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KAPITEL 1
ОглавлениеIn 450 Fuß Tiefe der Barentssee herrscht Stille und nahezu völlige Finsternis.
Kein Sonnenlicht dringt mehr dorthin.
Die Bewohner dieser unwirtlichen Welt sind skurrile Wesen - oftmals farblos und unscheinbar, denn die Natur verschwendet keine Farben, wo sie nicht durch Tarnung oder Drohgebärden nötig sind.
Dann und wann wird die Stille durch die hochfrequenten Sirenen von Buckelwalen unterbrochen, die zu einem sättigenden Tauchgang in der Tiefe verschwinden.
Eine ständig leichte Strömung hier im Nordatlantik - etwa achtzig Meilen nördlich des Polarkreises treibt während dieser Jahreszeit dicke Wolken von Zooplankton in die weit aufgerissenen Mäuler der Meeresgiganten.
Sehr spät sind sie dieses Jahr in ihr Sommerquartier zurückgekehrt und eine gefährliche, lange Reise liegt hinter ihnen. Zusammen mit ihren neugeborenen Jungen machen sie sich alljährlich im Frühjahr auf den weiten Weg hierher. In den warmen Gewässern vor Hawaii nehmen sie keine Nahrung zu sich, sondern zehren von den Fettreserven, die sie sich hier anfraßen.
Für die Mütter sind es entbehrungsreiche Monate im Südpazifik. Fast zwei Tonnen schwer kommen ihre Jungen dort zur Welt und benötigen täglich einhundert Liter Milch, um fünfzig Kilo zuzunehmen.
Sie müssen kräftig sein, um ihre erste große Reise von fast 10.000 km antreten zu können. Viele Mütter kommen jedoch alleine hierher zurück.
Nicht mehr weit ist es bis zum Eingang der Barentssee. Doch immer müssen sie sich entscheiden zwischen den längeren, aber sicheren Weg weiter hinaus in den Nordatlantik - oder der gefährlichen kurzen Route durch die Meerengen an der Bristol Bay. Dort warten oft ihre Todfeinde, die Orcas. Und mit den geschwächten Jungen haben die ein leichtes Spiel.
An diesem 5. März 1983 dringen klopfende, rhythmische Geräusche von Schiffsschrauben in die Tiefe.
Am Stahlmantel des Wracks prallen Sonarimpulse ab Binnnng – binnnnnng …..
Drohend mit dem Bug nach Norden gerichtet halten Sowjetische Kreuzer eine Vielzahl von Schiffen anderer Nationalitäten auf Distanz zu ihrem Hoheitsgebiet. MIG 21 Jäger durchschneiden tief fliegend und schreiend den Himmel, um den Anwesenden die Grenze der zwölf Meilen Zone aufzuzeigen.
Dort dümpeln Fischerboote und angeheuerte Schiffe inter-nationaler Medien mit gegen den Himmel gerichteten Parabolantennen.
Die schweren Geschütze an der Breitseite der USS New Jersey sind auf das Festland vor ihnen ausgerichtet.
In einigem Abstand liegt dominant die USS Eisenhower ruhig in der aufgewühlten See und fordert die Neugierigen zu respektvollen Abstand auf.
Von der Besatzung wird sie nur IKE genannt.
So bildet sich ein fast nahtloser, halbkreisförmiger Gürtel entlang der Kola Bucht nahe Murmansk.
Das Deck der IKE ist hell beleuchtet und ein ständiges Aufsteigen von Hubschraubern und Kampfjets zeugen von großer Nervosität. Luftblasen drängeln immer noch zielstre-big noch oben tanzend durch die aufgerissene Hülle und markieren den genauen Standort des havarierten Ungetümes mit seiner todbringenden Fracht.
Die USS Florida – ein über fünfhundert Fuß langes U–Boot der Ohio Klasse hat nichts mehr von der Stromlinien- Eleganz des Flaggschiffes der US Submarine, vielmehr gleicht es mehr einem zerborstenen Silvester- Knaller.
Die immer hungrigen Bewohner dieser Unterwelt verschwin- den für kurze Zeit in dem klaffenden Loch, während die kleineren auf deren Rückkehr warten, um sich abfallende Stücke zu schnappen. Gesättigt von den Überresten der Eindringlinge schwimmen sie behäbig in alle Richtungen davon. Es ist ein reich gedeckter Tisch und ein reges Kommen und Gehen.
Aus Fressfeinden werden Gleichgesinnte.
Als drittes Boot dieser Klasse wurde es erst vor gut einem Jahr in Dienst gestellt. Ihr Heimathafen ist Kings Bay in Georgia und nun liegt es seit vier Tagen manövrier- unfähig im Nordmeer.
3.3.1983 6.20 am Murmansk UDSSR Kola Bucht
Abweichend vom turnusmäßigen zwei Monate dauernden Tauchgang wagte sich der Riese verstohlen in verbotene Gefilde, um Geheimes zu erkunden.
Am Eingang der Kola Bucht entstanden neue Hafenbecken, an denen sich derzeit eine Anzahl sowetischer Kriegsschif-fe befindet. Das Ziel der Begierde.
Bereits am Ende der zweistündigen Mission und beginnend mit dem Abtauchen aus der Periskop Tiefe kam es zu einer heftigen Detonation in der Torpedokammer. Ein Teil der Außen – und Innenhaut sowie einige darin eingebaute Ballasttanks wurden zerstört und drei Decks der Mann-schaftsräume sowie die Offiziersmesse geflutet.
