mai.
Um diesen frechen Spionageflügen Einhalt zu gebieten, modifizierten die Russen ihre SAM und erreichten damit die Flughöhe der U2.
Schon Stundenlang kreiste Powers über militärische Gebiete und fotografierte emsig. Aufmerksam wurde er von den Radaranlagen beobachtet und man wartete nur auf den richtigen Moment.
Als der Pilot die kerntechnische Anlage von Majak überflog, geschah das bisher unmögliche. Eine gut gesteuerte SAM schoss die Spitze des linken Flügels seiner Maschine ab und er stürzte zu Boden.
Gary Powers war jedoch ein hervorragender Pilot mit viel Freude am Leben. Seinen Fallschirm öffnete er in letzter Sekunde und so wurde er in voller Montur von einem zu Tode erschrockenen russischen Bauern auf dessen Feld begrüßt.
Für die Betätigung des Selbstzerstörungs- Mechanismus hatte er jedoch keine Möglichkeit mehr.
Chruschtschow ahnte, was nun kommen würde und hüllte sich erst mal in Schweigen.
In der beruhigenden Annahme, dass Powers den Abschuss aus dieser Höhe nicht unbeschadet überstanden hätte, beschimpfte man dann selbstsicher die Russen, eines ihrer Wetterflugzeuge abgeschossen zu haben, das sich nur auf einen Erkundungsflug nach Norwegen befand.
Wieder einmal ein Grund, bei der UNO schärfstens gegen die russische Aggressivität zu protestieren.
Chruschtschows Rechnung ging auf.
Lachend triumphieren die Russen dann den mit gesto-chen scharfen Bildern in der Hand dazugehörigen Fotografen. Gary Powers - unverletzt mit verlegenem Gesichtsausdruck vor laufender Kamera.
Und Chruschtschow hatte allen Grund zu hysterischen Zornesausbrüchen.
Powers würde er erst wieder zurückgeben wenn im Austausch ihr 1957 entlarvter Top Agent Abel freigelas-sen würde.
Und im Übrigen hatte man nun auch keine Lust mehr, der für Mai angesetzte Abrüstungs - Gipfelkonferenz in Paris beizuwohnen. Erst Kennedy brachte 1961 den Austausch der beiden zustande. Die ertappten Spione begegneten sich dann in Berlin auf der Glienicker Brücke.
An der weißen aufgezeichneten Grenzlinie blieben sie kurz stehen und blickten sich an. >Wir haben Geschichte geschrieben< sagte Abel und sie gingen weiter in ihre Heimat. Einer nach Westen, einer nach Osten.
Es siegte die Vernunft gesteuert von der Angst.
Doch nun hat sich der Eindringling selbst entlarvt und liegt mit seiner furchtbaren Bewaffnung zum Greifen nah auf dem Grund vor ihrer Küste. Und wieder versuchten die Ertappten, sich mit Lügen herauszureden.
Und wieder gibt es Überlebende die die Wahrheit kennen und keinen Hehl daraus machen.
Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Aktion aufs schärfste und die Ostblockländer forderten massive Sanktionen. Gromyko telefonierte desöfteren mit Shultz im Beisein Gorbatschows und Andropows Blutdruck stieg in gefährli-che Höhen. Eine Bergung wäre zwar technisch möglich, würde jedoch nicht einzuschätzende Reaktionen der USA auslösen.
So interessant es wäre, das streng gehütete Waffen-system des Klassenfeindes unter die Lupe zu nehmen - und als Beigabe zwei NASA Spezialisten mit geheimstem Wissen, so unberechenbar ist die Reaktion Reagans und seiner Texanischen Falken im Weißen Haus.
Also versucht man, aus dieser Blamage möglichst viel politischen Nutzen zu ziehen.
Zu gut ist Kuba noch in Erinnerung.
Wieder schoss eine hoch fliegende U2 brisante Aufnahmen, jedoch diesmal zum Nachteil der immer noch beleidigten Kreml-Funktionäre. Sie glaubten das Recht auf ihrer Seite und begannen zur Freude Castros, jedoch zum Ärger Kennedys, mit der Stationierung von Atomraketen vor dessen Haustüre. Nur der unbedingte Friedenswille, aber auch die glaubhafte Entschlossenheit Kennedys und das diplomatische Geschick Gromykos brachten Chruscht-schows Gedanken wieder in eine friedliche Richtung.
Wieder siegte die Vernunft, aus der Angst heraus.