Durch die gefährliche Aktion in Feindgebiet waren alle in höchster Bereitschaft und die Aufenthaltsräume nahezu leer.
Die sich normalerweise im Kontrollraum und der Kom-mandozentrale befindlichen Offiziere hielten sich zum Zeitpunkt der Detonation in den betroffenen Sektionen auf. Von dort wurden Probleme gemeldet.
Das automatische Schließen der Schotten verhinderte ihnen eine schnelle Flucht zurück in den sicheren Kontrollraum. Daneben schließt sich durch ein hermetisch abgedichtetes Schott der Sonar- Funk und Rakentkontroll-raum an, wo sich Bobby und Jeff befinden.
Die Detonation löste schreiende Sirenen im Murmansker Hafen aus.
Isoliermaterial, Stoffe und schillernde Ölflächen verteilten sich großflächig in alle Richtungen.
Das sich aufbäumende Wasser trieb tote Fische nach oben, auf die sich ein Schwarm Möwen stürzte.
Innerhalb von Minuten starteten von der im Hafen liegenden „Minsk“ Mig 15 Jäger sowie eine Anzahl Mil - Mi 24 Hubschrauber und kreisten über dem Ort der Detona- tion.
Die „Minsk“ wurde im Rahmen des Projektes 1143 als weiterer Flugzeugträger nach der „Kiew“ gebaut. Er dient seit 1979 der sowjetischen Pazifikflotte.
Eine immerwährende Angriffs oder Verteidigungsbereit-schaft war in diesen Zeiten obligatorisch.
Die Explosion warf sie zu Boden. Instinktiv verschränkten sie ihre Arme schützend über den Kopf. Mit dem Bug nach oben gerichtet, spürten sie das rasante Sinken ihres Schiffes.
Die Höllenfahrt dauerte fast eine Minute und die Nadel des Tiefenmessers drehte sich schnell gegen den Uhrzeigersinn.
Der Aufprall war heftig und schleuderte sie zusammen mit allen losen Gegenständen an die Kabinenwand. Laute, knarzende Geräusche von brechendem und sich verbiegendem Metall übertönten das Geschrei von nebenan. Ihre Köpfe mit weit aufgerissenen, ungläubig blickenden Augen schnellten in alle Richtungen.
Kein Wasser drang ein.
Die Nadel beruhigte sich bei 450 Fuß und erst nach zehn Minuten stabilisierte sich das Boot im tiefen Schlamm.
Hallende Schreie und Klopfgeräusche verstummten schnell.
Das Schiff ist ausgelegt auf eine Tauchtiefe von etwa 900 Fuß. Die Druckhülle wurde aus einer hoch elastischen HY 80 Stahllegierung gefertigt die auch besonderen Verfor-mungen standhält.
Vor Millionen von Jahren entstand hier durch Gletscherab-rieb ein Schelf das durchzogen wurde von sich kreuzenden Furchen, Höhen und Tiefen.
Ähnlich einer Sinuskurve ziehen sie sich gegen die Küste hin.
Bob und Jeff kannten etwas die geologische Beschaffenheit dieses Gebietes. Lagen sie an einer Spitze oder in einem Tal dieses besonders geformten Meeresbodens, lag das Boot stabil oder drohte es, noch weiter in die Tiefe zu rollen? Sie tasteten sich durch die Notbeleuchtete Kommandozentrale und Jeff schleppte sich zum Instrumentenpult, um die plärrenden Warnsignale auszuschalten. Schnell begann er, die Fehlermeldungen abzulesen. Ihre Kenntnisse über die Technik dieses Schiffes waren eingeschränkt. Bereits kurz nach der ersten in Dienst gestellten Ohio, überlegte man deren Modifizierung und es liefen erste Studien über den Einsatz von Marschflugkörpern, die von hier aus abgefeu- ert werden sollten. Ihre Aufgabe war die Programmierung der Tridents C4 sowie die der geplanten neuen Bewaffnung. Sie standen nicht im Dienst der Navy. Ihr Arbeitgeber war die NASA und in die Technik des derzeitigen Einsatzplatzes wurden sie nur im Rahmen einer Navy Grundausbildung eingeweiht. Sofort überprüften sie die Instrumente auf Funktion. Bob riss die Hülle der Notfallcheckliste auf und sie begannen mit zittriger Stimme die Ist- mit den Soll Parametern der Instrumente zu vergleichen.
>Reaktor<>Intakt<>Turbinen>abgeschaltet>Tiefenruder< >nicht erkennbar<,
>Batterien< >intakt<, >Raketenrohre< >Intakt<,>Dry Deck Shelter< >vermutlich zerstört<,
>Torpedorohre <>Bis auf Nummer drei und vier belegt.<
>Radarsysteme >zerstört<
>Trägheit Navigationssystem< >eingeschränkt<
>Satelliten Navigationssystem<>intakt<,
>Funkboje<>Ausgesetzt<
>Schleppantenne<>Ausgesetzt,
>Sauerstoffsystem <>Intakt<,>Wasserversorgung<
>Intakt<>Anblastanks<>geflutet...aber einige zerstört.<.
Aus all diesen Feststellungen konnten sie sich ein ungefähres Bild der Beschädigungen machen.
Sie haben Zugang zu den Versorgungskammern in denen genug Lebensmittel für etwa drei Monate lagerte.
Der Wassereintritt war so massiv, dass das spezifische Gleichgewicht nicht mehr gegeben war. Das Schiff war zum Sinken verurteilt und eine Befreiung aus eigener Kraft nicht mehr möglich.